Pierre-Olivier Bouée will seine fristlose Entlassung durch die Credit Suisse offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Die frühere rechte Hand von CEO Tidjane Thiam hat Anwälte engagiert, die rechtliche Schritte prüfen sollen, wie Recherchen von finews.ch ergaben.

Pierre-Olivier Bouée hat praktisch seine gesamte Berufskarriere im Schatten von Tidjane Thiam verbracht – nun steht der 48-jährige Franzose vor dem Nichts.

Ende Dezember hat die Credit Suisse (CS) ihn fristlos entlassen. In zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen durch die Kanzlei Homburger hatte die CS ihren Chief Operating Officer (COO) als Verantwortlichen für die Beschattung von zwei ehemaligen Geschäftsleitungs-Mitgliedern der CS, Iqbal Khan und Peter Goerke, ausgemacht.

Mit Schimpf und Schande entlassen

Nach der zweiten Untersuchung entliess der CS-Verwaltungsrat Bouée per Ende Dezember 2019 fristlos, nachdem dieser bereits im Oktober seinen Rücktritt aus der CS-Konzernleitung hatte geben müssen. CS-Präsident Urs Rohner nannte damals die Beschattung Goerkes «unentschuldbar». Er selber wie auch CEO Thiam wollen von den Vorgängen und Bespitzelungen nichts gewusst haben. Beide distanzierten sich von der «Beschattungskultur» in der CS.

Bouée, der über vier Jahre lang für die CS als COO tätig und die ausführende Hand von CEO Thiams Turnaround-Plänen war, wurde sozusagen mit Schimpf und Schande davongejagt. Für manche Beobachter ist er aber nur der Sündenbock; das Bild, das die CS und die Anwaltskanzlei Homburger vom eigenmächtigen Handeln Bouées entwarfen, überzeugt nicht.

Strafanzeige der Privatdetektive

Wie mit den Vorgängen vertraute Personen gegenüber finews.ch erklärten, hat Bouée nun selber einen Anwalt eingeschaltet. Eine bekannte Schweizer PR-Agentur hat er ebenfalls engagiert, um die weitere Entwicklung in dem CS-«Spygate»-Komplex in allen Einzelheiten zu verfolgen.

Tatsächlich sind seit Jahresbeginn weitere Details bekannt geworden. So haben die von Bouée und dem ebenfalls entlassenen CS-Sicherheitsmann Remo Bocalli engagierten Privatdetektive Strafanzeige gegen Khan und seine Frau eingereicht. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft nun auch Fakten zu den Geschehnissen vor rund einem Jahr im Hause von CS-Chef Thiam, als es zu einem heftigen Streit mit Khan kam.

Geld und Reputation

Wie weiter zu erfahren war, prüft Bouée nun auch mögliche rechtliche Schritte gegen die CS. Weder Bouée noch sein Anwalt waren für finews.ch zu sprechen. Für Bouée geht es auch um finanzielle Aspekte: Mit der fristlosen Entlassung hat er angeblich seine Ansprüche auf ein Aktienpaket im Wert von mehr als 4 Millionen Franken verloren.

Doch Bouée, der gemäss CS-Vergütungsbericht als COO einen Fixlohn von gegen 2 Millionen Franken sowie für 2018 einen Bonus von gegen 5 Millionen Franken erhielt, geht es wohl vor allem um seinen Ruf als Manager. Für die CS ist der zweifache Familienvater auch in die Schweiz nach Küsnacht gezogen. Mit den ihm angekreideten Makeln dürfte es ihm vermutlich schwer fallen, eine Anstellung in einer ähnlichen Position und mit vergleichbarem Salär zu finden.

Einseitige Darstellung

Er selber hat sich zu der ganzen Affäre bislang nie geäussert. Es gilt darum die Darstellung der CS und ihrer Hauskanzlei Homburger, wonach Bouée bezüglich der Beschattung Goerkes gelogen, inoffizielle Kommunikationskanäle benutzt und Nachrichten gelöscht haben soll – also eine eigentliche Geheimoperation innerhalb der CS geführt habe. Rätselhaft bleibt sein Motiv dafür.

Die fristlose Entlassung ist für Bouée wohl auch deswegen schmerzlich, weil er seit 2004 ein ständiger und loyaler Wegbegleiter von CEO Thiam war, zunächst beim Versicherer Aviva, dann beim grösseren britischen Konkurrenten Prudential und ab Sommer 2015 bei der CS, zunächst ein paar Monate als Chief of Staff, dann als COO.

Enger Mitarbeiter – aber kein Freund

Bouée folgte immer dem Ruf seines neun Jahre älteren Mentors. Kennengelernt hatten sich die beiden Manager nach der Jahrtausendwende beim Beratungsunternehmen McKinsey in Paris, wo sie Hand in Hand miteinander arbeiteten. Bei der CS galt «POB», so sein internes Kürzel, als engster und wichtigster Mitarbeiter Thiams, der dafür sorgte, dass die Anordnungen des CEO exakt ausgeführt wurden.

Medien haben kolportiert, dass sich Bouée und Thiam auch privat gut verstünden. Doch der CS-Chef sagte nach dem Auffliegen der Bespitzelung Khans, er würde POB «nicht direkt als Freund bezeichnen». In all den Jahren hätten sie vielleicht einmal zusammen zu Abend gegessen. Die vor den Medien gemachten Äusseungen Thiams liessen den Eindruck aufkommen, der CEO setze alles daran, sich von Bouée zu distanzieren.

Druck auf die CS-Führung nimmt zu

Mögliche rechtliche Schritte von Bouée gegen die CS sind insofern relevant, weil sie beeinflussen könnten, wer die zweitgrösste Bank der Schweiz in nächster Zukunft führen wird. Denn der Druck aus der «Spygate»-Affäre auf Thiam und auf VR-Präsident Rohner nimmt mit jedem weiteren von den Medien ausgegrabenen Detail zu.

Während die Beschattung von Khan und Goerke als solche kein so aussergewöhnliches und unstattfhaftes Vorgehen waren, wie es zumindest die CS und ihr Verwaltungsrat darstellen, so bergen die eigentlichen Hintergründe mehr Sprengkraft. Dass die Staatsanwaltschaft in Uster ZH diese untersucht, spricht zusätzlich dafür.

Geheime Handlungen

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) ist ebenfalls auf dem Plan und untersucht, ob die Governance und Kontrolle innerhalb der CS funktioniert haben. Dabei prüft die Behörde insbesondere auch das eigenmächtige Handeln von Bouée und Sicherheitschef Boccali – aber auch, warum in einer Organiation wie der CS solche Handlungen im Geheimen durchgeführt werden konnten.

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