Im Haifischbecken der Handelsplattformen kann die SIX dank ihren jüngsten Übernahmen vorne mitschwimmen, sagt CEO Jos Dijsselhof im Interview mit finews.ch. Der Vorstoss mit digitalen Anlagen sei bestimmt nicht nur ein Hobby. Und zur Börsen-Äquivalenz hat der Manager eine dezidierte Meinung.


Herr Dijsselhof, Sie haben im vergangenen Jahr die 3 Milliarden Dollar teure Übernahme von Bolsas y Mercados Españoles BME abgeschlossen. Sind Sie auf dem richtigen Weg, um die Synergien aus diesem teuren Geschäft zu nutzen?

Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Synergien aus der Transaktion nutzen können, sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite. Die Übernahme hat die Struktur unserer Geschäftstätigkeit verändert, da wir nun mit der Schweiz und Spanien zwei Heimatmärkte haben. Und sie verändert auch unsere Position in der Branche.

Ist grösser immer besser?

Wir sind jetzt auf der Landkarte zu finden. BME hat uns dabei geholfen, das zu erreichen, und uns zu einem wirklich internationalen Unternehmen gemacht. Ich habe diesen Monat das Fintech-Festival in Singapur besucht. Dort waren sie sehr angetan von dem, was wir mit digitalen Vermögenswerten machen und unseren Projekten zu CBDC (Central Banking Digital Currencies) mit der Schweizerischen Nationalbank.

Ist die SIX bereit, weitere Akquisitionen zu tätigen – entweder im Börsengeschäft, im Nachhandels-Bereich oder im Bereich Finanzdaten?

Unser organischer Dreijahresplan sieht sehr gesund aus, was die Kosten, den Umsatz und die Marge angeht. Aber wenn sich Möglichkeiten für zusätzliche Transaktionen ergeben, werden wir uns das ansehen.

Wie sieht es mit Transaktionen in der Grössenordnung des BME-Deals aus?

Wir werden auch nach grösseren Gelegenheiten suchen, wenn es sie gibt. Und zwar in allen unseren Geschäftsbereichen, nicht nur mit dem Börsenhandel. Es könnte noch einige Möglichkeiten in Europa geben.

«Wir könnten eine digitale Börse in Spanien aufbauen.»

Und ich schliesse nicht aus, dass wir dem Wachstumspfad einiger unserer Kunden folgen, die ihr Geschäft in den USA oder, noch wahrscheinlicher, in Asien ausbauen. Es muss aber zu unserer Strategie passen.

Können Sie etwas genauer auf die USA und Asien eingehen?

Wenn Sie beobachten, wohin sich das Wealth Management und das Schweizer Bankwesen entwickeln, werden Sie wohl einige Hinweise finden.

Und wie können Sie spezifisch im Nachhandels-Geschäft und bei den Finanzdaten Skaleneffekte erzielen?

Die digitalen Vermögenswerte sind der Bereich, aus dem ein Grossteil des Wachstums der Zukunft kommen wird. Wir zählen dort mit unserer digitalen Börse SDX zur Avantgarde der Branche. Auch unser Joint-Venture mit dem japanischen Finanzinstitut SBI zum Aufbau einer digitalen Börse in Singapur wird von vielen lokalen Akteuren unterstützt.

Wir könnten eine digitale Börse in Spanien aufbauen. Wer weiss, vielleicht werden wir eines Tages auch die USA ins Auge fassen, obwohl das vielleicht zu optimistisch ist. Dieser Markt ist sehr überfüllt.

Wie sieht es auf der Datenseite aus, wo Sie im vergangenen Jahr Marion Leslie von der Datenspezialistin-Refinitiv eingestellt haben?

Wir haben Marion Leslie im Grunde eingestellt, um das Geschäft von Effizienz auf Wachstum umzustellen. Sie hat die Einnahmen zunächst stabilisiert und verfolgt jetzt einen ziemlich aggressiven Plan, um unsere Einnahmen in den nächsten vier bis fünf Jahren um 20 bis 25 Prozent zu steigern.

Wie?

Wir wollen das über unsere ESG-Fonds, Cloud-Technologie, API-Schnittstellen sowie mit alternativen Daten und ETF erreichen. Wir haben also viele strategische Themen, um unseren Kunden grundsätzlich mehr Daten auf intelligentere und effizientere Weise anzubieten.

Daten sind einer von mehreren Bereichen von SIX, die in der Vergangenheit nicht gerade einem starken Wettbewerb ausgesetzt waren. Kann die Schweizer Börse in diesem globalen Haifischbecken überleben?

Um zu überleben, muss man mindestens so grosse Zähne haben wie andere. Wenn wir hier abwarten und unser Revier schützen würden, dann würden andere kommen und uns das Essen wegschnappen. Wir wollen in der Lage sein, um Transaktionen zu kämpfen.

