Auch die Wagniskapital-Geber spüren jetzt die Erschütterungen der Zinswende. Für die Zürcher Gesellschaft Redalpine ist dies der Moment, erst recht mit der grossen Kelle anzurichten – und dem Silicon Valley Paroli zu bieten, sagen die Lenker zu finews.ch.

Risikokapital-Fonds werden seit langem enger mit dem kalifornischen Silicon Valley in Verbindung gebracht als mit europäischen Städten wie London, Berlin oder Zürich. Denn viele US-Jungfirmen starten mit einem Boom, sorgen für laute Medienberichterstattung und werden von grossen amerikanischen Wagnikapital-Gebern (VC) mit Geld überhäuft – in der Hoffnung, in das nächste Facebook, Airbnb oder Google investiert zu haben.

«Die europäische Startup-Landschaft ist für Investoren genauso attraktiv wie die amerikanische», betont Peter Niederhauser, Gründungspartner der Wagniskapital-Gesellschaft Redalpine, im Gespräch mit finews.ch. Mitgründer Michel Sidler doppelt nach: «Europäische Unternehmen waren und sind ebenso innovativ wie ihre amerikanischen Pendants».

Ganz einfach zu schlecht verkauft

«Wir sind in Europa Innovations-Weltmeister», ist Sidler überzeugt. Hinsichtlich der Innovationskraft fänden sich im Top-Ten-Ranking sieben europäische Länder. Allerdings hätten es die Europäer in der Vergangenheit «etwas verschlafen, in vielversprechende Wachstumsunternehmen zu investieren», konstatiert Niederhauser.

Mitunter hätte sich der Alte Kontinent ganz einfach zu schlecht verkauft. «In Europa wurde nicht oder zu geringfügig in chancenträchtige Startups investiert, teilweise auch weil zu wenig VC-Kapital vorhanden war». Man müsse die jungen Unternehmen in Finanzierungsrunden kräftig unterstützen, sodass sie rasch wachsen könnten, fordert er.

Zwei Schweizer helfen Deutschen bei den Steuern

Daran herrscht aus Sicht der Redalpine-Partner, die jährlich Tausende von Startups nach Chancen durchkämmen, kein Mangel. Gerade auch im Finanzbereich. Für Sidler ist unter den Fintech-Unternehmen etwa Taxfix spannend, eine auf Steuererklärungen spezialisierte Gesellschaft, die von zwei Schweizern in Berlin gegründet worden ist. Oder die in London beheimatete Firma 9fin, welche der Redalpine-Gründunspartner als eine Art «Bloomberg für Anleihenmärkte» bezeichnet.

Beide Unternehmen sind im Portfolio von Redalpine vertreten, in dem sich auch Namen wie die deutsche Neobank N26 und oder das Schweizer Buchhaltungs-Startup Bexio finden.

Nach Ansicht der Schweizer Experten holt der europäische VC-Bereich dank internationalem Netzwerk, grösseren Finanzierungsrunden und interessanten Ausstiegsmöglichkeiten jetzt ein Stück weit auf die Amerikaner auf. Dazu habe auch die Coronavirus-Pandemie beigetragen.

Virtuell geht es einfacher

«Da ohnehin alles virtuell ablief, spielte es für Startups wie für VC-Experten keine Rolle mehr, ob man einen Video Call mit New York oder Zürich führte», erklärt Sidler. Diese Entwicklung sei ein grosser Vorteil für Jungunternehmer wie für Wagniskapitalgeber – und helfe beiden Seiten beim raschen Aufbau eines globalen Netzwerks.

Grosse Erwartungen setzen die Redalpine-Manager in den neuen Fonds, den das Unternehmen vor kurzem lanciert hat. Der sogenannte Summit Fund hat ein Zielvolumen von 1 Milliarde Franken und eine Struktur, die ihn für eine breitere professionelle Investoren-Basis attraktiver macht. Dieser «Evergreen»-Fonds ermöglicht eine zeitliche Diversifizierung über mehrere Wirtschafts- und Innovationszyklen hinweg und bietet den Anlegern gleichzeitig eine teilweise Liquidität ihrer Anteile.

Schlägt das Klima nun um?

In den letzten Jahren haben Private-Equity-Vehikel stark vom Tiefzinsumfeld profitiert, da sich viele Anleger auf der Suche nach Rendite vermehrt dem privaten Markt zuwendeten. Wie aber schlagen der Zinsanstieg und das kräftig abgekühlte Marktklima nun auf die Startups und den VC-Bereich durch?

In Deutschland beispielsweise hat sich die Stimmung der Kapitalgeber im ersten Quartal deutlich verschlechtert. So ist der Geschäftsklima-Indikator für den Venture-Capital-Markt, der unter anderem die Finanzierungslage für die Startups abbildet, um 35 Zähler auf 7,2 Punkte gefallen, wie das «Handelsblatt» (Artikel bezahlpflichtig) vermeldete. Erstellt wird das Stimmungsbarometer von der deutschen Förderbank KfW und dem Branchenverband BVK .

Finanzierungsrunden laufen harziger

«Von der heftigen Bewertungskorrektur, die Tech-Unternehmen derzeit an der Börse durchlaufen, spüren wir in unserem Geschäft bislang wenig», meint Niederhauser. Aber: die Finanzierungsrunden seien nicht mehr ganz so einfach wie zuvor, insbesondere bei kapitalintensiven Businessmodellen, stellt er fest. Er bleibt jedoch weiter zuversichtlich und verweist darauf, dass Redalpine als erfahrenes VC-Unternehmen schon einige Zyklen durchlaufen und auch einen langen Atem habe.

«Technologische Substanz wird jede Krise überdauern», bekräftigt Sidler. «Fortschritt und Innovation kann man nicht bremsen.»

Aus der Sicht von Risikokapitalgebern ist die gegenwärtige Korrektur an den öffentlichen Märkten nicht so beunruhigend, wie der Kurseinbruch für viele Retailinvestoren erscheinen mag. VC-Experten sind es gewohnt, dass nicht jedes Investment letztlich Gewinne abwerfen wird. In der Regel reicht ein beträchtlicher Anteil an einem Unicorn beispielsweise aus, um andere Misserfolge eines Risikokapitalfonds zu kompensieren.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.47%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.75%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.14%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.62%
pixel