Der Strudel um das taumelnde Firmenimperium von René Benko zieht auch den Aktienkurs von Julius Bär immer tiefer hinab. Die Börsenbewertung der Privatbank nimmt mittlerweile scheinbar die schlimmstmögliche Wendung des Debakels vorweg.

Julius Bär serviert die schlechten Nachrichten in Scheiben. Letzte Woche informierte die Zürcher Privatbank über Rückstellungen von 82 Millionen Franken auf Kredite; vergangenen Montag gestand das Traditionshaus dann, ein Einzelengagement im Bereich Private Debt von 606 Millionen Franken restrukturieren zu müssen.

Akute Zahlungsnöte

Die Gegenpartei, so hiess es weiter, sei ein «europäisches Konglomerat». Am Markt gilt es aber längst als ausgemacht, dass die Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko Julius Bär die gewaltige Summe schuldet. Signa steckt in akuten Zahlungsnöten und schiebt geschätzt 13 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten vor sich her. Einzelne Tochterfirmen haben bereits Insolvenz angemeldet.

Die enorme Verschuldung von Signa schreckt selbst hartgesottene Hedgefonds-Manager. Dennoch gibt sich die Schweizer Privatbank bisher hoffnungsvoll. Die Kredite würden nun restrukturiert; weitere Rückstellungen würden nur gebucht, wenn diese erforderlich seien. Darüber hinaus sieht sich Julius Bär nach Aussage von Konzernchef Philipp Rickenbacher «sehr gut» kapitalisiert. Die Bankengruppe will auch an ihrer bisherigen Ausschüttungspolitik festhalten.

Angesagt für 2023 sind Dividenden mindestens auf Vorjahreshöhe sowie ein neuerliches Aktienrückkauf-Programm.

Grösste Verluste gleich zu Anfang

So weit die Sicht der Bank auf das Debakel. Doch die Wertung an der Börse ist eine andere, wie Marktbeobachter, die ungenannt bleiben wollen, betonen. Seit vorletztem Montag ist der Börsenwert von Julius Bär um mehr als 20 Prozent gefallen; die grössten Buchverluste erlitten die Titel gleich zu Anfang, am (gestrigen) Dienstag verlor der Aktienkurs aber nochmals 5 Prozent an Boden.

Angesichts der Kursverluste haben jene Experten errechnet, dass der Markt in den vergangenen Tagen die schlimmstmögliche Wendung eingepreist hat: Totalverlust auf dem gesamten Einzelengagement von über 600 Millionen Franken, sowie Folgen für die Ausschüttungspolitik. Der Schlusskurs von vergangener Woche impliziere gar, dass Bär bei zusätzlichen Krediten im Bereich Private Debt Wertberichtigungen vornehmen müsse, so diese Quellen.

Julius Bär mochte sich auf Anfrage von finews.ch nicht über das Statement vom vergangenen Montag hinaus äussern.

Totalverlust hätte Folgen für das Kernkapital

Immerhin lassen sich aus der Mitteilung Rückschlüsse zur Ausschüttungspolitik ziehen. Wie Julius Bär nämlich festhielt, würde bei einem Totalverlust auf die genannten Kredite die Pro-forma-CET1-Kapitalquote der Gruppe am vergangenen 31. Oktober bei über 14 Prozent liegen. In Realität lag am 31. Oktober die Quote des harten Kernkapitals bei 16,1 Prozent. Die von der Gruppe selbst gesetzte Untergrenze liegt bei 11 Prozent, das regulatorische Minimum bei 8,2 Prozent.

Weiter hielt Julius Bär zu den Bedingungen eines Aktienrückkauf-Programms fest: CET1-Kapital, das am Ende eines Geschäftsjahres eine CET1-Kapitalquote von rund 14 Prozent deutlich übersteigt, werde durch ein im Folgejahr lanciertes Aktienrückkauf-Programm ausgeschüttet, sofern sich nicht strategisch sinnvolle und finanziell attraktive Akquisitionsmöglichkeiten ergeben würden.

Noch keine personellen Konsequenzen

Die Betonung liegt dabei auf dem Wort «deutlich»: Die hypothetischen 14 Prozent Kernkapital-Quote wären wohl nicht ausreichend, um ein neuerliches Aktienrückkauf-Programm zu rechtfertigen – auch wenn mögliche weitere Rückstellungen und Wertberichtigungen angesichts des langen Restrukturierung-Prozesses weit im Jahr 2024 liegen mögen. Laut den Beobachtern haben die Anleger stark reduzierte Aktienrückkäufe bereits eingepreist.

Und es verbleiben weitere Unsicherheitsfaktoren, die den Ausblick auf die Bär-Titel belasten könnten. So hat sich die Bankengruppe bis jetzt nicht zu allfälligen Abschreibern auf das Einzelengagement geäussert. Es gibt auch keine Angaben zu personellen Konsequenzen, noch zu allfälligen Lohnfolgen für die Geschäftsleitung – so etwa, wenn den Chefs des Instituts die Boni gestrichen würde.

Wann wird die Finma aktiv?

Ebenfalls bedeckt hält sich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), deren Verhältnis zu Julius Bär zumindest in der Vergangenheit belastet war. So verbot die Aufsicht Julius Bär wegen Mängeln in der Geldwäscherei-Bekämpfung im Jahr 2020 zeitweilig, grössere Übernahmen zu tätigen. Auf Anfrage wollte sich die Behörde nicht zum weiteren Vorgehen beim Institut äussern.

Das alles schafft Ungewissheit, und diese ist für gewöhnlich Gift für den Aktienkurs. Denn die Anleger müssen fürchten, das Julius Bär noch weitere Scheiben an schlechten Neuigkeiten auftischt, wenn das Benko-Imperium weiter implodiert.

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