Mitten in der Aufarbeitung des Greensill-Debakels platzt bei der Credit Suisse die nächste Bombe: Die Grossbank muss bei einem Hedgefonds-Kunden hohe Kredite abschreiben. Man munkelt von einem Verlust von bis zu 4 Milliarden Franken.

Die Credit Suisse (CS) steckt wegen des Fiaskos um die Greensill-Fonds tief in der Bredouille. Doch am Montagmorgen verschickte die CS ein sogenanntes «Trading Update»: Darin warnte die Schweizer Grossbank vor einem möglicherweise «sehr bedeutendem und materiellen» Verlust im ersten Quartal 2021. Ein US-Hedgefonds sei nach einem Margin Call der CS und anderer Banken kollabiert – der Fonds habe den Forderungen der Banken nicht Folge leisten können.

Weitere Informationen gab die CS nicht bekannt. Doch handelt es sich um der kollabierten New Yorker Finanzfirma um Archegos Capital Management, die im Besitz des legendären Hedgefonds-Managers Bill Hwang (Bild unten) ist.

Verkäufe über 30 Milliarden Dollar

Archego war vergangene Woche in Schieflage geraten, nachdem die Aktie des Medienkonzerns Viacom CBS deutliche Kursverluste erlitten hatte. Archegos Capital Management ist Kunde der CS. Die Schweizer Grossbank sowie andere Institute wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, die japanische Nomura und gemäss Medienberichten auch die UBS lieferten sogenannte Prime-Brokerage-Services an Archegos Capital. Die CS lieh dem Hedgefonds demnach Geld und Wertschriften und wickelte für ihn Handelgeschäfte ab.

Bill Hwang

(Bild: Screenshot / Fuller Studio)

Weil Archegos Capital den Margin Calls, also der Nachschusspflicht gegenüber den Banken, nicht nachkommen konnte, musste der Fonds seine Positionen auflösen. Gemäss Medienberichten wurden am vergangenen Freitag Aktienverkäufe in der Höhe von rund 30 Milliarden Dollar durchgeführt. Die Aktienkurse von Viacom CBS und Disney, aber auch von chinesischen Firmen wie Tencent und Baidu, rasselten in den Keller.

Extremer Leverage

Alleine die US-Investmentbank Goldman Sachs soll Verkäufe in der Höhe von 10,5 Milliarden Dollar abgewickelt haben. Archegos Capital Management war offenbar mit extrem viel Fremdkapital «geleveraged» gewesen.

Wie viel davon von der CS stammt, ist noch unklar. Die CS wollte keinen Kommentar abgeben. Doch munkelt man im Markt von einem Verlust von 3 bis 4 Milliarden Franken. Die Aktie der CS verlor am Montagmorgen bis zu 12 Prozent. Die japanische Grossbank Nomura hatte ihren Verlust in einem Statement auf rund 2 Milliarden Dollar beziffert.

Verluste hüben wie drüben

Für die CS ist der Archegos-Verlust neben dem Greensill-Debakel die «zweite Front», mit der die Grossbank nun zu kämpfen hat. Wie hoch die Greensill-Verluste ausfallen werden, ist ebenfalls nicht klar. Der Unterschied zu Archegos Capital ist, dass bei Greensill die Verluste in vier Fonds angefallen sind, in denen gesamthaft über 10 Milliarden Dollar Kundengelder lagen.

Die CS wird hier also mit Rückzahlungsforderungen von Kunden konfrontiert werden, denen sie aus Kulanz Folge leisten dürfte. In Medienberichten heisst es, die CS werde zunächst wohl 1,5 Milliarden Franken an Greensill-Fonds-Kunden zurückzahlen. Die Ausfälle sollen allerdings rund das Doppelte betragen.

Bei Archegos ist die Ausgangslage anders: Hier muss die CS in der Bilanz einen Abschreiber vornehmen, der im ersten Quartal 2021 verbucht wird und der zweitgrössten Bank erneut rote Zahlen bescheren wird. Schon im vierten Quartal 2020 hatten Abschreiber und Rückstellungen der CS einen Verlust eingebrockt.

Thomas Gottsteins Waterloo

CS-CEO Thomas Gottstein erlebt derzeit sein persönliches Waterloo: Zum wiederholten Male ist die CS in eine Verlustfalle getappt, was möglicherweise hätte vermieden werden können. Die UBS scheint jedenfalls keine materiellen Verluste erlitten zu haben. Die Grossbank kommentierte den Fall allerdings nicht und wollte sich auch nicht zu einer potenziellen Kundenbeziehung mit Archegos äussern.

Archegos Capital Management gehörte offenbar zur A-Klasse unter den Kunden an der Wall Street. Der Hedgefonds soll eher ein Family Office gewesen sein und rund 10 Milliarden Dollar des Privatvermögens von Gründer Hwang verwaltet haben, wie das «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) berichtet. Gemäss anderen Quellen war Archegos in einem Verhältnis von rund 10 zu 1 geleveraged. Die Strategie war, riesige Wetten auf Blue-Chip-Aktien in den USA und in China einzugehen. Dabei nutzte Hwang offenbar Swaps. Die Aktien waren somit in den Büchern der Banken.

Er stand auf der schwarzen Liste

Hwang wurde als Hedgefonds-Manager extrem wohlhabend und berühmt, weil er mit Tiger Asia Management und berüchtigten Asien-Wetten seit den 1990-er Jahren teils eine sehr hohe Performance erzielt hatte. Im Jahr 2012 musste er den Tiger-Fonds allerdings liquidieren, nachdem ihm Insiderhandel nachgewiesen worden war. An die US-Aufsicht SEC zahlte Hwang daraufhin eine Busse von 44 Millionen Dollar. 2014 schloss ihn die Hongkonger Börse für vier Jahre von allen Geschäften aus. Dort bezahlte Hwang eine Busse von 5,3 Millionen Dollar.

Diese Vergangenheit hielt die CS – und andere Banken auch – aber nicht davon ab, mit Hwang Geschäfte zu machen. Goldman Sachs hatte ihn 2018 von der schwarzen Liste genommen und Kundenbeziehungen wieder aufgenommen.

Das Prime Brokerage gilt als eine äusserst lukrative Dienstleistung im Investmentbanking, da die Banken über die Gebühreneinnnahmen indirekt an den Profiten der Hedgefonds und grossen Family Offices beteiligt sind.

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