Noch immer arbeiten viele Vermögensverwalter und Banken mit veralteten Technologien. Parallel dazu setzt sich der Aufstieg innovativer Neobanken und Fintech-Plattformen fort. Was das für Folgen hat, beschreibt Taimur Hyat in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Zwei Trends sorgen seit einiger Zeit für eine Umgestaltung des Bankwesens und der Zahlungsdienste: der Aufstieg der Neobanken sowie der Fintech-Zahlungsplattformen. Neobanken wie Nubank in Brasilien, N26 in Europa und Chime in den USA agieren rein digital und haben zahlreiche Vorteile gegenüber traditionellen Banken.

Ein wesentlicher Punkt besteht darin, dass sie weniger strengen aufsichtsrechtlichen Standards unterliegen als herkömmlichen Banken. Denn letztere müssen im Hinblick auf Kapital, Liquidität und Interbankentgelte deutlich strengeren Vorschriften erfüllen. So ist in einigen Ländern die Reglem pgimentierung bis dato weniger strikt ausgefallen, weil diese unterversorgten Bevölkerungsgruppen bedienen und den Markt für Finanzdienstleistungen erweitern. Neobanken haben sich diese regulatorische Asymmetrie zu Nutze gemacht, auch wenn sie vermutlich nicht von Dauer ist.

«Sie sind also schlanker»

Die Digitalität ermöglicht den Neobanken, Partnerschaften mit anderen Unternehmen und Online-Plattformen einzugehen. Dadurch können sie ihre Finanzprodukte zielgerichteter platzieren und genau dort anbieten, wo der Bedarf für ihre Finanzlösungen entsteht. Zusätzlich fallen für Neobanken aufgrund ihrer reinen Online-Existenz keine Kosten an für Bankfilialen, Papier-Kontoaufstellungen oder veraltete IT-Systeme. Sie sind also schlanker und können durch die deutlich höhere finanzielle Flexibilität ganz andere Kundensegmente ansprechen als herkömmliche Banken.

Trotzdem stellen sie keine wirkliche Gefahr dar für etablierte, grosse Finanzinstitute. Denn Neobanken zielen grösstenteils auf bislang bankenferne und unterversorgte Marktsegmente ab und weniger auf hochwertige Konsum- und Geschäftskreditkunden, die das Kerngeschäft der etablierten Banken darstellen. Ferner begrenzt der stark fokussierte und segmentierte Ansatz in der Kundenakquise das Wachstum der Neobanken und erschwert die Skalierung des Geschäftsmodells.

«Ein Beispiel dafür ist die Partnerschaft der ING Bank mit dem Fintech Kabbage»

Davon abgesehen haben die etablierten Player erlebt, wie gefährlich es sein kann, sich zurückzulehnen. Sie konnten miterleben, wie eine ganze Reihe von Einzelhandels- und Produktionsunternehmen von technologieaffinen Newcomern aus dem Markt gedrängt wurde. Das Ergebnis: Etablierte Banken sind schlagfertiger geworden. Sie wissen, dass sie die technologische Disruption nur überstehen können, wenn Sie neue Technologien in ihr Geschäftsmodell integrieren. Auf diese Weise können sie von technologischen Neuerungen der Neobanken schlussendlich sogar profitieren.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Einsatz neuer Technologien, um den Betrieb zu rationalisieren oder neue Geschäftsbereiche aufzubauen. Anhand von Kennzahlen wie dem Abschreibungssatz für Software und der Häufigkeit der Abschreibung technologischer Investitionen lassen sich diejenigen Banken erkennen, die Technologie effektiv zur Modernisierung ihrer Geschäftsabläufe nutzen. In Europa sind hier zum Beispiel BBVA und Banco Santander zu nennen. Darüber hinaus werden unter den etablierten Playern jene erfolgreich sein, die mit Hilfe technologiegestützter Vertriebsstrategien neue Kundengruppen erschliessen. Ein Beispiel dafür ist die Partnerschaft der ING Bank mit Kabbage, einem Kreditgeber für kleine Unternehmen.

«Hinzu kommt die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, die Rentabilität zu steigern»

Eine zweite Spezies, die für Aufsehen in der Finanzindustrie gesorgt hat, sind Robo-Advisors. Viele Marktteilnehmer sehen in ihnen nach wie vor eine revolutionäre Technologie, die für den Bereich der Vermögensverwaltung ähnlich drastische Veränderungen bringen wird wie ETFs für die traditionelle Anlageverwaltung. Allerdings bieten Robo-Advisors weder echte Künstliche Intelligenz (KI), also kein maschinelles Lernen, noch eine ausgefeilte Anlageallokation. Stattdessen verfolgen sie eher konventionelle Ansätze.

Der grosse, vorhergesagte Erfolg aufgrund des fehlenden Vertriebsnetzes ausgeblieben, sodass eine effektive Kundenakquise bislang nicht möglich war. Hinzu kommt die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, die Rentabilität zu steigern. Mit anderen Worten: Robo-Advisors sind bislang eher zahnlose Tiger.

Stattdessen haben etablierte Vermögensverwalter die automatisierten Modelle erfolgreich in ihr eigenes Geschäftsmodell integriert oder sogar eigene Robo-Advisors entwickelt. Vermögensverwalter nutzen sie, um die Abläufe sowie den Aufbau von Portfolios zu rationalisieren und bessere digitale Schnittstellen für ihre Kunden zu schaffen.

«Neobanken stossen vor allem in Schwellenländern auf grosse Nachfrage»

Sowohl für Anleger als auch für Private Equity-Investoren können Neobanken eine attraktive Anlagemöglichkeit mit grossem Wachstums- und Zukunftspotential sein. Die Modelle der Neobanken stossen vor allem bei Bevölkerungsgruppen in Schwellenländern auf grosse Nachfrage, denen der Zugang zum traditionellen Bankwesen versperrt bleibt, oder bei jungen Menschen, denen der Bezug dazu fehlt.

Auch Unternehmen oder grosse Einzelhandelsketten haben bereits damit begonnen, ihre eigenen Neobankdienstleistungen zu entwickeln oder mit entsprechenden Neobanken zu kooperieren. Ihren Kunden soll damit ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen angeboten werden, wie etwa die Beantragung von Kreditkarten, die Durchführung einer Portfolioanalyse und sogar die Abwicklung von Transaktionen mit virtuellen Währungen.

Trotz des Wachstums von Neobanken und neuen Zahlungsplattformen werden sich die herkömmlichen Banken allerdings nicht so leicht verdrängen lassen. Diejenigen unter ihnen, die die modernen Technologien in ihren Betrieben integrieren und neue digitale Geschäftsbereiche aufbauen, könnten für Investoren zu einer aussichtsreichen Investmentmöglichkeit werden.


Taimur Hyat ist der Chief Operating Officer (COO) von PGIM. Er kam vom Credit Suisse Asset Management zu PGIM, wo er als Global Head of Strategy & Product Development sowie als Mitglied des Operating Committee tätig war. Vor seiner Tätigkeit bei der CS war er Leiter der Abteilung Joint Ventures und Americas Strategy bei Lehman Brothers. Zu Beginn seiner Karriere war er Partner bei McKinsey in New York. Er promovierte in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oxford, wo er auch als Dozent für Wirtschaftswissenschaften am St John's College tätig war.


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