In den nächsten Monaten soll das Schweizer Banken-Software-Unternehmen Avaloq für zwei Milliarden Franken verkauft werden. Damit kann Francisco Fernandez sein Lebenswerk vergolden. Er könnte sich dabei aber auch selber im Wege stehen.

Als sich das mächtige US-Private-Equity-Haus Warburg Pincus vor rund drei Jahren substanziell an Avaloq beteiligte, deutete alles darauf hin, dass das Schweizer Banken-Software-Unternehmen nicht nur einen finanziellen Schub erhalten würde, sondern in absehbarer Zeit auch sein Debut an der Börse geben würde. Daraus wird offensichtlich nichts.

Denn das Kräftemessen zwischen den Amerikanern und Francisco Fernandez, dem Mitgründer und Spiritus rector hinter Avaloq, ist mittlerweile zu einer Patt-Situation mutiert. Unter diesen Prämissen deutet alles darauf hin, dass das Unternehmen bis Ende Jahr vollständig verkauft wird, wie finews.ch zuletzt vergangene Woche berichtete. Dies mit der Konsequenz, dass weder Warburg Pincus noch Fernandez an Bord bleiben werden.

Viele Bälle in der Luft

Zweifelsohne ginge damit ein grosses Kapitel Schweizer Banken-IT-Geschichte zu Ende. Doch bis es so weit ist, muss noch einiges geschehen. Avaloq-Präsident Fernandez hat mittlerweile zwar noch einige andere Projekte am Laufen, wie das Fintech-Startup Crowdhouse, an dem er substanziell beteiligt ist, ein indisches Landwirtschafts- und Nahrungsmittelprojekt, einen Formel-1-Spielsimulator, den er im grossen Stil kommerzialisieren will, und, als ob dies alles nicht schon genügte, auch noch eine riesige Immobilien-Anlage am Stadtrand von Zürich.

Aber wie viele Unternehmer hat auch der heute 57-jährige Fernandez einen Makel: Er kann nicht loslassen.

Vom IT-Ingenieur zum Unternehmer

Seit seinem Abschluss als IT-Ingenieur an der ETH Zürich 1989 bestimmt Avaloq sein Leben: Zwei Jahre arbeitete er für die von Martin Ebner gegründete Softwarefirma BZ Informatik, bevor er sich mit Weggefährten 1991 erstmals an dem Unternehmen beteiligte, um es knapp zehn Jahre später mit seinen Mitstreitern in zwei Etappen vollständig zu übernehmen – so wurde Avaloq, 1998, geboren.

Fernandez’s Vermögen beläuft sich gemäss Schätzungen mittlerweile auf rund 600 Millionen Franken, dies vor allem dank seiner Beteiligung an Avaloq, die er über die Jahre sukzessive auf 28 Prozent reduziert hat. Er steht heute im Zenit seines Schaffens und hat trotzdem noch viele Pläne.

Vielleicht noch eine Karriere im Musikbusiness

Im ETH-Magazin «Globe» sagte er einst, dass er mit 65 noch eine Karriere im Musikbusiness starten könnte, vielleicht als Produzent. Diese Aussage darf nicht überraschen, ist Fernandez doch ein begnadeter (Jazz-)Pianist, der fast jede freie Minute mit diesem Instrument verbringt, sofern er nicht dem Familienleben frönt.

Geschäftlich hätte er am liebsten mit einem US-Techriesen wie Apple oder Google zusammengespannt. Doch es hat nicht sein sollen, da Fernandez zwar durchaus ein Visionär und Träumer ist, doch am Ende des Tages regiert in seinem Herz und Verstand der nüchterne Informatiker.

Darum sucht Fernandez nun im Verbund mit Warburg Pincus einen Exit, der sich allerdings nicht so einfach gestalten dürfte. Avaloq hat in den vergangenen Jahren nicht immer die erwünschten Fortschritte erzielt, wie finews.ch verschiedentlich berichtete, und im Wachstumsmarkt USA ist das Unternehmen bis heute nicht präsent.

Förderer heute bei der Konkurrenz

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sein einstiger Förderer, Martin Ebner, heute der grösste Aktionär des Konkurrenzunternehmens Temenos ist. Der einflussreiche Financier aus dem Kanton Schwyz ist darüber hinaus auch ein bedeutender Aktionär von Additiv, einem in Zürcher ansässigen Fintech, das ebenfalls in der Entwicklung für Software in der Vermögensverwaltung aktiv ist. An solchen Firmen muss sich Fernandez orientieren, will er seine Avaloq in den kommenden Monaten erfolgreich versilbern.

Temenos entstand nur fünf Jahre vor Avaloq in Genf und hat erreicht, was Avaloq bis heute verwehrt geblieben ist. Temenos-Chef Max Chuard schloss im vergangenen Jahr einen grossen Deal und übernahm das amerikanische Digital-Banking-Unternehmen Kony, das zu den führenden Anbietern im Bereich «Software as a Service, SaaS» gehört). Seither bewegt sich Temenos in Richtung der Umsatzmilliarde und ist dank einer deutlich höheren Gewinnmarge auch weitaus profitabler als Avaloq.

Unterschiedliche Entwicklung

Der Gründer von Temenos, der heute 74-jährige Grieche George Koukis trat die Firma bereits vor Jahren ab, indem das Unternehmen 2001 an die Börse ging und heute eine Marktkapitalisierung von mehr als 10 Milliarden Franken aufweist – verglichen mit den zwei Milliarden Franken, welche die beauftragten Investmentbanken Goldman Sachs und Barclays von einem Käufer Avaloqs kassieren wollen.

Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Firmen zeigt deutlich, dass Fernandez trotz seines visionären Geschicks das Unternehmen nie dahin gebracht hat, wo es eigentlich sein könnte. Das hat sehr viel mit seiner Person zu tun, die sich insgesamt an zu vielen Fronten betätigt.

Professionelle Strukturen

Selbst dem heutigen Avaloq-CEO Jürg Hunziker wird bis heute nachgesagt, dass er sich zu wenig gegen Fernandez durchsetzen kann, was allerdings immer eine grosse Herausforderung für jemanden ist, der sich neben einem (Mit-)Gründer behaupten muss. Ähnliche Erfahrungen mussten auch die Amerikaner von Warbug Pincus machen; ihre strategischen Pläne mit Avaloq konnten sie nie in dem Sinn umsetzen, wie sie es sich vorgestellt haben. Dass sie jetzt verkaufen wollen, ist nichts anderes als ein Eingeständnis, sich nicht durchgesetzt zu haben.

Immerhin haben die Private-Equity-Spezialisten dem Unternehmen eine hoch professionelle Organisation und Struktur verpasst, was für den Verkaufsprozess sicherlich gut ist. Nun bleibt bloss abzuwarten, wie konstruktiv sich Fernandez in diesen Deal einbringen wird.

 

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