Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank könnte den Aufwertungsdruck auf den Franken verstärken – trotzdem sieht Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch, keinen Grund für die Schweizerische Nationalbank nachzulegen.


Herr Koch, was bedeutet die heutige Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Euroraum? Macht er überhaupt einen Unterschied?

Mario Draghi hat kurz vor dem Ende seiner Amtszeit nochmals die Bazooka abgefeuert. Die EZB erfüllte mit einem aggressiven Massnahmenpaket die hohen Erwartungen. Die skeptischen Stimmen im EZB-Rat konnten sich ganz offensichtlich nicht durchsetzen. Mehrere Ratsmitglieder sprachen sich vor der Sitzung vor allem gegen weitere Anleihekäufe aus, da die Langfristzinsen bereits tief genug seien. Wir teilen diese Einschätzung. Wir sind darüber hinaus der Meinung, dass die nochmalige Erhöhung des Negativzinses nicht wirkungsvoll ist.

«Wir sehen kaum noch belebende konjunkturelle Impulse»

Die EZB behauptet, dass sich die Negativzinsen noch positiv auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Abgesehen von günstigeren Finanzierungskonditionen für die Staaten, sehen wir hingegen kaum noch belebende konjunkturelle Impulse. Vielmehr werden die negativen Nebenwirkungen immer offensichtlicher, sprich die Vermögenspreisinflation, die Belastung der privaten Altersvorsorge, sinkende Ertragskraft und somit sinkende Kreditvergabemöglichkeiten der Banken sowie auch die Förderung von «Zombie»-Schuldnern, die sich nur dank der sehr tiefen Zinsen über Wasser halten können.

Wird der Franken jetzt nochmals stärker?

Der Franken hatte bereits im Vorfeld, mit dem Aufkommen der Erwartungen für eine nochmalige Lockerung der EZB, gegen den Euro wieder aufgewertet. Mit den zurückhaltenderen Tönen einiger EZB-Offizieller sowie wohl auch mit der weniger auf Krawall gebürsteten, neuen italienischen Regierung, hat der Druck auf den Franken zuletzt jedoch wieder nachgelassen. Die Sichteinlagen der Banken bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die ein guter Indikator für Devisenmarktinterventionen  sind, sind in den letzten beiden Wochen nicht weiter angestiegen.

«Wir sehen keine Notwendigkeit bei den Zinsen überstürzt nachzuziehen»

Unmittelbar nach der Ankündigung des umfangreichen Massnahmenpakets kämpft der Euro-Franken-Kurs allerdings wieder mit der 1.09-Marke, wohl auch wieder mit Beteiligung der Nationalbank. Diese wird die Entwicklungen rund um die EZB-Sitzung sehr eng verfolgen, und sie dürfte nun erst einmal weiter versuchen, den Wechselkurs mit Devisenkäufen in Schach zu halten, auch wenn dies eine Brandmarkung durch den US-Präsidenten zur Folge haben könnte.

Solange sich der Druck auf den Franken in Grenzen hält, sehen wir keine Notwendigkeit bei den Zinsen überstürzt nachzuziehen. Auch an den Zinsmärkten haben die Zinssenkungserwartungen für die SNB zuletzt wieder abgenommen.

Wieviel Sinn macht eine Senkung der Zinsen in der Schweiz überhaupt noch? Was passiert, wenn die Wirtschaft sich erst richtig abschwächen sollte – welche Mittel zur Stimulation würden der Bank dann noch bleiben?

Das Hauptargument der SNB für eine mögliche Zinssenkung ist, den Franken durch die Wahrung des Zinsabstands zur Eurozone weniger attraktiv zu machen. Denn ein erneuter Währungsschock würde die Schweizer Konjunktur stark belasten. Grundsätzlich könnte die SNB zwar unbegrenzt weiter Devisen kaufen, was jedoch nicht als eine nachhaltige Strategie erscheint. Eine Stützung der Konjunktur müsste also, genauso wie in der Eurozone übrigens auch, vor allem von staatlicher Seite kommen.

Gibt es Raum für eine baldige Normalisierung der Geldpolitik?

Mit der Zementierung der Negativzinspolitik der EZB, sehen wir in absehbarer Zeit kaum Spielraum für die SNB die Zinsen zu normalisieren. Die Nationalbank dürfte höchstens die seit Ende 2014 fixierten Negativzins-Freibeträge für die Banken erhöhen, um einer breiten Weitergabe der Negativzinsen an die Bankkunden vorzubeugen.

Heisst dies, dass die Wirtschaft robuster ist als erwartet?

Die Schweizer Wirtschaft hat sich gemäss den offiziellen Wachstumszahlen bis zur Jahresmitte weniger stark abgeschwächt als in den Nachbarländern. Dies ist allerdings insbesondere auf eine anhaltend solide Performance des wenig wechselkurssensitiven Pharmasektors zurückzuführen. In anderen Sektoren ist nach der vorangegangenen Boom-Phase eine ähnlich starke Abschwächung der Auftragsdynamik wie in der Eurozone zu beobachten. Und der wiedererstarkte Franken dürfte den Strukturwandel in preissensitiven Industriebereichen weiter vorantreiben.


Alexander Koch ist bei Raiffeisen Schweiz für die Konjunktur- und Zinsanalyse verantwortlich. Nach seinem Volkswirtschaftsstudium an den Universitäten München und Southampton begann er seine berufliche Laufbahn bei der Strategieberatung Roland Berger. Anschliessend wechselte er in die Bankenbranche zu UniCredit, wo er zuerst im Firmenkundengeschäft arbeitete. Sein Weg führte dann weiter über die Länderrisikoanalyse schliesslich ins Economic Research. 2013 wechselte er zu Raiffeisen.

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