Philipp Müller, CEO von Blue Orchard, erklärt gegenüber finews.ch, wie die jüngsten Greenwashing-Skandale seinem Unternehmen Auftrieb geben, und warum Finanzinstitute nach mehr Sinnstiftung und Wirkung suchen. 

«Business is going purpose» ist ein Leitspruch des Patagonia-Gründers Yvon Chouinard, der in diesem Monat sein Unternehmen und alle künftigen Gewinne für den Kampf gegen den Klimawandel gespendet hat.

Für die Investmentgesellschaft Blue Orchard steht der «purpose», also die Sinnstiftung, seit zwanzig Jahren im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit, um die herum sie ein globales Netzwerk zur Umsetzung ihrer Impact-Investment-Strategie aufgebaut hat.  

Unter verschärfter Beobachtung

Philipp Müller high res

Diese Strategie rückt paradoxerweise auch deshalb in den Vordergrund, weil Finanzunternehmen in den Medien häufig beschuldigt werden, die ESG-Standards (Environmental Social Governance) bei ihren Finanzprodukten zu überdehnen.

«Diese Fälle sind gut für die Branche, weil sie das Bewusstsein für diese Themen schärfen, sagt Philipp Müller, CEO von Blue Orchard (Bild unten), im Gespräch mit finews.ch.

Nutzbringendes Anlageverhalten

Sinnstiftung und Finanzen werden zunehmend miteinander verknüpft, da eine wachsende Zahl von Anlegern neben der Erzielung einer Rendite aus ihren Investitionen auch einen echten Nutzen für die Gesellschaft und die Umwelt schaffen möchte. 

Anleger können entscheiden, ob sie Unternehmen, die einen bestimmten ESG-Score erreichen, in ihr Portfolio aufnehmen oder ausschliessen. Dagegen ist Impact Investing eine Strategie, mit der sowohl finanzielle Gewinne als auch positive soziale oder ökologische Veränderungen angestrebt werden.

Vermeiden von Schaden

Ein klares Unterscheidungsmerkmal ist, dass Impact-Investoren dem Gebot folgen, nicht zu schaden – also nicht in etwas zu investieren, was den Menschen oder dem Planeten schadet.

Öl- und Gasunternehmen, ungeachtet ihres Engagements für die Energiewende, werden beispielsweise nicht in das Portfolio eines Impact Investors aufgenommen, während solche Unternehmen oft noch als ESG-konform gelten.

Veränderte Werthaltungen

Die Nachfrage nach mehr positiver Wirkung wird durch eine sich verändernde Investorenbasis mit mehr Frauen und einer jüngeren, sensibilisierten Generation angetrieben, die alle in Projekte zur Armutsbekämpfung, zum Klimawandel oder in Bildungsfonds für Kinder in ärmeren Ländern investieren wollen. 

Wachstum mit Partner

Zur gleichen Zeit, als Impact Investing zum Mainstream wurde, sah sich Blue Orchard gezwungen, in längerfristige Anlageklassen wie Private Equity, Anleihen und Infrastrukturmärkte einzusteigen. Deshalb musste das Unternehmen eine gewisse Grösse und Skalierbarkeit beibehalten, erklärte Müller.

Diese Entwicklung führte zu der Entscheidung, 2019 mit dem schwergewichtigen Vermögensverwalter Schroders eine Partnerschaft einzugehen. Damit konnte Blue Orchard auf das internationale Netzwerk von Schroders zugreifen und von dessen Wissen profitieren, ohne seine eigene DNA aufzugeben, fügte er hinzu. 

Begleitung in allen Etappen

Bislang wurden über das Blue Orchard-Netzwerk mehr als 9,8 Milliarden Dollar für die Finanzierung von Projekten in mehr als 105 Ländern bereitgestellt und gleichzeitig über 255 Millionen Menschen der Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglicht. Es gibt Projekte in sieben Büros auf vier Kontinenten mit regionalen Partnern, die so unterschiedlich sind wie die Anlageklassen, in die investiert wird.

Bevor eine Zusammenarbeit zustande kommt, analysiert Blue Orchard, wie diese Institutionen geführt werden, wem sie gehören und wie sie strukturiert sind. Müller fragt dann etwa, wie das Portfolio aussieht und wer die begünstigte Basis ist.

Nachdem eine Partnerschaft zustande gekommen ist, bleibt Blue Orchard an Bord und überwacht - zum Beispiel im Falle von Mikrofinanzprojekten - weiterhin, wie die Kredite den Kreditnehmern erklärt werden.

Mischfinanzierung

Ein Beispiel dafür, wie Blue Orchard den Zugang zu Finanzprodukten verbessert, sind die eigenen Klimaversicherungsprogramme. Durch die Zusammenarbeit mit den grössten Versicherern des Landes und der deutschen Entwicklungsbank KFW kann Blue Orchard in Ghana und Kambodscha erschwingliche Klimaversicherungen anbieten, indem es die Kosten für das Underwriting übernimmt.

«Normalerweise würden die Leute nicht vorrangig in ein Versicherungsprodukt in einem aufstrebenden Wachstumsmarkt investieren. Doch wenn sie wüssten, dass 10 Prozent ihres Portfolios durch Erstverlustmechanismen - bereitgestellt zum Beispiel von Institutionen zur Entwicklungsfinanzierung – geschützt sind, würden sie doch investieren,» so Müller.

Den Ausstieg mitdenken

Die Infrastrukturprojekte, die Blue Orchard in der Regel finanziert, sind zu gross, um lokal finanziert zu werden, aber zu klein, um von grossen globalen Infrastrukturunternehmen oder Entwicklungsfinanzierungsinstituten geschultert zu werden.

«Wir werden nicht den nächsten Hafen finanzieren, aber wir könnten zum Beispiel Telekommunikationstürme auf den Philippinen finanzieren», sagte er. 

Anti-Woke als Gegenbewegung

Europäische Investoren, welche die wissenschaftlichen Hintergründe des Klimawandels verstehen, lassen sich laut Müller kaum von den polarisierten Diskussionen über Klimafragen beeinflussen, die derzeit in den USA stattfinden.

Die Gegenreaktion auf die Nachhaltigkeitsbewegung, wie sie der jüngste ETF des US-Unternehmens Strive Asset Management zeigt, das sich bewusst ein Nicht-ESG-Mandat gegeben hat, könnte sogar dazu führen, dass mehr Anleger in Impact Investments einsteigen.

Es ist eine Schande, dass die Leute dies als politisches Instrument benutzen, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass wir Massnahmen gegen den Klimawandel ergreifen müssen», unterstrich Müller.

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