Mit einer Mikrosteuer will der Finanzprofessor Marc Chesney das Schweizer Steuersystem revolutionieren. Die Idee einer Abgabe auf elektronische Transaktionen provoziert jedoch die Gemüter der Hochfinanz.


Herr Chesney, was bezwecken Sie mit der Einführung einer Mikrosteuer?

Ziel ist eine Totalrenovation des Fiskalsystems. Unser Steuersystem ist archaisch, bürokratisch und komplex – es stammt aus dem 19. Jahrhundert. In Zeiten der Digitalisierung ist es kontraproduktiv, die Arbeit zu besteuern. Die Digitalisierung eliminiert viele Jobs, beispielsweise in Supermärkten oder im Taxigewerbe. Kleine Anpassungen am System reichen nicht aus. Hier geht es um neue Paradigmen. Wir müssen uns an die neue Zeit anpassen.

Was ist eine Mikrosteuer?

Elektronische Transaktionen sind in den vergangenen Jahren förmlich explodiert – sie machen heute mindestens das 150-fache des Bruttoinlandprodukts aus. Ich sage mindestens, weil wir nicht einmal Zugang zu allen Daten haben, beispielsweise zu Transaktionen, die innerhalb einer Bank getätigt werden.

«Mit der Mikrosteuer können wir die Mehrwertsteuer, direkte Bundessteuer und Stempelsteuer abschaffen»

Wenn wir vom gesamten Transaktionswert 0,1 Prozent als Steuer nehmen, generieren wir 100 Milliarden Franken. Das Steuersubstrat ist so riesig, dass der Steuersatz sehr klein sein kann – deshalb sprechen wir von einer Mikrosteuer.

Was wollen Sie mit 100 Milliarden Franken?

Mit 100 Milliarden Franken können wir die Mehrwertsteuer (etwa 23 Milliarden Franken), die direkte Bundessteuer (22 Milliarden) und die Stempelsteuer (2 Milliarden) abschaffen. Zusammen sind das gerade mal 47 Milliarden Franken. Mit den Überschüssen könnten die Kantone beispielsweise die Energiewende finanzieren.

Wie würde die Steuer erhoben?

Automatisch auf elektronischem Weg. Die Banken würden mit der Erhebung der Steuer beauftragt, genau wie bei der Mehrwertsteuer. Die Arbeit ist aber viel einfacher und unbürokratisch. Die Mehrwertsteuer generiert enorm viel Bürokratie.

«Die Banken verdienen an der Mikrosteuer»

Wenn Sie also 100 Franken am Bankomat abholen, wird die Bank automatisch 10 Rappen nach Bern überweisen. Ohne Papier, ohne nichts, automatisch. Und die Bank wird für diese Arbeit bezahlt.

Und wie wollen Sie kontrollieren, dass die Banken für alle Transaktionen die Steuer abliefern?

Ganz einfach, weil es einen Anreiz dafür gibt. Wenn die Banken weniger Transaktionen melden, verdienen sie auch weniger Geld, da sie einen gewissen Prozentsatz von den deklarierten Transaktionsgebühren erhalten.

Und schlicht weil es ein Gesetz ist. Der Versuch, Gesetze umzugehen ist ja nichts Neues in der Geschichte. Wenn die Zuwiderhandlung aber bemerkt wird, fällt die Geldbusse um ein Vielfaches höher aus als die 0,1 Prozent.

Sehen Sie einen Nachteil bei der Mikrosteuer?

Nicht wirklich. Wir müssen einfach aufpassen, dass wir nicht auf die Schwarze Liste der OECD gesetzt werden wegen zu tiefen Steuern. Deswegen haben wir auch nicht die kantonalen Steuern in unser System integriert. Sonst besteht das Risiko, dass die Schweiz auf die Schwarze Liste der OECD gerät. Wenn Kantone das System auch einführen wollen, müssen wir genau schauen, dass die Grenze der OECD nicht unterschritten wird.

Wie passt die Mikrosteuer zu einer möglichen Einführung einer CO2-Steuer?

Wir können die Energiewende finanzieren, indem wir 0,2 Prozent verlangen und mit den höheren Überschüssen noch mehr saubere Energie finanzieren. Wir haben genügend Spielraum – und es bleibt trotzdem eine Mikrosteuer.

Also besteht die Gefahr, dass die Mikrosteuer zu einem Selbstbedienungsladen für den Staat wird?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.52%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.21%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.14%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.6%
pixel