Aktien, Bitcoin und Gold fallen unisono. Noch viel beunruhigender sind aber die Bewegungen in einem 100-Billionen-Dollar-Markt – in Europa kommen die Notenbanker deswegen heute gar zu einer Notfallsitzung zusammen.

Mario Draghi hat sein Amt als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zwar schon im Jahr 2019 weitergereicht. Doch sein Votum von 2012, der damaligen Schuldenkrise mit «Whatever it takes» zu begegnen, ist wieder hoch aktuell: Der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde findet heute Mittwoch zu einen Notfallsitzung zusammen, um die Turbulenzen am Anleihenmarkt zu kontern.

Starke Bewegung bei Südeuropa-Anleihen

Dabei hatte das Direktoriums-Mitglied Isabel Schnabel schon am (gestrigen) Dienstag erklärt, die Zentralbank verfolge die Situation an den Bondmärkten ganz genau und werde mit «existierenden wie auch mit neuen Mitteln» eingreifen, falls die Märkte ihre geordnete Bahn verlassen würden.

Das zeigt, wo die Bedrohung für Investoren derzeit wirklich liegt: Im über 100-Billionen-Dollar-schweren Geschäft mit Obligationen, neben dem sich der Aktienmarkt und die derzeit heiss diskutierten Krypto-Anlagen wie Zwerge ausnehmen. In den vergangenen Tagen sind die Risikoaufschläge auf italienischen, spanischen und portugiesischen Anleihen markant angestiegen, was die EZB-Direktoren nun aus der Reserve gelockt hat. Experten des deutschen Fondshauses DWS etwa rechnen nun mit einem starken verbalen Bekenntnis der EZB, dass diese eine Fragmentierung innerhalb der Anleihenmärkte nicht tolerieren werde. 

Eine Ausnahmeerscheinung

Was den rasanten Anstieg treibt, ist offensichtlich: Die Staatsverschuldung ist nach zwei Jahren Corona-Krise auf einem rekordhohen Niveau angelangt. Und angesichts der Zinswende wird es für die Regierungen zunehmend kostspielig, diese Schulden zu bedienen und den Staatshaushalt zu refinanzieren. Ökonomen der Grossbank Credit Suisse (CS) gehen in einer aktuellen Studie davon aus, dass die Verschuldung Italiens schon im Jahr 2025 nicht mehr tragbar sein werde.

Noch mehr Sorgen bereitet eine Anomalie, die bereits im vergangenen März etwa bei US-Staatsanleihen beobachtet wurde: Obligationen mit kurzen Laufzeiten werfen höhere Erträge ab als solche mit längeren. Diese so genannte «inverse Zinskurve» ist eine Ausnahmeerscheinung, weil Anleger eigentlich eine höhere Rendite fordern müssten, wenn sie sich länger binden. Wenn sie sich plötzlich auf das Gegegenteil einlassen, gilt dies als Warnzeichen für eine Rezession.

Künstliche Rezession in den USA

Und genau davon war in den letzten Tagen wieder häufiger die Rede. So wurde darüber spekuliert, ob die amerikanische Notenbank Fed die US-Wirtschaft sozusagen in eine künstliche Rezession schickt. Dies, um der ausufernden Teuerung doch noch irgendwie Herr zu werden. Zur Beruhigung der Märkte tragen solche Spekulationen kaum bei.

Tatsächlich sind selbst Profiinvestoren so verunsichert wie seit dreissig Jahren nicht mehr, folgt man einer Umfrage von Bank of America unter Fondsmanagern. Diese zeigten sich gegenüber dem weltweiten Wirtschaftswachstum so pessimistisch wie noch nie, seit die Befragung im Jahr 1994 das erste Mal durchgeführt wurde. Und ganze 83 Prozent der Umfrageteilnehmer halten eine Stagflation für das wahrscheinlichste Konjunktur-Szenario der nächsten zwölf Monate, wie das Finanz-Portal «Institutional Investor» aus der Studie zitierte.

Von Anleihen wird abgeraten

Ob es der EZB gelingt, wieder Ordnung in die überschiessenden Anleihenmärkte zu bringen, muss sich erst weisen. Erfahrene Schweizer Investmentexperten raten dennoch dazu, die Finger von der nach Devisen wichtigsten Anlageklassen zu lassen. «Noch auf Jahre hinaus ist von einem Investment in Obligationen abzuraten», sagte etwa Thomas Steinemann, der Investmentchef der Zürcher Bellerive Privatbank, unlängst zu finews.ch.

Dies nicht nur wegen der Realrenditen, die wegen der Inflation stark negativ seien, sondern weil der Zinsanstieg die Kurse drücke, erklärte er. Erst, wenn die Zinssteigerungen einen Höhepunkt erreicht haben, wäre der Zeitpunkt zu einem Einstieg wieder gegeben – doch die Zinswende hat eben erst begonnen.

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