Die vergangenen Jahrzehnte haben Zweifel gesät an Milton Friedmans Aussage, wonach Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen sei. Könnte die Rolle der Geldpolitik bei der Inflationsentwicklung über- und diejenige der Demografie unterschätzt werden? Was eine Neueinschätzung für den Finanzmarkt verheisst, beschreibt Thomas Signer in einem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Das Alter einer Person ist eine wertvolle Information. Nicht zuletzt fragen wir ein Kind schnell nach seinem Alter. Keine andere Auskunft gibt uns so viele Hinweise auf die Wünsche, Kenntnisse und Aktivitäten des Kindes. Aus ähnlichen Gründen sind wir am Alter einer erwachsenen Person interessiert. Dabei gehen wir subtiler vor.

Das Alter verrät nicht nur viel über den Konsum, sondern auch das Sparverhalten einer Person. Intuitiv sollte die aggregierte Entwicklung von Konsum- und Spartrends das Preisniveau in einem FIAT-Geldsystem beeinflussen, das heisst bestimmen, ob inflationäre oder deflationäre Kräfte die Oberhand haben. Schliesslich ergibt sich das Preisniveau aus Angebot und Nachfrage. Babys und Jugendliche konsumieren ausschliesslich, wie die meisten Menschen im Rentenalter. Gerade diese letztere Kohorte erlebt ein turbogeladenes Wachstum.

«Wird die Weltbevölkerung also einfach schwinden?»

Die fortschreitende Alterung von Gesellschaften ist in der Menschheitsgeschichte beispiellos. Sie ist vor allem das Ergebnis sinkender Geburtenraten und steigender Lebenserwartung. Covid hat den Trend zu höherer Lebenserwartung voraussichtlich nur kurzzeitig gebrochen. Diese Kombination hat in den meisten Teilen der Welt zu einem stetigen Anstieg des Durchschnittsalters geführt, am spektakulärsten in China.

Chinas Durchschnittsalter wird von 20,3 Jahren im Jahr 1975 auf über 50 Jahre im Jahr 2050 steigen. Dies wird demjenigen in Europa und einer Reihe anderer asiatischer Länder entsprechen. Das Durchschnittsalter in Nord- und Südamerika sowie Russland wird bis 2050 nur wenige Jahre niedriger liegen.

Wird die Weltbevölkerung also einfach schwinden? Eine kürzlich im Wissenschaftsjournal Lancet veröffentlichte Studie prognostizierte den Höhepunkt der Weltbevölkerung mit 9,73 Milliarden für das Jahr 2064, niedriger und früher als andere Studien. Laut der Prognose würde Chinas Bevölkerung bis 2100 von derzeit rund 1,4 Milliarden auf rund 730 Millionen schrumpfen. Sorgen über einen «leeren Planeten» sind aber fehl am Platz. Subsahara-Afrika allein sorgt dafür. Die Bevölkerung wird von derzeit etwa 1 Milliarde auf über 3 Milliarden bis 2100 zunehmen.

«Um die Auswirkungen des Alterns auf empirische Weise zu untersuchen, ist der Blick nach Japan ratsam»

Was bedeutet dies für zukünftige Vermögenspreise? Die Fallstudie von Japan liefert die besten Argumente für eine demografisch orientierte Sicht auf die Finanzmärkte. Um die Auswirkungen des Alterns auf empirische Weise zu untersuchen, ist der Blick nach Japan ratsam.

Die Japanerinnen und Japaner bilden die ideale «Kontrollgruppe» für andere entwickelte Länder. Der Inselstaat hat autonom unterschiedliche Boom- und Bust-Zyklen durchlaufen und ist anderen entwickelten Ländern nicht nur in ihren wirtschaftlichen und finanzmarkttechnischen, sondern auch in seinen demografischen Zyklen vorausgegangen.

Der «Babybust» traf Japan bereits in den frühen 1950er-Jahren gegenüber den USA und Europa in den 1960er-Jahren. Japan erlebte auch ein Jahrzehnt vor Amerika und Europa rapide fallende Inflationsraten. Es erfuhr eine riesige Aktien- und Immobilienblase in den 1980er-Jahren gegenüber den USA und Europa in den 1990er-Jahren.

«Steuert das Land auf die toxische Kombination aus hoher Inflation und Währungskrise zu?»

Seit dem Platzen der Blasen sowohl bei Aktien als auch bei Immobilien Anfang der 1990er-Jahre ist Japan einem zunehmenden Deflationsdruck ausgesetzt. Die japanische Zentralbank (BOJ) konterte mit einer immer extremeren Geldpolitik, insbesondere mit der Ankunft von Gouverneur Haruhiko Kuroda im Jahr 2012.

Jetzt befindet sich Japan an einem Scheideweg. Das Haushaltsdefizit bleibt tief im Minus, was die Staatsschulden auf die Höhe des rund 2,5-Fachen des Bruttoinlandprodukts (BIP) geführt hat – Tendenz weiter steigend. Ebenfalls besorgniserregend: Das Plus in der Leistungsbilanz ist aufgrund der explodierenden Preise für Energieimporte weiter geschrumpft.

Wird die BOJ in der Lage sein, die Zinssätze niedrig zu halten und so die günstige Finanzierung der riesigen Staatsverschuldung des Landes zu gewährleisten? Und gleichzeitig eine weitere Abwertung des Yen verhindern können? Oder steuert das Land auf die toxische Kombination aus hoher Inflation und Währungskrise zu?

«Japan könnte den Weg für andere entwickelte Länder vorzeigen»

Selbst wenn es Japan gelingt, das Schlimmste vorerst abzuwenden, wird dies kaum auf Dauer gelingen. Allein die implodierende Demografie lässt keinen anderen Schluss zu. Das Land verzeichnete im Jahr 2021 nur 843'000 Geburten bei einer Bevölkerung von 126 Millionen. Japan könnte den Weg für andere entwickelte Länder vorzeigen. Es verdient höchste Aufmerksamkeit!

Eine Schlussfolgerung ist klar: Der Demografie kommt eine Schlüsselrolle bei der Prognose von Entwicklungen im Finanzmarkt zu. Ein führender Schweizer Think Tank stellt sich dieser Herausforderung. Neben der Fokussierung auf die demografischen Hotspots «Langlebigkeit» und «Afrika» hat das World Demographic and Ageing Forum in St. Gallen neu einen «Financial Demography»-Track lanciert, die Vordenker der Branche zusammenbringt. Das Forum ist daran interessiert, mit Praktikern in der Finanzbranche in Kontakt zu treten.


Thomas Signer unterrichtet Finanzthemen für die Next Gen und doziert im MBA-Programm der SBS Swiss Business School in Zürich.


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