Ein Potpourri an Makrogründen führt zu mehr Streitigkeiten im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Auch wegen ESG zankt man sich zusehends häufiger.

Unternehmen, die nach opportunistischen Transaktionen Ausschau halten, kaufen im derzeit unsicheren Marktumfeld weiterhin andere Firmen. Der anhaltende, wenn auch langsamere Transaktionsfluss im Geschäft mit Fusionen & Übernahmen (M&A) und die zunehmende Volatilität an verschiedenen Fronten – von den Schwankungen der Energiepreise bis hin zur höheren Inflation – werden aber voraussichtlich zu einer Zunahme der Streitigkeiten im M&A-Bereich führen.

Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage der auf Rechtsfragen spezialisierten Berkeley Research Group (BRG) unter Corporate-Finance-Experten sowie M&A-Anwälten aus führenden Anwaltskanzleien in aller Welt.

Trend nimmt Fahrt auf

Die Studie ergab, dass die Streitigkeiten bereits dieses Jahr zugenommen haben. Dieser Trend wird sich nach Einschätzung der Befragten in den nächsten zwölf Monaten fortsetzen, da sich die Auswirkungen des Wirtschaftsabschwungs beschleunigen und die Wahrscheinlichkeit von Meinungsverschiedenheiten über wichtige Aspekte des Geschäfts (etwa Bewertungen) steigt.

Anwälte für Rechtsstreitigkeiten sowie Anwälte und Berater im Bereich Unternehmensfinanzierung sind sich einig: Rezessionsängste und Inflationssorgen waren die beiden Haupttreiber für M&A-Streitigkeiten im vergangenen Jahr. Diese Faktoren spiegeln sich in der Häufigkeit von Ereignissen bei Fusionen und Übernahmen, wie etwa Bewertungsänderungen.

Und nächstes Jahr werden sich die Streitaktivitäten voraussichtlich weiter häufen. Mehr als 8 von 10 Befragten (84 Prozent) gaben an, dass makroökonomische Bedenken, einschliesslich erhöhter Inflation, steigender Zinssätze und der Möglichkeit einer weltweiten Rezession zu mehr Streitigkeiten führen werden. Fast drei Viertel (72 Prozent) sagten, dass geopolitische Spannungen, wie der Russland-Ukraine-Konflikt und die damit verbundenen internationalen Sanktionen, ebenfalls ein Faktor sein werden, und 70 Prozent nannten die anhaltenden Auswirkungen von Covid-19.

Bei ESG unweigerlich mehr Streit

Auch beim Thema ESG wird man sich im M&A-Bereich künftig häufiger zanken. Nach Einschätzung der BRG-Experten werden M&A-Geschäfte durch eine Reihe sich entwickelnder ESG-Risiken beeinträchtigt. Sie gehen davon aus, dass ESG in Zukunft eine wichtige Rolle bei Streitigkeiten im Energiebereich spielen könnte, da die Vorschriften immer mehr Gestalt annehmen und die Unternehmen sich bemühen, die sich verändernden Erwartungen der Investoren zu erfüllen.

Die Befragten stimmten darin überein, dass die Transaktionsaktivität in diesem Sektor durch ESG-Faktoren vorangetrieben wird (86 Prozent) und dass ein Mangel an soliden Messgrößen zu Streitigkeiten führen wird (78 Prozent). Zu erwarten sei, dass die Offenlegung von ESG-Aspekten zunehmen werde. Daher dürfte es künftig mehr Klauseln in Verträgen geben, was unweigerlich zu einer Zunahme von ESG-Streitigkeiten führen werde.

Konfliktherd Europa

Angesichts des Makroumfelds erwartet BRG, dass Käufer künftig zöglicher auftreten werden und die Performance der jüngsten Übernahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben könnte. «Diese Anpassungsphase wird wahrscheinlich zu einem Aufschwung bei den M&A-Streitigkeiten im kommenden Jahr führen und könnte eine weitere Verlangsamung neuer Geschäftsabschlüsse bewirken, wenn sich die Verkäufer nicht schnell an die ungünstigeren Bewertungen anpassen», erklärt der auf M&A-Streitigkeiten spezialisierte BRG-Direktor Kevin Hagon.

Mit einer erhöhten Streitaktivität rechnen die Experten vor allem in den Sektoren Bau- und Immobilien, Fintech sowie Energie & Klima. Gleich dahinter rangiert der Bereich der traditionellen Finanzindustrie. In einer geographischen Perspektive rückt vor allem die Region Europa und Naher Osten (EMEA) ins Schweinwerferlicht. Gründe dafür sind unter anderem die infolge des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen. Auf die Frage, in welcher Region sie den grössten Anstieg des Volumens und des Wertes von M&A-Streitigkeiten erwarten, wählten 41 Prozent der Befragten die EMEA-Region, gegenüber 30 Prozent im Jahr 2021.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.51%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.99%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.58%
pixel