Die Credit Suisse befindet sich in einer der schwierigsten Zeiten ihrer langen Geschichte. Wie der Chef der Schweizer Bank mit der komplizierten Situation umgeht, und wo derzeit am meisten der Hebel angesetzt wird, erklärt André Helfenstein im Interview mit finews.ch.


Herr Helfenstein, mit welchen Gefühlen durchleben Sie als Chef der Schweizer Einheit den Sturm, der die Credit Suisse (CS) gerade durchschüttelt?

Es ist eine anspruchsvolle Zeit, die mich manchmal auch belastet. Ich habe aber ein paar Menschen um mich, die mich erden und immer wieder daran erinnern, dass in einem bald 30 Jahre dauernden erfolgreichen Geschäftsleben zwangsläufig auch ein paar schwierige Jahre dabei sind.

Und wie empfinden Sie die Stimmung in der Schweizer Bank? Was hören Sie von Ihren Angestellten?

Unsere Teams hält ein guter Kitt zusammen. Viele sind stolz, dass in der Schweiz so erfolgreich gearbeitet wird. Das gibt mir die Zuversicht, dass wir gemeinsam an den gegenwärtigen Schwierigkeiten wachsen werden. Aber die Stimmung ist schon oft gedämpft. Zuweilen gibt es auch Frustration und Verärgerung, weil die Situation schon länger andauert.

Wie gross ist die Unruhe bei den Kunden?

Klarerweise zeigen Kunden Unverständnis für unsere Situation. Wir haben sehr loyale und langjährige Kunden, die das Recht haben zu verstehen, was in unserer Bank vor sich geht. Am häufigsten interessiert die Kunden, wie es bei der CS zu einer solchen Verkettung von Problemen kommen konnte.

Unser Ruf hat sehr gelitten. Zuversicht gibt mir aber, dass die grosse Mehrheit der Kunden mit ihren Beraterinnen und Beratern sowie unseren Lösungen zufrieden ist.

Und was sagen Sie den Verunsicherten?

Wichtig ist, dass die Schweizer Bank einen guten Job macht. Sie hat im Jahr 2021 ein Rekordergebnis eingefahren. Und auch dieses Jahr stehen wir mit einem Halbjahresergebnis von 648 Millionen Franken gut da.

«Insgesamt stehen wir nicht zuoberst auf der Prioritätenliste bei den Anpassungen»

Solche Resultate geben zusammen mit der Qualität unserer Mitarbeitenden den Kunden schon auch Sicherheit – zumal sie teilweise über Jahre oder Jahrzehnte mit denselben Beratern zusammenarbeiten.

Wird die Schweizer Bank als Ertragsperle von den angekündigten Milliardeneinsparungen in der Gruppe deshalb weniger betroffen sein?

Die Schweiz macht in einem normalen Jahr ein Drittel der ganzen Gruppe aus. Wir ernten jetzt die Früchte davon, dass wir seit 2016 die Schweizer Bank effizienter gemacht und sie stärker auf Wachstum ausgerichtet haben. Deshalb konnten wir die Investitionen kontinuierlich steigern, und der Personalbestand hat auch in diesem Jahr nochmals zugenommen. Die Schweizer Bank ist gesund und profitabel.

«Bis Ende Jahr erwarten wir über 200'000 Kunden auf der CSX-Plattform»

Gleichzeitig wollen wir immer effizienter werden, auch um unsere Investitionen zu finanzieren. Entsprechend werden wir im Rahmen des Kostenprogrammes auch bei uns Einsparungen vornehmen, aber insgesamt sind wir nicht zuoberst auf der Prioritätenliste für Anpassungen.

Die CS hat in der Schweiz eine starke Marktstellung. Wo sehen Sie noch unausgeschöpfte Möglichkeiten zu wachsen?

Wir bearbeiten den Schweizer Markt einerseits im Bereich «High Touch», wozu wir die vermögenden und sehr vermögenden Privatkunden sowie die grösseren und grossen Unternehmen sowie die Institutionellen zählen. In diesem mittleren bis oberen Marktsegment wollen wir möglichst Marktführer sein.

«Ich würde nicht von Baustellen reden»

Anderseits können wir im breiten Geschäft, wo die Kunden zunehmend telefonisch oder digital bedient werden wollen, zum ersten Mal seit Jahren Firmen- wie Privatkunden dazugewinnen. Bis Ende Jahr erwarten wir beispielsweise über 200'000 Kunden auf der CSX-Plattform.

Wieweit sind die Filialen von dieser verstärkten Ausrichtung auf digitale Kanäle betroffen?

Wir waren in der Schweiz eher die Vorreiter, als wir ab 2014 damit begonnen haben, unser Filialnetz zu straffen. Man darf aber nicht einfach auf die Anzahl Filialen schauen: In den momentan 109 Filialen wird heute mehr als früher angeboten – und auch das Rollenprofil der Mitarbeitenden wird laufend erweitert.

Wo liegen im Moment Ihre grössten Baustellen?

Ich würde nicht von Baustellen reden, sondern eher von zusätzlichem Potenzial, das es zu nutzen gilt. Nach der Gründung des eigenen Bereichs Personal Business Banking und der Integration der Neuen Aargauer Bank (NAB) 2020 braucht es im breiteren Geschäft weitere Schritte, um das Angebot weiter zu digitalisieren und besser mit persönlichen Beratungsleistungen zu verzahnen.

Zudem wird die CSX-Plattform, die derzeit noch primär für die Eröffnung von Konti und Kreditkarten eingesetzt wird, erweitert um Produkte im Anlage-, Finanzierungs- und Vorsorgebereich.

Wo stehen Sie bei neuen Anlagethemen?

Im Bereich ESG ist die Schweizer Bank auf der Anlageseite schon recht weit, während wir auf der Finanzierungsseite Nachholbedarf haben und dabei sind, unsere Lücken zu schliessen. Noch ziemlich in den Anfängen ist der Bereich Digitale Vermögenswerte. Hier könnten sich aber ähnlich fundamentale Neuerungen anbahnen wie seinerzeit die Entwicklung von Anlagefonds und Exchange Traded Funds (ETF).

Welche Entwicklungen bahnen sich im Privatkundengeschäft in der Schweizer Bank an?

Gegenwärtig wird der Grossteil der rund 1,5 Millionen Schweizer Kunden aus dem Personal und Business Banking bedient. Dort wird der Anteil von digitalen Leistungen eher zunehmen, während die persönlichen Dienste in den Filialen bestehen bleiben.

Im Private Banking investieren wir erheblich in ein umfassendes Finanzplanungsangebot, besonders für die geburtenstarken Jahrgänge, und fördern die Zusammenarbeit mit unserem Corporate Banking im Sinne unserer Positionierung als «Bank für Unternehmer».

Die abgebrochene Übernahme des Robo-Advisors Wealthfront durch die UBS ist das jüngste Beispiel, dass die Transformation für einen klassischen Vermögensverwalter alles andere als ein Spaziergang ist. Werden viele Banken gegenüber den Fintechs dieser Welt den Kürzeren ziehen?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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