Jian Shi Cortesi beschreibt in ihrem Beitrag auf finews.first die Treiber und die wahrscheinlichen Nutzniesser für den in diesem Jahren erwarteten Wiederanstieg des Konsums in China.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Mit dem chinesischen Neujahrsfest – dem ersten in China seit 2019 ohne Covid-Beschränkungen – endete das Jahr des Tigers und begann unlängst das Jahr des Hasen. Gleichzeitig hat die Lockerung der chinesischen Null-Covid-Politik der chinesischen Wirtschaft und den Märkten für den Rest des Jahres 2023 einen lang erwarteten Aufschwung beschert. Wir fühlen uns an ein anderes Kaninchen erinnert – das weisse Kaninchen aus dem Kinderbuchklassiker Alice im Wunderland, das sich ängstlich aufregt: «Oh je! Oh je! Ich werde zu spät kommen!»

Anleger, die gesehen haben, wie sich der chinesische Markt und die in China notierten Aktien seit vergangenem November deutlich erholt haben, teilen vielleicht das Gefühl, die chinesische Erholung «verpasst» zu haben. Doch der bevorstehende Aufschwung des chinesischen Konsums dürfte noch lange nicht in den Aktienkursen chinesischer Aktien oder globaler Aktien mit einem erheblichen China-Konsumanteil (einschliesslich Luxusaktien) eingepreist sein, da davon auszugehen ist, dass Tempo und Ausmass der Nachfrageerholung die derzeitigen Markterwartungen übertreffen werden.

«Wo stehen wir jetzt?»

Covid, die Omicron-Variante, hat sich rasend schnell in China ausgebreitet, seit das Land im Dezember 2022 seine ersten Schritte zur vollständigen Wiedereröffnung unternommen hat. Im städtischen China, in dem zwei Drittel der Chinesen leben, scheint es sich erschöpft zu haben, bevor das chinesische Neujahrsfest wahrscheinlich eine weitere Welle in den ländlichen Gebieten auslöste, deren Ende die «Rückkehr zum normalen Leben» nach drei Jahren markieren soll.

In den Grossstädten ist bereits eine deutliche Erholung des Verkehrs zu beobachten. Die Mobilität innerhalb der Städte hat fast wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, und die Nachfrage nach Reisen innerhalb Chinas ist während der Neujahrsfeiertage deutlich gestiegen.

«Wohin geht die Reise?»

Auch wenn die Lockerung der Covid-Beschränkungen in China nicht immer reibungslos verläuft, wird bereits jetzt festgestellt, dass sich die Wiedereröffnung Chinas deutlich positiv auf die Binnenwirtschaft auswirkt, da die aufgestaute Nachfrage zum Frühlingsfest entfacht wird. Selbst Menschen, die über die Feiertage nicht verreisten, haben in diesem Jahr wahrscheinlich mehr Geld für einheimische Waren und Dienstleistungen ausgegeben als in den Vorjahren, da der Einzelhandel, die Gastronomie und die Unterhaltungsbranche ohne Einschränkungen nun arbeiten können.

In den USA und in Europa beispielsweise war die Wiedereröffnung durch einen allmählichen Umschwung der Ausgaben weg von Waren hin zu Dienstleistungen (wie Freizeitgestaltung, Essen ausser Haus) gekennzeichnet – wobei letztere für die Verbraucher während des «Lockdown» nicht in Frage kamen. Wie im Westen wird das Pendel in nächster Zeit wahrscheinlich wieder stark vom Online- zum stationären Handel zurückschwingen, da die Verbraucher die Freude am Einkaufen in Geschäften und an Offline-Unterhaltung und -Erlebnissen wiederentdecken. Nach jüngsten Umfragen sind die drei wichtigsten Aktivitäten, an denen chinesische Verbraucher nach Covid teilnehmen möchten, Reisen, Essen gehen und Bewegung im Freien.

«Erholung mit chinesischen Merkmalen»

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den chinesischen und den amerikanischen Haushalten besteht darin, dass die chinesischen Haushalte in der Vergangenheit hohe Sparquoten aufwiesen – im Bereich von 30 Prozent und mehr im Vergleich zu 5-6 Prozent in den USA, sogar vor der Pandemie, bevor sie auf einen Rekordwert von 38 Prozent im Jahr 2020 anstiegen.

Die chinesischen Verbraucher gehen nun mit starken Haushaltsbilanzen in die Wiedereröffnung. Die in den vergangenen drei Jahren unter dem Trend liegende Konsumtätigkeit (aufgrund geringerer Mobilität und einer vorsichtigen Verbraucherstimmung) hat zu einem grossen Überschuss an Ersparnissen geführt. Die Schätzungen, mit denen versucht wird, die Höhe der überschüssigen Ersparnisse zu quantifizieren, variieren je nach Quelle stark und liegen zwischen 4-10 Billionen Renminbi oder 6-12 Prozent des BIP, die in überschüssigen Ersparnissen stecken.