«Ich will nicht in die Rolle eines Politikers schlüpfen»

Aber dazu brauchen wir die richtige Preisgestaltung und die richtigen Technologien. Wir müssen international wettbewerbsfähig sein, um zu überleben.

Kommen Ihre Bemühungen um Open-Banking in der Schweiz zur rechten Zeit, oder ist das Schiff schon abgefahren?

Die Schweiz hat sich für einen stärker marktorientierten Ansatz entschieden, der meiner Meinung nach sicherstellt, dass wir zu Grossbritannien und zu Europa hin aufschliessen. Letztlich kann unser Angebot nur erfolgreich sein, wenn es mit dem Rest von Europa verbunden ist.

Wir müssen also sicherstellen, dass unsere Standards und Kapazitäten mit der europäischen PSD2-Richtlinie und dem Open Banking in Grossbritannien verbunden werden. Vielleicht gibt es künftig auch neue, globale Standards.

Apropos Europa: Glauben Sie, dass das Problem der Börsen-Äquivalenz gelöst werden kann?

Ich will nicht in die Rolle eines Politikers schlüpfen. Aber ich habe keine grossen Hoffnungen, dass die Situation in absehbarer Zeit gelöst wird. Es muss eine Abkühlungsphase geben, bevor sich die beiden Parteien wieder an den Verhandlungstisch setzen.

Wie sieht es bis dahin aus?

Wir unterstützen den Bundesrat in seiner Absicht, die Notmassnahmen in das ordentliche Recht zu überführen. Aber sehr vereinfacht gesagt, ist dieses Problem bereits gelöst. Die 30 Prozent Marktanteil im Handel mit EU-Aktien vor dem Ende der Äquivalenz lagen vor allem im Geschäft mit Grossbritannien.

«Einige Finanzinstitute überlegen sich, Kreditbücher in Token zu verwandeln»

Die gegenseitige Anerkennung zwischen der Schweiz und Grossbritannien entstand kurz nach dem Austritt des Königreichs aus der EU. Wir haben jetzt fast wieder den gleichen Marktanteil.

Sie haben kürzlich das erste Produkt auf der Digitalbörse SDX lanciert – eine digitale Unternehmensanleihe von der SIX selber. Wie geht es jetzt weiter?

Wir sehen eine grosse Nachfrage nach solchen Anleihen, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. Es gibt auch Diskussionen über Aktien und Strukturierte Produkte. Einige Finanzinstitute überlegen sich, ob sie Kreditbücher und andere Dinge, die in ihrer Bilanz stehen und normalerweise nicht an Börsen gehandelt werden, in Token umwandeln.

Welche Lehren haben Sie aus dem verzögerten Start der SDX gezogen?

Die Komplexität der ursprünglichen Idee wurde mit der Zeit für uns immer grösser. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Nachfrage nach diesen digitalen Vermögenswerten und die Bereitschaft der Banken, in diese zu investieren, etwas hinterherhinken. Und dann dauerte der ganze Bewilligungsprozess bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) länger, weil wir alle Neuland betraten.

«Wahrscheinlich werden wir in Asien zuerst auf Kryptowährungen setzen»

Die Zusammenarbeit mit der Finma war im Übrigen sehr konstruktiv. Ich wäre zwar gerne schon vor einem Jahr live gewesen. Aber wir sind immer noch die weltweit ersten, die eine sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckende und voll regulierte digitale Börse aufgebaut haben.

Wie geht es mit ADX weiter, Ihrer asiatischen Digitalbörse?

Wahrscheinlich werden wir dort zuerst auf Kryptowährungen setzen und dann auf den Rest der digitalen Vermögenswerte. In Asien ist die Beteiligung an Kryptowährungen sowohl bei institutionellen als auch bei Kleinanlegern viel grösser.

Wie viel von Ihrem Geschäft wird künftig von den digitalen Börsen her kommen?

Das ist nicht nur ein Hobby. Wir gehen davon aus, dass die digitalen Börsen in Zukunft ein wesentlicher Teil unseres Geschäfts sind. Es gibt Prognosen im dreistelligen Bereich, die wir erreichen wollen.


Jos Dijsselhof ist seit drei Jahren CEO der Schweizer Börsenbetreiberin SIX. Der 56-jährige Niederländer läutete dort mit der SDX, einer auf der Blockchain basierenden Börse, eine Phase der Expansion in Europa und im Bereich der digitalen Vermögenswerte ein. Im vergangenen Jahr erwarb die SIX die Madrider Börse Bolsas y Mercados Españoles (BME) sowie die Datenunternehmen Orenda und Ultimus. Zuvor war Dijsselhof operativer Leiter der europäischen Mehrländer-Börse Euronext und arbeitete für die australische Bank ANZ und sowie für die niederländische Grossbank ABN Amro.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.47%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.79%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.05%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.05%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.64%
pixel