Kryptowährungen sind zu gross geworden, um sie zu ignorieren. Doch für institutionelle Investoren sind sie keine sinnvolle Anlagemöglichkeit, schreibt Taimur Hyat in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Auf der technologischen Ebene stellen Kryptowährungen aufgrund ihrer Verbindung von Distributed-Ledger-Technologie und Kryptographie einen echten Durchbruch dar. Allerdings erlebten die Krypto-Märkte nach einem länger andauernden Boom jüngst einen heftigen Crash. Aus Anlegersicht sprechen kaum Argumente dafür, dass Kryptowährungen sinnvolle Anlagemöglichkeiten bieten.

Seit der Einführung von Bitcoin im Jahr 2008 wurden Tausende weiterer Kryptowährungen und digitaler Tokens geschaffen. Keine davon gleicht der anderen, da bei all diesen Währungen und Tokens Designentscheidungen in vier Dimensionen getroffen werden: Dezentralisierung, Sicherheit, Skalierbarkeit und Stabilität. Somit stellt jede Kryptowährung einen einzigartigen Kompromiss zwischen diesen vier Elementen dar.

«Bitcoin erfüllt nicht einmal die grundlegenden Funktionen einer Währung»

Zwar mag es sein, dass einige wenige Kryptowährungen ihre Existenz am Rande des Geldsystems behaupten werden. Dennoch ist es höchst unwahrscheinlich, dass Kryptowährungen gesetzliche und sonstige Zahlungsmittel weltweit auf breiter Front ersetzen werden. Dagegen sprechen die zunehmende aufsichtsrechtliche Regulierung und die wachsenden Aussichten auf digitale Zentralbankwährungen. Letztere bieten die funktionalen Vorteile von Stablecoins (an gesetzliche Zahlungsmittel gebundene Kryptowährungen), jedoch ohne dabei ein Liquiditäts- oder Kreditrisiko einzugehen.

So erfüllt beispielsweise Bitcoin, die erste und immer noch verbreitetste Kryptowährung, nicht einmal die grundlegenden Funktionen einer Währung. Eine Währung muss als stabiler Wertspeicher dienen können, zumindest über kurze Zeiträume. Die dramatischen Kursschwankungen vieler Kryptowährungen sprechen hier jedoch eine andere Sprache. Es ist bezeichnend, dass nach über zwölf Jahren nur wenige kommerzielle Unternehmen Bitcoin oder andere Kryptowährungen als Zahlungsmittel akzeptieren.

«Das war anfangs auch tatsächlich der Fall»

Diese Situation wird sich wahrscheinlich auch nicht so bald ändern, da Bitcoin im Vergleich zu herkömmlichen Zahlungssystemen sowohl bei der maximalen Transaktionsgeschwindigkeit als auch in Bezug auf die Kosteneffizienz schlecht abschneidet. In der Zeit, die Bitcoin für eine einzige Transaktionen braucht, kann etwa Visa mehr als 740 Vorgänge abschliessen.

Auch die grundlegende Funktion einer Recheneinheit erfüllt Bitcoin nicht. Zwar akzeptieren einige Unternehmen Bitcoin als Zahlungsmittel, aber nur sehr wenige legen den Preis ihrer Produkte auch in Bitcoin fest – ausserhalb der digitalen Welt fällt diese Zahl noch einmal deutlich geringer aus. Bitcoin versprach Unabhängigkeit von allgemeinen makroökonomischen Faktoren, und damit eine geringere Korrelation zu anderen Anlageklassen. Das war anfangs auch tatsächlich der Fall. Seit 2020 lässt sich jedoch eine zunehmende Korrelation zu anderen Anlagewerten beobachten. Somit eignet sich Bitcoin nur bedingt zur Diversifikation eines institutionellen Portfolios.

Die Knappheit des Bitcoin-Angebots und seine Unabhängigkeit von Regierungen und Institutionen könnten dafürsprechen, dass Bitcoin Schutz vor Inflation bietet. Allerdings hat sich in der ersten Phase erhöhter Inflation seit Einführung der Kryptowährung gezeigt, dass Bitcoin seinen Wert nicht gut halten konnte. Insofern trifft auch dieser vermeintliche Vorteil nicht zu.

