Im Vincenz-Prozess schreitet die Staatsanwaltschaft zum Plädoyer. Dabei sind als erstes die Stripclub-Besuche des ehemaligen Raiffeisen-Chefs zur Sprache gekommen – und ein überraschender Verweis auf die Derivate-Spezialistin Leonteq.

Nach der Beweisaufnahme der letzten eineinhalb Prozesstage eröffnete die Staatsanwaltschaft am Mittwoch die Anhörung der Parteien vor dem Zürcher Bezirksgericht. In ihrem Plädoyer stellten die Ankläger dabei die Vorwürfe auf den Kopf.

Sie begannen mit den weniger schwerwiegenden, dafür umso publikumswirksameren Vorwürfen rund um die mutmasslich unberechtigten Spesenbezügen von Pierin Vincenz und des anderen Hauptbeschuldigten, Beat Stocker.

In diesem Zusammenhang wird dem früheren Raiffeisen-Chef Vincenz und dem Ex-Aduno-CEO Stocker Veruntreuung vorgeworfen.

«Tour de Suisse durch das Rotlichtmilieu»

Die Angeklagten bestreiten diese Vorwürfe, ebenso wie die Beschuldigungen im zentralen Komplex um fünf Firmentransaktionen – die «trockene Materie», wie es Chefankläger Marc Jean-Richard-dit-Bressel im zweiten Teil des Plädoyers bezeichnete.

In diesem Zusammenhang wirft die Zürcher Staatsanwaltschaft Vincenz und Stocker ungetreue Geschäftsbesorgung, gewerbsmässiger Betrug und Urkundenfälschung sowie passive Bestechung vor. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

In der Folge kamen am Mittwochnachmittag gleich zu Anfang die Besuche von Vincenz in Stripclubs und Cabarets zur Sprache. Diese Etablissements habe der Ex-Raiffeisen-Banker «mit schöner Regelmässigkeit» besucht und dabei mit der Firmen-Kreditkarte bezahlt – eine «Tour de Suisse durch das Rotlichtmilieu» sei das gewesen, befand die Staatsanwaltschaft.

Bei Leonteq Cabaret-Besuch zurückbezahlt

Dass dies nicht im Geschäftsinteresse von Raiffeisen gelegen habe, versuchte die Anklage mit einem bisher nicht gehörten Vergleich zu untermauern: Bei der Derivatespezialistin Leonteq, bei der Vincenz von 2016 bis 2017 als Präsident amtete, habe dieser ebenfalls mit der Firmen-Kreditkarte für einen Cabaret-Besuch bezahlt. Dies sei aber bei der internen Prüfung bei Leonteq sofort aufgefallen und beanstandet worden; Vincenz zahlte darauf die Ausgaben an die Finanzfirma zurück.

Bei Leonteq gelte, so wissen die Staatsanwälte weiter, eine «No adult entertainment»-Regel in Zusammenhang mit Firmeneinladungen.

Ahnungsloser Raiffeisen-Präsident

Bei Raiffeisen blieben solche Ausflüge der Anklage zufolge aber unter dem Radar des damaligen Präsidenten Johannes Rüegg-Stürm, der die Spesenrechnungen seines CEO Vincenz absegnete. Dieser wollte bei der Einvernahme nichts von Vincenz' Abstechern in Stripclubs gewusst haben.

Dem widersprach Vincenz allerdings in der Befragung vor dem Bezirksgericht: Bei der Raiffeisen-Zentrale in St. Gallen habe gar in Absprache mit der externen Revision eine Regelung bestanden, Cabaret-Besuche als «Nachtessen» abzubuchen.

Auf eigene Faust Schaden angerichtet?

Rechtlich habe dieses Argument aber kein Gewicht, fanden die Ankläger. Bei der Belastung der Firmen-Kreditkarten und der Belastung der CEO-Kostenstelle habe der Beschuldigte Vincenz so auf eigene Faust Schaden anrichten können, die wahre Natur der Belastung habe vom Unternehmen kaum erkannt werden können.

Ausgaben in Cabarets, Reisen auf Firmenkosten – dies habe der frühere Bankchef nach Überzeugung der Anklage vorab zu seinem privaten Vergnügen und persönlichen Neigungen unternommen.

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