Roger Studer hat mit seinem Family Office losgelegt wie die Feuerwehr. Im Interview mit finews.ch erklärt der Ex-Chef der Vontobel Investmentbank seine Strategie: Er will ein Unternehmer der Transformation sein.


Herr Studer, nach Ihrem Abgang bei Vontobel haben Sie nicht lange gezögert und ein Family Office gegründet. Fühlten Sie sich befreit, dass Sie sich nun unternehmerisch entfalten konnten?

Sie können davon ausgehen, dass ich die Idee eines Family Offices nicht über Nacht entwickelt habe. Ich habe ein unternehmerisches Gen, das ich bereits bei Vontobel ausleben konnte. Nach meinem Ausscheiden bin ich in die Skiferien und danach war ich startklar für den Aufbau meines Family Offices. Ich hatte immer vorgehabt, einst nicht mehr für Dritte unternehmerisch tätig zu sein, sondern für mich, meine Familie und Freunde.

Verdient man im Banking so viel, dass man ein Family Office gründen kann?

Ich startete vor 37 Jahren im Banking, da lag der Dow Jones Index bei 750 Punkten. Zeitweise lag er nahe bei bei 29'000 Punkten. Daran sehen Sie, welches Wertsteigerungspotenzial die 37 Jahre bargen.

Ganz Family-Office-untypisch suchen Sie nun die Öffentlichkeit.

Das ist richtig und liegt in der Strategie begründet. Wir möchten gegenüber der Schweizer KMU-Szene kommunizieren, dass hier ein Family Office am Start ist, das auf der Finanzierungsseite sowie auf der Private-Equity-Seite tätig sein wird.

«Es gibt kaum Banken, die solche Finanzierungen tätigen»

Sprich: Es gibt in der Schweiz jährlich bis zu 15'000 KMU, die eine Nachfolgelösung suchen. Hier können wir als professionelles Family Office Unterstützung bieten.

Wie das?

In der Schweiz haben es KMU nicht einfach, an Finanzierungen zu kommen. Und die Nachfolgeproblematik ist ein bekanntes Thema. In dem Bereich, in dem wir als Family Office tätig sind, herrscht also ein eigentliches Vakuum. Es gibt kaum Banken oder Privat-Equity-Fonds, die KMU-Finanzierungen tätigen. Dafür sind die Volumen viel zu klein. Zudem reizt es mich, Unternehmen mit den bestehenden Besitzern weiterzuentwickeln. Darum fährt das Family Office eine zweigleisige Strategie: Finanzierungen und Private Equity.

15'000 KMU sind ein riesiges Anlageuniversum...

Und darum bleibe ich bei dem, wovon ich glaube, etwas zu verstehen: Software-Entwicklung, Software-as-a-Service sowie Fintech und Digitalisierungen im Finanzbereich. Spannend ist mit diesen Themen natürlich die Möglichkeit, ein Ökosystem aufzubauen.

Bei Bitcoin Suisse waren sie in der letzten Finanzierungsrunde der Lead Investor – zu einer relativ günstigen Bewertung, wie mir scheint. War das eine Opportunität oder hatten sie Bitcoin Suisse schon länger im Auge.

Bitcoin Suisse ist ein tolles Unternehmen und die Blockchain-Technologie sowie der Bereich Digitale Assets sind Themen, die mich bereits seit mehreren Jahren begleiten. Wenn Sie beobachtet haben, wie sich Vontobel in diesen Bereichen entwickelt hat, konnte man erwarten, dass ich dies weiterverfolgen würde.

«Und ja, die Bewertung war sehr attraktiv»

Natürlich habe ich auch bei Bitcoin Suisse meine Hausaufgaben gemacht: Das Unternehmen ist sicher führend in der Schweiz, wenn nicht sogar weltweit, das Geschäftsmodell ist skalierbar, es hat ein tolles Managementteam und ein stabiles Aktionariat. Und ja, die Bewertung war sehr attraktiv. Da war es ein Glück, mein Know-how und mein Netzwerk in diese Firma einbringen zu dürfen.