«Bitcoin ist weit CO2-intensiver als andere Zahlungsnetzwerke»

In einer Anfangsphase generierte Bitcoin zwar bemerkenswerte risikobereinigte Renditen, seit 2018 weist er aber eine Sharpe Ratio auf, die jener von Aktien und Anleihen ähnelt. In Anbetracht der Häufigkeit und Schwere der Rückschläge und der geringen risikobereinigten Renditen gibt es daher keine zwingenden Argumente für eine direkte Anlage in Bitcoin.

Ein weiteres Argument lautet, dass Bitcoin ein «Safe Haven Asset» ist. Die bewusste Entkoppelung der Kryptowährung von Finanzinstitutionen, Zentralbanken und Geldentwertung lässt so manchen Marktteilnehmer glauben, Bitcoin sei «digitales Gold» und würde seinen Wert in turbulenten Zeiten halten. Während des coronabedingten Markteinbruchs Anfang 2020 zeigte sich aber ein anderes Bild – der Bitcoin kam stark unter Druck, während Gold seinen Wert durchgehend halten konnte.

Hinzu kommt, dass für auf Nachhaltigkeit bedachte Anleger Kryptowährungen in mehrerlei Hinsicht problematisch sind. Bitcoin ist weit CO2-intensiver als andere Zahlungsnetzwerke – auch wenn Kryptowährungen laufend Protokolle entwickeln, um energieeffizienter zu werden. Sie werfen aber auch beim Thema Governance Bedenken auf, gerade weil die Anonymität der Transaktionen sie zu einem bevorzugten Instrument für illegale Aktivitäten macht – etwa zur Umgehung von Sanktionen.

«Das Blockchain-Ökosystem bietet langfristigen Anlegern eine ganze Reihe interessanterer Möglichkeiten»

Zusammengefasst gibt es aktuell keine guten Argumente für direkte Investitionen in Kryptowährungen. Die einzige Ausnahme sind Hedgefonds-Strategien, die Ineffizienzen in den von Kleinanlegern und von Momentum dominierten Märkten ausnutzen. Aber im Gegensatz zum direkten Besitz von Kryptowährungen bietet das breitere Blockchain-Ökosystem langfristigen Anlegern eine ganze Reihe interessanter Möglichkeiten.

Blockchains sind ein äusserst sicheres und robustes System zur Verifizierung und Dokumentierung von Transaktionen. So werden Distributed-Ledger-Technologie und intelligente Verträge im Rahmen von privaten Anwendungen bereits in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Logistik und Supply-Chain-Management eingesetzt.

«Langfristige Wertschöpfung wird sich nicht durch den direkten Besitz von Kryptowährungen erzielen lassen»

Auch der Infrastrukturbereich birgt ein gewaltiges Innovationspotenzial mit enormen Möglichkeiten zur Bewältigung bestehender Herausforderungen und Hindernisse. Unternehmen, die Probleme in den Bereichen Interoperabilität, Due Diligence und Betrugsprävention lösen, könnten sich als First Mover in der neuen Welt der digitalen Vermögenswerte und der digitalen Zentralbankwährungen positionieren.

Die Tokenisierung eröffnet einfachere und kosteneffizientere Wege zur Verwaltung und Übertragung von Vermögenswerten und Anlagen. Wenn die rechtlichen, steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen geklärt sind, wird diese Technologie die Friktionskosten im gesamten Finanzdienstleistungsbereich erheblich senken und vielleicht sogar existierende Märkte für illiquide Vermögenswerte revolutionieren.

Langfristige Wertschöpfung wird sich nicht durch den direkten Besitz von Kryptowährungen erzielen lassen, sondern vielmehr durch die Anwendung von Blockchain-Technologien.


Taimur Hyat ist der Chief Operating Officer (COO) von PGIM. Er kam vom Credit Suisse Asset Management (CSAM) zu PGIM, wo er als Global Head of Strategy & Product Development sowie als Mitglied des Operating Committee tätig war. Vor seiner Tätigkeit bei der CS war er Leiter der Abteilung Joint Ventures und Americas Strategy bei Lehman Brothers. Zu Beginn seiner Karriere war er Partner bei McKinsey in New York. Er promovierte in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oxford, wo er auch als Dozent für Wirtschaftswissenschaften am St John's College tätig war.


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Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.27%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.75%
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