Auf den Präsidenten der Credit Suisse prasselt heftige Kritik nieder. Doch das ficht ihn scheinbar nicht an. Neue Aussagen zeigen einen in philosophische Sphären entrückten Urs Rohner.

Die Medienschelte auf Urs Rohner hat kurz vor seinem Auftritt an der Generalversammlung der Credit Suisse (CS) vom 28. April ein Crescendo erreicht. Nun greift auch das gegenüber Topmanagern gewöhnlich konstruktive Wirtschaftsmagazin «Bilanz» (Artikel bezahlpflichtig) den Bankpräsidenten frontal an: Als «Sesselkleber» und «Aussitzer» bezeichnet das Blatt den Juristen, der seit 2011 die zweitgrösste Schweizer Bank präsidiert.

Im Bericht, in dem er selber ausgiebig zu Wort kommt, zeigt sich Rohner von der ihn umtosenden Protestwelle merkwürdig unbeteiligt. Da mögen sich mächtige Stimmrechts-Vertreter gegen den Vergütungsbericht der CS zusammenscharen, der Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sich ob den Cheflöhnen der Bank empören und Aktionäre seinen Rücktritt fordern: Rohner scheint gegenüber der Kritik in philosophische Sphären entrückt zu sein. Das zeigt der Realitäts-Check.

Aussage Urs Rohner: «Das Hin und Her um die Boni ist letztlich eine philosophische Frage – darf man ein Management, das seine vorgegebenen Leistungsziele erreicht hat und operative Gewinne erzielt, für Verluste aufgrund von Ereignissen aus der Vergangenheit büssen lassen?

Realitäts-Check: Mit Philosophie haben Vergütungsberichte wenig zu tun. Stattdessen mit hochkomplizierten Berechnungen, welche die Berichte über Dutzende Seiten anschwellen lassen. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Umso saurer stösst auf, wenn Leistung und Lohn unzureichend miteinander verbunden sind – und genau dies ist das Hauptargument von Stimmrechtsvertretern, die den Bericht an der Generalversammlung ablehnen wollen.

Wohl trifft es zu, dass der 2015 angetretene CS-Chef Tidjane Thiam für die auf die Finanzkrise zurückgehende Milliarden-Zahlung im US-Hypothekenstreit nichts «kann». Rohner hielt hingegen 2004 Einzug ins Management der Grossbank und gönnt sich für 2016 eine Lohnerhöhung von 3,2 auf 4 Millionen Franken.

Aussage Urs Rohner: «Für mich wäre es ein Signal, wenn ich von wirklich massgebenden Aktionären hören würde, dass sie mit meiner strategischen Ausrichtung nicht zufrieden sind. Das habe ich bis jetzt noch nicht gehört. Noch nie.»

Realitäts-Check: Ein freiwilliger Rücktritt kommt für den CS-Präsidenten nicht infrage. Er will mindestens bis 2018 – wenn nicht bis 2021 – im Amt bleiben. Tatsächlich dürfte sich Rohner dank dem Support von Ankeraktionären wie dem amerikanischen Finanzinvestor Harris Associates, dem norwegischen Staatsfonds und den Grossaktionären aus Nahost in der bevorstehenden Generalversammlung halten können. Dies gegenüber Stimmrechtsvertretern, die ihn hart kritisieren und bis auf 40 Prozent der Stimmen kommen könnten.

Kurz: Das Aktionariat der CS ist nicht nur zersplittert, sondern auch tief gespalten. Rohners Einteilung in «wirklich massgebende» Eigner vertieft den Graben nur noch.

Aussage Urs Rohner: «Generell – und das gilt wahrscheinlich für die meisten grossen Firmen – ist man bei der Umsetzung von Dingen, bei denen man erkannt hat, dass man sie ändern muss, zu wenig schnell.»

Realitäts-Check: Mit diesem Anflug von Selbstkritik macht es sich Rohner zu einfach. Im Gegensatz zur UBS musste die CS in der Finanzkrise nicht mit Steuergeldern gerettet werden. So weit, so gut. Dann blieb die CS jedoch zu lange auf der übermächtigen, aber volatilen Investmentbank sitzen – seit 2009 prägt Rohner die Strategie im Verwaltungsrat mit. Mit dem Antritt des neuen CEO Thiam im Jahr 2015 kam dann die dringend nötige «Strategieanpassung» der CS. Auch sie war aber seither von mehreren Rückschlägen und revidierten Versprechungen begleitet.

Derweil formte Rohners Pendant Axel Weber die UBS seit 2012 in einen führenden Vermögensverwalter um. Und war damit schneller als die gesamte Konkurrenz.

Aussage Urs Rohner: «Ich habe vom ersten Tag an bei der CS und in jeder Funktion, die ich hatte, meinen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Firma und die Prozesse verbessern und dass sich Sachen, die ich nicht für richtig angesehen habe, verändern.»

Realitäts-Check: Dem hochintelligenten und gewieften Taktiker Rohner gelang es offensichtlich nicht, mit seinem Beitrag die Investoren zu beeindrucken. Seit seinem Antritt als CS-Präsident im April 2011 hat die Aktie der Grossbank 57 Prozent ihres Börsenwerts eingebüsst.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.64%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.15%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.47%
pixel