Jede Krise bringt Gewinner hervor. Während marode Krypto-Unternehmen nun untergehen, schauen sich einige Branchengrössen nach geeigneten Übernahmekandidaten um. 

Am Kryptomarkt bewahrheitet sich eine alte Börsenweisheit: «Erst wenn die Flut verschwindet, sieht man, wer nackt gebadet hat.» Krypto-Unternehmen, die im jüngsten Boom ein fragwürdiges Geschäftsmodell verfolgt oder schlecht gewirtschaftet haben, sind jetzt vom Untergang bedroht. Und nach dem Crash am Markt für Krypto-Währungen zeigt sich auch immer klarer: Im Krypto-Winter ist Cash Trumpf.

Solid aufgestellte Krypto-Firmen gehen nun auf Einkaufstour, bauen Partnerschaften aus oder stellen neue Mitarbeiter ein. Mehrere Branchengrössen nutzen bereits die Preisabschläge, um ihre Unternehmen für die Zukunft zu rüsten und zu stärken.

Licht und Schatten

Die Gegensätze in der Krypto-Welt haben sich übers Wochenende besonders deutlich gezeigt. So erweitert etwa die Kryptobörse OKX ihre Partnerschaft mit Manchester City und wird ab der Saison 2022-23 beim englischen Meister der Premier League Sponsor der Trainingstrikots. Während OKX sich im internationalen Spitzenfussball sonnt, hat der von der Insolvenz bedrohte Krypto-Kreditgeber Celsius neue Anwälte (Artikel bezahlpflichtig) an die Spitze seines Umstrukturierungssprozesses berufen.

Celsius war Anfang Juni in Schwierigkeiten geraten und hatte die jüngste Kurslawine am Markt für Krypto-Währungen losgetreten. Beim Bitcoin etwa schlug sich der Crash der digitalen Vermögenswerte in der bislang schlechtesten Halbjahresperformance in seiner noch jungen Geschichte nieder. Als einer der grössten Lending-Dienste stoppte Celsius Auszahlungen und Überweisungen zwischen Konten – und signalisierte damit die gegenwärtige Vertrauens- und Liquiditätskrise in der Krypto-Branche.

Deren bislang bekanntestes Opfer war der Hedge Fonds Three Arrows Capital. Der 2012 durch einen ehemaligen Händler der Credit Suisse gegründete Fonds war einer der grössten Risikokapitalgeber in der Krypto-Industrie. Investiert hatte 3AC unter anderem in namhafte Projekte wie Solana, Avalanche oder Axie Infinity.

Nexo auf Einkaufstour

Das Ausmass der Krypto-Krise ist noch nicht in seiner ganzen Tragweite überschaubar. Aber jede Markbereinigung durch Insolvenzen oder Übernahmen, so schmerzhaft sie auch ist, bietet letztlich Chancen. So steht dieser Tage der in Zug registrierte Krypto-Kreditgeber Nexo auf der Käuferseite. Letzte Woche vereinbarte er die Übernahme des in Singapur ansässigen Branchennachbars Vauld, ein Opfer der sich in der Krypto-Welt verschärfenden Kredit-Krise. Nexo wollte ursprünglich schon Celsius retten. Ein Deal kam bis jetzt aber nicht zustande.

Einem Gespräch mit dem Branchenportal «FN London» (Artikel bezahlpflichtig) zufolge sagte Mitbegründer Antoni Trenchev, Nexo arbeite mit zwei Wall-Street-Banken zusammen und sei in Gesprächen mit mehreren anderen Unternehmen über mögliche Geschäfte. Der kniffligste Teil sei es, herauszufinden, welche Unternehmen gerettet werden können.

«Noch ein paar Milliarden»

Bereits aktiv war Sam Bankman-Fried, Gründer der US-Krypto-Börse FTX. Im Juni schloss FTX einen Vertrag mit dem Kreditgeber BlockFi ab, der eine Option auf den Kauf des Unternehmens für bis zu 240 Millionen Dollar beinhaltete. Sein Handelsunternehmen Alameda Research erwarb eine Minderheitsbeteiligung an dem inzwischen bankrotten Unternehmen Voyager Digital. Und letzte Woche erst meinte der 30jährige Milliardär gegenüber «Reuters», dass FTX noch «ein paar Milliarden» zur Verfügung habe, um anderen Unternehmen zu helfen, die mit einem Bein im Grab stehen.

Auch die gemessen am Handelsvolumen weltgrösste Krypto-Börse, Binance, ist jetzt auf Beutezug. «Wir sehen, dass eine Reihe von Unternehmen insolvent sind, aber im Grossen und Ganzen ist es eine kleine Anzahl», erklärte Changpeng Zhao, Gründer der Krypto-Börse Binance vor kurzem gegenüber «Yahoo Finance Live». Zhao, der in der Branche als «CZ» bekannt ist, stellte in Aussicht, dass Binance derzeit «50 bis 100 Deals im Auge hat.»

Justin Sun, der CEO von Tron, erklärte wiederum gegenüber «The Block», dass er bereit sei, 5 Milliarden Dollar auszugeben, um angeschlagenen Krypto-Unternehmen zu helfen. Allerdings ist der umstrittene Krypto-Star nie verlegen um Medienschlagzeilen.

Rückläufige Transaktionen

Trotz dieser Beispiele blickt die Industrie einem harschen Krypto-Winter entgegen. So hat sich die Anzahl der Transaktionen im Krypto-Sektor weiter verlangsamt. Fusionen und Übernahmen bildeten sich im zweiten Quartal zurück, da sich die Bedingungen verschlechterten. Im April gab es gemäss PitchBook 23 M&A-Deals. Im Mai waren es 20, im Juni 17. Auch die Risikokapitalfinanzierung liess nach. PitchBook zufolge fiel die Anzahl Abschlüsse von 249 im April auf noch 157 im Juni.