Der neu gewählte Credit-Suisse-Präsident António Horta-Osório muss die zweitgrösste Schweizer Bank massiv schrumpfen, damit sie ihre Risiken überhaupt tragen kann. Doch was geschieht dann? Die Konkurrenz steht bereits vor der Tür.

Nach den horrend teuren Fehlspekulationen rund um die Finanzvehikel Greensill und Archegos rauft sich die Credit Suisse (CS) unter ihrem frisch gewählten Präsidenten António Horta-Osório zusammen, um eine neue Strategie zu finden.

Es ist eine heikle Güterabwägung. Denn schnell einmal muss klar werden, was innerhalb der CS noch zu retten ist, und was man getrost über Bord werfen kann. Soviel steht schon jetzt fest: Horta-Osórios Amtsantritt Anfang Mai 2021 hat der CS eine Galgenfrist eingeräumt – bevor es ans Angemachte gehen dürfte. 

Viel Diplomatie

Natürlich gab sich der portugiesische Bankveteran nach seiner Wahl vor gut zehn Tagen höchst diplomatisch und versicherte: «Wir werden uns die nötige Zeit nehmen, um die strategischen Optionen der Bank eingehend zu prüfen.» Und: «Dies wird mit einer langfristigen Perspektive geschehen, ohne die kurzfristigen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren», liess er weiter verlauten.

Doch recht eigentlich ist die Not so gross, dass möglichst bald gehandelt werden muss. Allein schon ein Blick auf den Aktienkurs verdeutlicht, wo es geschlagen hat: Am Dienstagabend kostete ein Dividendenpapier der CS gerade noch 9.06 Franken.

Sammelsurium an Risiken

Horta-Osórios vordringlichste Aufgabe wird sein, die nötigen Abklärungen zu treffen, ob die CS als Ganzes fusioniert werden kann, oder ob die Bank in Einzelteile zerlegt werden muss, um dann die verschiedenen Sparten dem Meistbietenden zu veräussern oder mit der Konkurrenz zu fusionieren. Denn am Ende kann nur ein Ziel bestehen: Die Schweizer «Kernbank» muss erhalten bleiben, als ein Geldhaus, das durch und durch stabil ist und nicht zockt, wie das in der Vergangenheit im Konzern allzu oft der Fall war. 

Vor diesem Hintergrund verwalten Horta-Osório und CEO Thomas Gottstein ein Sammelsurium an Risiken, welche die CS im Alleingang überhaupt nicht (mehr) schultern kann. Allein die Ausfälle im Zusammenhang mit den Lieferketten-Fonds von Greensill Capital und die Milliardenkredite an den US-Hedgefonds Archegos stellen die Kompetenz des bisherigen Risikomanagements der Bank völlig in Frage. Und damit sich derlei nicht wiederholt, muss die Bank radikal umgebaut werden.

Nicht margenstark genug

Die Greensill-Krise hat – wie noch nie zuvor – gezeigt, dass die CS mit ihrem Asset Management (CSAM) sozusagen ein Luxusobjekt besitzt, das sie sich weder finanziell noch kompetenzmässig leisten kann. Denn wie sonst hätte sie sich mit diesen Lieferketten-Fonds dermassen verspekulieren können?

Und noch etwas kommt belastend hinzu: «Das CSAM ist im Vergleich zu ihren anderen Geschäftsbereichen nicht margenstark genug und trägt auch nicht nennenswert zum Gesamtgewinn bei, zumal die Branche gerade in diesem Segment (Asset Management) praktisch nur noch auf Skaleneffekte, sprich Grösse, setzt, wie es ein M&A-Experte unmissverständlich auf den Punkt bringt. 

Zu neuen Dimensionen in Europa

Insofern wird die CS schon bald eine Lösung finden müssen, wie sie mit ihrem Asset Management künftig kutschiert. Besonders viel Zeit bleibt der Bank indessen nicht, denn seit der Aktienkurs der CS auf ein Rekordtief gefallen ist, überlegt sich manch ein Bank-CEO in Europa, ob die zweitgrösste Schweizer Bank respektive Teile davon sich in sein Planspiel integrieren liessen.

«Speziell die Deutsche Bank dürfte sich diese Option noch einmal genauer ansehen», sagte ein Investmentbanker gegenüber finews.ch. Tatsächlich sucht den auch das grösste Kreditinstitut Deutschlands nach Zukäufen, um der eigenen Asset-Management-Tochter DWS zu neuen Dimensionen zu verhelfen.

Ein Schnäppchen für die Briten

Aber auch für britische Geldhäuser wie Barclays, HSBC und sogar für Lloyds, wo CS-Präsident Horta-Osório zehn Jahre als CEO amtete, stellt die Schweizer Bank «ein echtes Schnäppchen» dar, wie die britische Tageszeitung «The Telegraph» (Artikel kostenpflichtig) vor wenigen Tagen süffisant feststellte.

Das Blatt ging sogar so weit, die CS mit dem US-Finanzhaus Goldman Sachs in Verbindung zu bringen, zumal die Milliardärskunden der CS durchaus zum amerikanischen Nobelinstitut passen würden. Und angesichts der Tatsache, dass Lloyds doppelt so gross ist wie die CS, liess «The Telegraph» wenig Zweifel offen, wer bei einem solchen Schulterschluss die Oberleitung hätte.

Einfach durchwinken?

Doch würde die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) einen solchen Deal mit einer Bank, die in ihrem Namen das Wort «Suisse» trägt, so einfach durchwinken? Horta-Osório, der sich als Portugiese in England einen Namen für seine Diplomatie gemacht hat, wird sich schon bald fragen müssen, ob er diesen Weg wirklich begehen will.

Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass überdurchschnittlich viele Geschäfte und Kundenbeziehungen der CS sehr stark miteinander verflochten sind – wie sich zynischerweise auch im Fall von Greensill Capital gezeigt hat und darauf zurückzuführen ist, dass die CS mit ihrer One-Bank-Strategie seit 15 Jahren genau dies verfolgte. 

Knifflige Entscheidungen

Obschon die CS-Oberen bereits jetzt mit Hochdruck an ihren Strategieanpassungen arbeiten, dürften sich die Resultate frühestens in sechs Monaten materialisieren. Denn vorläufig befindet sich die Bank noch mitten in der grössten Schadensbegrenzung ihrer Geschichte. Es sind knifflige Entscheidungen, die sie treffen muss, angesichts verärgerter Kunden und Investoren, die der CS nun das Leben schwer machen.

Doch wie sähe eine CS denn aus, nachdem sie alles abgestossen hätte, was sie nicht mehr will oder sich nicht mehr leisten kann? Gerade im Investmentbanking ist diese Frage essenziell, zumal diese Sparte trotz einiger guter Quartale auf lange Sicht nie eine ausreichende Eigenkapitalrendite abwarf, wie Kian Abouhossein, Finanzanalyst von J.P. Morgan, unlängst feststellte.

Endspiel in Europa

Bedauerlicherweise deutet einiges darauf hin, dass alles, was noch bleibt, sobald die CS ihrer One-Bank-Strategie einmal abgeschworen hat, zu klein sein wird, um auf dem internationalen Parkett noch eine Figur abzugeben. Insofern dürfte das Endspiel in eine europäische Fusion münden, bei der die Grössen- und Machtverhältnisse dannzumal klar abgesteckt sein werden.


Mitarbeit: Claude Baumann 

 

 

 

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