«Die politischen Rahmenbedingungen sehen konsumfördernd aus»

Es ist sinnvoll, sich daran zu erinnern, dass das Phänomen der «Racheausgaben» erstmals 2020 in China auftrat – nachdem China in der ersten Phase der Pandemie als «First in, First out» galt, was dazu führte, dass die Konsumenten nach dem Ende des «Lockdown» in einer Welle der Euphorie viel Geld ausgaben. Diesmal besteht der Unterschied darin, dass die Konsumenten (fast) drei Jahre lang überschüssige Ersparnisse angehäuft haben, während es im Jahr 2020 nur drei Monate waren, so dass sich ein noch grösserer Nachholbedarf aufgestaut hat.

Auch die politischen Rahmenbedingungen sehen konsumfördernd aus. Gemäss den «Strategischen Leitlinien des chinesischen Staatsrats zur Ausweitung der Inlandsnachfrage 2022-2035» wird die Regierung weiterhin den traditionellen Konsum wie Wohnen und Autos fördern und gleichzeitig den Konsum von Dienstleistungen wie Tourismus, Sport, Kinderbetreuung und Altenpflege energisch ausbauen.

Jüngste Äusserungen zum «gemeinsamen Wohlstand» betonen weiterhin den expansiven Charakter der Politik für alle und nicht die Umverteilung von Einkommen, mit dem Ziel, die Grösse der chinesischen Mittelschicht bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts auf 800 Millionen zu verdoppeln.

«Wer profitiert von der Wiedereröffnung Chinas?»

Als voraussichtliche Nutzniesser haben wir den wahrscheinlichen Aufstieg des Offline-Geschäfts im Vergleich zu Online sowie den Nachholbedarf für das Essen ausser Haus und den physischen Einzelhandel ausgemacht. Wir gehen davon aus, dass chinesische Unternehmen, die im Bereich der diskretionären Ausgaben tätig sind – die durch die Ersparnisse der Haushalte unterstützt werden – besonders profitieren werden, wie Hotels, Fluggesellschaften, Filme, Restaurants, Sportbekleidung und Kosmetika.

Es ist zu erwarten, dass globale Luxusmarken erheblich von der anhaltenden Wiederbelebung des internationalen chinesischen Tourismus, der Rückkehr des «Wohlfühlfaktors» unter den Konsumenten sowie der Verschiebung der Ersparnisse der privaten Haushalte in Richtung höherer Einkommensgruppen, die die Zielkunden dieser Marken sind, profitieren werden. Es ist festzustellen, dass neben der aktuellen Welle der Wiedereröffnung die strukturellen Trends, die das Verbraucherpotenzial Chinas antreiben – nämlich die Vergrösserung der Mittelschicht sowie das «Verbraucher-Upgrade» (Trading Up) – intakt und unterstützend bleiben.

China ist nach wie vor ein dynamisches und spannendes Verbraucherthema für globale Investoren, und aktive Anleger verfolgen die laufenden Entwicklungen auf diesem Markt und die Auswirkungen auf deren Anlagen aufmerksam. Denn wie Alice aus «Alice im Wunderland» selbst sagt: «Ich könnte Euch meine Erlebnisse von heute früh an erzählen, aber bis gestern zurück zu gehen, wäre ganz unnütz, weil ich da jemand Anderes war.»


Jian Shi Cortesi ist Investment Director, Mitglied des Global Growth Equity Teams und verwaltet chinesische und asiatische Aktienfonds. Bevor sie im Mai 2010 zu GAM Investments stiess, arbeitete sie im Research und Portfoliomanagement für asiatische Aktien bei einer Vermögensverwaltungsfirma in den USA. Sie begann ihre Karriere als Redaktionsassistentin bei Dow Jones in Peking. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in International Business von der Beijing Foreign Studies University in China und einen MBA von der University of Tennessee, USA. Sie ist CFA-Charterholderin und Certified FRM (Financial Risk Manager).


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Gilles Prince, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Thomas Stucki, Neil Shearing, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Vega Ibanez, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Philip Adler, Ramon Vogt, Andrea Hoffmann, Niccolò Garzelli, Darren Williams, Benjamin Böhner, Mike Judith, Jared Cook, Henk Grootveld, Roman Gaus, Nicolas Faller, Anna Stünzi, Thomas Höhne-Sparborth, Fabrizio Pagani, Ralph Ebert, Guy de Blonay, Jan Boudewijns, Sean Hagerty, Alina Donets, Sébastien Galy, Roman von Ah, Fernando Fernández, Georg von Wyss, Beat Wittmann, Stefan Bannwart, Andreas Britt, Frédéric Leroux, Nick Platjouw, Rolando Grandi, Philipp Kaupke, Gérard Piasko, Brad Slingerlend, Dieter Wermuth, Grégoire Bordier, Thomas Signer, Brigitte Kaps, Gianluca Gerosa, Michael Bornhäusser, Christine Houston, Manuel Romera Robles, Fabian Käslin, Claudia Kraaz, Marco Huwiler, Lukas Zihlmann, Nadège Lesueur-Pène, Sherif Mamdouh, Harald Preissler, Taimur Hyat, Philipp Cottier, Andreas Herrmann, Camille Vial, Marcus Hüttinger, Ralph Ebert, Serge Beck, Alannah Beer, Stéphane Monier, Ashley Semmens, Lars Jaeger, Ha Duong, Claude Baumann, Andrew Isbester, Shanna Strauss-Frank, Teodoro Cocca, Bertrand Binggeli, Marionna Wegenstein und George Muzinich.     

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