Der Preis für Bitcoin steigt – und damit auch der Optimismus der Krypto- und Blockchain-Szene, die sich in St. Moritz erneut ein Stelldichein gibt. Doch: Das Warten auf den grossen Durchbruch hält an.

Das Stimmungsbild an der Crypto Finance Conference (CFC), die heuer zum vierten Mal stattfindet, gleicht dem Kursverlauf des Bitcoin. Anfang 2018, als ein paar Krypto-Enthusiasten die CFC zum ersten Mal im Suvretta Haus ob St. Moritz durchführten, herrschte der Wahnsinn: Der Bitcoin kratzte nach einer Kursexplosion an der Marke von 20'000 Dollar.

Blockchain-Startups waren bereit, jeden Preis zu bezahlen, um vor den zwei Dutzend anwesenden Milliardären ihre ICO (Initial Coin Offering) pitchen zu dürfen.

Ohne das etablierte Finanzsystem geht es nicht

Die zweite CFC im gleichen Sommer in San Francisco war eine Ernüchterung gewesen: Bitcoin und der ICO-Markt waren eingebrochen. Die dritte CFC fand 2019 im düsteren Krypto-Winter statt, und die Konferenzteilnehmer schienen sich ein erstes Mal ernsthaft mit dem Gedanken zu befassen, dass die Revolution des Finanzsystems ohne Hilfe und regulatorische Leitplanken, welche eben dieses Finanzsystem liefern müsste, nicht stattfinden kann.

Und nun: Der Bitcoin steigt (wieder). Die Projektion des Bitcoin als Wertspeicher und «digitale Gold» hat entsprechend erneut Auftrieb, nachdem der Kurs zuletzt im Zuge des Irankkonfliktes wie andere sichere Häfen gestiegen war.

St. Moritz im Krypto-Frühling

«Gaining Momentum» war ein am ersten Konferenztag oftmals gehörter Begriff. Oder anders formuliert: Im frühlingshaften St. Moritz schien unter den Anwesenden der letztjährige Krypto-Winter nur noch eine blasse Erinnerung zu sein.

Das ist auch dem Konzept der CFC geschuldet: Hier möchten erfolgreiche Krypto-Unternehmer und -Experten Investoren begeistern. Oder stark vereinfacht: Frühe Bitcoin-Investoren, die mit der Kryptowährung sehr vermögend geworden sind, möchten andere Investoren überzeugen, es ihnen gleich zu tun.

Crème de la Crème

Gleichwohl ist des den CFC-Organisatoren um CEO Nicolo Stöhr und Verwaltungratspräsident Tobias Reichmuth in wenigen Jahren gelungen, jeweils die Crème de la Crème der Branche als Redner nach St. Moritz zu holen: Young Sohn, President Samsung Electronics, teilte sich am Mittwoch die Bühne mit Eva Kaili, der «Mutter der Blockchain-Regulierung in der EU» oder mit Thomas Moser, dem Krypto-Experten der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Absolute Stargäste in diesem Jahr waren die Gebrüder Tyler und Cameron Winklevoss – und ihr Auftritt verdeutlichte, dass die Krypto-Branche derzeit irgendwo zwischen Wahn und Wirklichkeit navigiert.

Milliardenschwere Zwillinge

Die Zwillinge, die ihr erstes Vermögen durch eine Art Abfindung in der Höhe von 65 Millionen Dollar von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg machten, investierten 2012 in Bitcoin, mit dem Ziel, dereinst 1 Prozent dieser Kryptowährung zu besitzen. Damals war ein Bitcoin 8 Dollar wert. Haben die Winklevosses ihr Ziel seither weiterverfolgt, sitzen sie heute auf Bitcoin im Wert von rund 2 Milliarden Dollar.

Ihr Ziel sei nicht das grosse Geld, sondern das Verfolgen «der grossen Idee eines dezentralisierten Finanzsystems und die Ermächtigung des Indivduums», erklärte Cameron.

Durchbruch noch dieses Jahr?

Über ihre Exchange-Plattform Gemini würden sie nun mit State Street und Goldman Sachs zusammenarbeiten, also mit dem grössten Custodian der Welt und der renommiertesten Investmentbank der Welt. Was die Winklevosses damit sagen wollten: Die institutionellen Investoren stünden an der Türschwelle zur Crypto Finance. Dieses Jahr komme der Durchbruch.

Dieser seit einiger Zeit mantrahaft wiederholte Hoffnungssatz muss sich für die gesamte Krypto-Branche erfüllen. Erstens, um die eigenen Ziele eines dezentralen Finanzsystems zu erreichen und zweitens, um ihre Investoren irgendwann zufriedenstellen zu können.

Widerspruch elegant umschifft

Es ist ein Widerspruch, den die Krypto-Szene inzwischen elegant umschifft hat: Ohne die Hilfe des traditionellen Finanzsystems wird sich ein Krypto-Finanzsystem nicht herausbilden können. In der Schweiz, das heisst im Finanz-, Banken- und Krypto-Cluster zwischen Zürich und Zug, ist diese Erkenntnis längst gereift.

Mit Sygnum und Seba Crypto sind zwei Krypto-Banken am Start, mit Bitcoin Suisse folgt im Laufe dieses Jahr vermutlich die dritte. Der Zürcher Bankenplatz hat seine Hausaufgaben gemacht und in Know-how, Partnerschaften und Infrastruktur investiert. Die traditionellen Banken könnten also im Krypto-Geschäft durchaus mitmachen, tun es aber grösstenteils nicht.

US ist um Jahre hinterher

Denn das Geschäft bietet den etablierten Banken und Asset Managern bei Weitem nicht die Volumen und Ertragschancen, um den regulatorischen Aufwand zu rechtfertigen. Der Krypto-Markt ist schlicht zu klein – die Bitcoin-Marktkapitalisierung beträgt zurzeit gerade Mal 200 Milliarden Dollar. Niklas Nikolajsen, Gründer von Bitcoin Suisse, schätzt, dass 500 Milliarden Dollar notwendig wären, um Bitcoin tatsächlich als Anlageklasse definieren zu können und für Institutionelle investierbar zu machen.

Zudem bilden die Schweiz und Liechtenstein die regulatorischen Ausnahmen. In anderen Jurisdiktionen, insbesondere auch im weltweit grössten Finanzmarkt USA, hinkt die Krypto- und Blockchain-Regulierung um Jahre hinterher.

Wo beiben die Institutionellen?

Was zusätzlich fehlt, ist das Kundenvertrauen. Mindestens zehn erfolgreiche Hacker-Angriffe gab es allein im vergangenen Jahr auf Krypto-Börsen. Zu viele bekannte Beispiele gibt es von verlorenen Krypto-Vermögen, weil die sogenannten Private-Keys verloren gegangen sind.

So ist es wenig erstaunlich, dass man an der CFC unter den Teilnehmern die institutionellen Investoren, also Banken, Pensionskassen und Asset Manager, kaum findet. Die Atmosphäre erinnert eher an ein globales Familientreffen unter Krypto- und Blockchain-Unternehmern und -Investoren, Experten, Inkubatoren und anderen «Aficionados».

Zwischen Banking und Technologie

Es ist positiv, dass diese CFC in St. Moritz ihre Wurzeln hat und auch durchgeführt wird. Denn die Schweiz hat sich in den vergangenen zwei Jahren als das wohl weltweit führende Krypto-Ökosystem herausgebildet, in welchem die Achsen zwischen dem Zuger «Crypto Valley» und Zürich, zwischen Banking und Technologie inzwischen sehr solide sind. Das CFC ist durchaus ein wichtiger Teil dieses Ökosystems.

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