Ihr nächster Kauf NSM ist – zumindest von aussen betrachtet – etwas ganz anderes: Ein Software-Entwickler.

NSM passt sehr gut in mein Portfolio, da die ganze Digitalisierung im Banking und von Assets von sehr wichtigen Elementen begleitet werden müssen. Nämlich von Software-Entwicklung, von Software-as-Service und auch von operational Services. Diese Elemente dienen der Unternehmensentwicklung, sie ermöglichen höhere Agilität und Umsetzungsgeschwindigkeiten und schlussendlich bessere Kundendienstleistungen sowie Lieferzeiten. NSM hat eine hervorragende Unternehmenskultur und genau die Business-Tools, die Unternehmen benötigen, um sich von einer starren funktionalen Organisation zu einer Businessline-Organisation zu transformieren. Sie hören es heraus, NSM begeistert mich. Aber auch aus Gründen, die mir und meiner Familie persönlich wichtig sind.

Welche?

Von den Software-Ingenieuren, die NSM beschäftigt, sind rund ein Viertel Frauen. Ich wage zu behaupten, dass ist in der Tech-Welt praktisch einzigartig und spricht für das fortschrittliche Denken des Managements. Unser Family Office investiert auch in Werte wie Nachhaltigkeit und Diversity. Ich bin überzeugt davon, dass nur solche Unternehmen eine tragende Rolle in der Transformation einnehmen können, die eine entsprechende Kultur pflegen.

Haben Sie jetzt kein Klumpenrisiko im Family office mit diesen zwei substantiellen Investments?

Nein, wir haben noch sehr grosses Potenzial und auch ein hohes Interesse an weiteren Investitionen. Wir sind kein Private-Equity-Fonds, wir machen das mit eigenem Geld. Bei grösseren Transaktionen können wir auf Partner zurückgreifen.

Wer sind «wir»?

Wir, das ist meine Familie sowie Friends and Families mit einem Anlagebedürfnis, mit denen ich während meiner 20-jährigen Karriere im Investmentbanking eine Beziehung aufgebaut habe.

Sie investieren in die Zukunft der Finanzbranche. Dabei gäbe es sicherlich auch Banken oder Vermögensverwalter mit Know-how- und Kapitalbedarf. Interessiert sie die Branche nicht mehr?

Ein gescheiter Mann hat mal gesagt, Banking ist eine Notwendigkeit, Banken sind es nicht. Ich glaube an die Zukunft der Spezialisierung, an eine Zukunft von agilen und innovativen Unternehmen. Das können Banken sein oder Fintechs oder eben Unternehmen wie NSM.

«In das operative Geschäft greife ich nicht ein»

Die Dienstleistungen von NSM können für viele Unternehmen in der Schweiz nützlich sein, um sich für die Zukunft zu rüsten und auch künftig zu den Gewinnern zählen zu können.

Wie ist ihre Vorgehensweise: Sie geben das Kapital und begleiten die Unternehmen anschliessend?

Ich nehme immer Einsitz im Verwaltungsrat, denn ich möchte meine Investments strategisch begleiten, sei es in der Unternehmensentwicklung, in der Internationalisierung oder bei der Gewinnung von neuen Kunden. Das sind meine Themen. In das operative Geschäft greife ich nicht ein.

Private-Equity-Investoren suchen nach einigen Jahren immer einen Exit. Was ist Ihr Ziel?

Wir verfolgen mit unserem im Aufbau begriffenen Portfolio eine langfristige Strategie. Nimmt man als Thema die Transformation der Unternehmenswelt, in die mein Family Office investiert, dann wird sich der Anteil an Dienstleistungen, in denen wir investiert sind, laufend erhöhen. Natürlich wird es im Portfolio auch Bereinigungen geben, weitere Zukäufe, auch Fusionen sind eine Möglichkeit. Aber wir haben mit dem Aufbau ja erst begonnen.

Sehe ich das richtig, dass Sie mit Ihrem Family Office im Prinzip ein Ökosystem der Transformation und Digitalisierung aufbauen, innerhalb dessen sich dann weitere Opportunitäten erschliessen lassen?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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