Die nominale Aktienmarkt-Performance dürfte im Mittel der nächsten zehn Jahre in den Industriestaaten bei 1 bis 2 Prozent p.a. liegen – und damit auf Augenhöhe mit den aktuell erzielbaren Renditen am Anleihenmarkt», schreibt Harald Preissler in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Rund um den Globus steigen die Konsumentenpreise in atemberaubendem Tempo. In diesem Monat könnten sogar zweistellige Werte erreicht werden.

Auch wenn der Inflationsgipfel im Herbst durchschritten sein sollte, ist mit einer baldigen Rückkehr in die alte Komfortzone (<2 Prozent) nicht zu rechnen. Selbst dann nicht, wenn die Sondereffekte, etwa die explodierenden Energiepreise, irgendwann einmal auslaufen. Denn im Hintergrund haben strukturelle Auftriebskräfte begonnen, ihre unheilvolle Wirkung zu entfalten. Neben der demografisch bedingten Verknappung von Arbeitskräften sind dies vor allem die Kosten der Energiewende sowie die im Verbund damit steigenden Preise für Industriemetalle.

«Nicht wenige Anleger ziehen daraus den fatalen Schluss, Anleihen seien eine toxische Asset-Klasse»

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Wandel im Inflationsklima für das Asset Management? Zuvorderst betroffen sind die Anleihenmärkte, über die im ersten Halbjahr 2022 ein regelrechter Tsunami hinweggefegt ist. Die Zinsen schossen im Sog der Neubewertung der Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks so stark wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.

Nicht wenige Anleger ziehen daraus den fatalen Schluss, Anleihen seien eine toxische oder – schlimmer noch – eine tote Asset-Klasse, die in einem Multi-Asset-Portfolio keinen Raum mehr verdient habe. Vielmehr sei der Anlageschwerpunkt künftig noch stärker auf Aktien zu legen, weil diese mit einer zu erwartenden Durchschnittsperformance von 7 Prozent auch gegen eine dauerhaft höhere Inflation punkten könnten.

«Anleihen sind daher alles andere als tot»

Klingt gut, ist aber eine Milchmädchenrechnung. Denn sollten die Inflationsraten dereinst wieder einmal sinken und/oder sich die Konjunktur nachhaltig abschwächen, was mit Blick auf die nächsten zwölf Monate durchaus realistisch erscheint, werden die Anleihenmärkte einen namhaften Teil der eskomptierten Leitzinserhöhungen auspreisen.

Die Renditen würden folglich sinken und die Anleihenkurse steigen. Bei 10-jährigen US-Treasuries sind im Fall einer normalen wirtschaftlichen Abkühlung Kursgewinne von 15 bis 20 Prozent zu erzielen. Umgekehrt würden die Aktienkurse in diesem Umfeld im Mittel um 20 bis 30 Prozent sinken. Den stabilisierenden Effekt von Anleihen im Fall einer Krise kann man daher gar nicht hoch genug bewerten. Anleihen sind daher alles andere als tot.

«Das sind alarmierende Zahlen»

Damit aber nicht genug. Mit Blick nach vorn droht gleichzeitig die Aktienrendite deutlich an Flughöhe zu verlieren. So werden die Gewinnmargen durch strukturell steigende Zins- und Rohstoffkosten ebenso belastet, wie vom Zwang zu höheren Lagerbeständen. Auch die nachhaltige Verteuerung von Arbeitskräften infolge der ungünstigen demografischen Entwicklung treibt die Kosten in die Höhe. Zu guter Letzt zeichnet das im Trend rückläufige Produktivitätswachstum eine schwächere Expansion der Unternehmensgewinne vor.

In Anbetracht dessen dürfte die nominale Aktienmarkt-Performance im Mittel der nächsten zehn Jahre in den Industriestaaten allenfalls bei 1 bis 2 Prozent p.a. liegen – und damit auf Augenhöhe mit den aktuell erzielbaren Renditen am Anleihenmarkt.

Im Klartext bedeutet das: Nach Abzug einer zu erwartenden jährlichen Inflationsrate von 3 Prozent auf Sicht der nächsten zehn Jahre kumuliert sich der reale Vermögensverlust eines passiven Wertpapierportfolios auf 10 bis 20 Prozent – das sind alarmierende Zahlen.

«Das war einmal»

Mehr denn je kommt es daher auf einen aktiven Mix sämtlicher Anlagesegmente sowie die Selektion der richtigen Themen und Titel an. Potenzial gibt es vor allem bei schwer ersetzbaren Geschäftsmodellen mit stabilen Margen und hoher Preissetzungsmacht. Diese finden sich vornehmlich in den Bereichen Infrastruktur, Energiewende, Urbanisierung, Gesundheit sowie bei digitalen Disruptoren. Unternehmen dieser Branchen weisen im Mittel nicht nur eine höhere Innovationskraft auf, sie sind darüber hinaus weniger anfällig gegenüber höherer Inflation – und sie können davon sogar profitieren.

Was sich für Anleger hingegen nicht auszahlen wird, ist eine pauschale Absage an Anleihen zugunsten einer indexnahen Konzentration auf Aktien. Die Quittung dafür werden eine massiv höhere Volatilität sowie schmerzhafte Draw-Downs sein. Die goldenen Zeiten, in denen es reichte, einfach in den Gesamtmarkt zu investieren, um eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, sind definitiv vorbei. Einfach – das war einmal.


Harald Preissler ist Vizepräsident des Verwaltungsrats der Bantleon AG in Zürich und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bantleon Invest GmbH in Hannover. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg mit den Schwerpunkten Geldpolitik, Konjunktur- und Wachstumstheorie, mathematische Wirtschaftstheorie sowie empirische Wirtschaftsforschung arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Würzburg und Ulm. Noch während seiner Promotion zum Dr. rer. pol. begann er 1999 als Senior Analyst bei der Bantleon Bank (heute Bantleon AG) in der Schweiz.


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