Für Jürg Haller ist die Schweiz ist der weltbeste Standort, um Private Banking zu betreiben. Gerade angesichts von Konflikten erscheine das Land ausländischen Kunden als sicherer Hafen, sagt der Präsident der Privatbank J. Safra Sarasin zu finews.ch.


Herr Haller, die Privatbank J. Safra Sarasin profitierte 2021 von einem exzellenten Umfeld für die Vermögensverwaltung. Doch jetzt trübt sich das Geschäft gleich an mehreren Fronten ein – sehen Sie das auch so?

Positiv würde ich werten, dass Konsumenten und auch die Industrie gelernt haben, mit Corona zu leben, und dass China als weltweiter Wachstumsmotor kaum an Zugkraft eingebüsst hat. Hingegen ist es wohl so, dass manche Notenbank vom schnellen Anstieg der Inflation überrascht worden ist und die Zinsen erhöhen möchte – und nun sehen wir die geopolitischen Spannungen um die Ukraine und Russland. Diese haben sowohl für die Realwirtschaft wie auch für die Finanzmärkte Konsequenzen.

In Bezug auf Russland rollt eine Sanktionswelle heran, der die Schweizer Privatbanken mit ihrem internationalen Geschäft ausgesetzt sind. Wie stark ist die von Ihnen präsidierte Bank betroffen?

Bezüglich möglicher Sanktionen können wir nicht voraussehen, wie sich die Lage noch entwickelt. Es lässt sich einzig sagen, dass wir den Weisungen des Schweizer Bundesrats und der Behörden naturgemäss folgen werden. Derweil verfolgen wir für unsere Kunden eine Anlagepolitik, welche die gestiegenen geopolitischen Risiken reflektiert.

Diverse Privatbanken mussten wegen des rapiden Kurszerfalls die Bewertung russischer Wertschriften in den Portefeuilles von Kunden korrigieren. Ist dies auch bei J. Safra Sarasin geschehen – und kam es deswegen zu so genannten Margin Calls?

Soweit überhaupt solche Positionen bestehen, wäre eine Neubewertung ein ganz normaler Vorgang. Wie wir im Einzelnen damit umgehen, möchte ich nicht kommentieren.

Wie bedeutsam ist das Osteuropa-Geschäft für die Bank?

Die Schweiz ist immer noch der weltweit beste Standort, um Private Banking zu betreiben. Die solide politische Lage, der Rechtsrahmen sowie die stabile Landeswährung lassen das Land als sicheren Hafen erscheinen.

«Wir verstehen uns weiterhin als Konsolidierer im weltweiten Private Banking»

Das sehen auch unsere Kunden aus Russland so; wenn sie unsere Ansprüche an die Compliance erfüllen, arbeiten wir weiterhin mit ihnen zusammen. In der Folge haben wir das Glück, geographisch sehr breit aufgestellt zu sein. Wir haben – ausser der historischen Konzentration im Schweiz-Geschäft – keine Region, deren Gewicht überwiegen würde.

Mit Rückblick auf das letzte Jahr fällt das Neugeld-Wachstum auf. Woher stammen die frischen Vermögen?

Das Neugeld stammt sowohl von neuen Kunden wie auch von bestehender Klientel, die uns mehr Vermögen anvertraute. Besonders erfreulich war das Wachstum bei Institutionellen, die unsere Fonds und unsere lange Erfahrung mit nachhaltigen Anlagen zu schätzen wissen. Auch das Wachstum im Private Banking ist stark ausgefallen, wobei alle Regionen dazu beigetragen haben.

Geklettert sind auch die Gewinne. Verlangt die Eigner-Familie Safra diesmal eine Dividende?

Bislang war es die Politik der Bank, alle Gewinne aus ihren Jahresergebnissen einzubehalten und in das Geschäft zu reinvestieren. Dies steht im Einklang mit dem langjährigen Grundsatz der Familie, ihre Banken so stark wie möglich zu machen, damit sie auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bestehen können.

Die Einkünfte liessen sich auch für Zukäufe verwenden. J. Safra Sarasin hat sich einen Namen als Konsolidiererin im Metier gemacht. Wird das Institut auch 2022 andere Banken übernehmen?

Wir verstehen uns weiterhin als Konsolidierer im weltweiten Private Banking. Insofern sind Zukäufe über alle Geographien hinweg möglich.

Gibt es für eine Privatbank Ihrer Grösse noch Schweizer Ziele?

Die Schweizer Banken unterscheiden sich nicht von anderen Banken, wenn es darum geht, wie wir potenzielle Akquisitionen beurteilen – das heisst, ob die Zukäufe wirtschaftlich sinnvoll sind und ob die Teams und Kunden zu unserer Kultur passen.

Angesicht der raschen Eskalation rund um die Ukraine könnten Käufe sowieso in den Hintergrund rücken. Wie lautet Ihr Szenario für den Konflikt?

Das Umfeld ist sicher nicht mehr so günstig wie in den vergangenen Monaten. Erfahrungsgemäss zeigt sich zwar, dass sich regionale Konflikte nur kurzfristig auf die Finanzmärkte auswirken.

«Für Halt sorgt auch die langfristige Ausrichtung der Eigentümerin Familie Safra»

In Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine könnten jedoch die Notenbanken gezwungen sein, Liquidität einzuschiessen und ihre Geldpolitik zu verändern.

Das würde wohl das Geschäft von J. Safra Sarasin treffen?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Dank der soliden Aufstellung der Gruppe und der disziplinierten Geschäftspraxis weiterhin stabile Erträge liefern. Für Halt sorgt auch die langfristige Ausrichtung der Eigentümerin Familie Safra.

Dann bekennt sich die nächste Aktionärs-Generation voll zu J. Safra Sarasin?

Wir alle blicken mit grosser Dankbarkeit und Bewunderung auf das Wirken des Gründer Joseph Safra zurück. Sein Sohn Jacob Safra ist seinerseits ein ausgewiesener Banker und steuert die Gruppe nun mit den gleichen Werten und Prinzipien.


Jürg Haller amtet seit dem Jahr 2019 als Präsident des Verwaltungsrats der Bank J. Safra Sarasin. Der Schweizer war zuvor seit 1984 in verschiedenen Führungspositionen bei der UBS (ursprünglich Schweizerischer Bankverein) tätig gewesen, zuletzt als Executive Vice Chairman in der Globalen Vermögensverwaltung (GWM) der Grossbank. Das von ihm präsidierte Institut gehört zur brasilianischen J. Safra Gruppe. Im Jahr 2021 erwirtschaftete J. Safra Sarasin mit rund 2’300 Mitarbeitenden einen Gewinn von 423,2 Millionen Franken und verwaltete Vermögen von 224,7 Milliarden Franken.

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