Finma an Banken: Im Hypogeschäft weniger Ausnahmen machen!

Banken greifen im Hypothekargeschäft bei der Prüfung der Tragbarkeitskriterien häufig auf die ETP-Klausel zurück. Aber auch bei der Bewertung wird der regulatorische Ermessensspielraum oft ausgenutzt. Der Aufsichtsbehörde ist dies ein Dorn im Auge. Und sie warnt zudem vor Reputationsrisiko, die von Kreditnehmern ausgehen können.

Auch wenn es eigentlich auf der Hand liegt, droht es zuweilen etwas in Vergessenheit zu geraten: Der Schweizer Immobilien- und Hypothekarmarkt birgt erhebliche Risiken, für die Banken wie auch das ganze Finanzsystem und sogar die Volkswirtschaft. Dass sich diese Risiken in den letzten 30 Jahren nicht manifestierten und es nicht zu einer gröberen Preiskorrektur gekommen ist, dürfte massgeblich darauf zurückzuführen zu sein, dass unser Land von einer schweren Rezession verschont blieb und der positive Einwanderungssaldo den Markt strukturell stützte.

Am Donnerstag hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) in einer Aufsichtsmitteilung daran erinnert, dass die Unsicherheiten im Zusammenhang mit Immobilien und Hypotheken für den Finanzplatz Schweiz «nach wie vor zu den grössten Risiken zählen», wobei das Kreditausfallrisiko und das Immobilienbewertungsrisiko im Zentrum stehen.

Erwartungen an die Banken – mit Seitenblick auf die Versicherungen

In ihrer Mitteilung, die sich primär an Banken und sekundär an Versicherungen richtet, fasst die Finma die Ergebnisse ihrer Aufsichtsaktivitäten zusammen «und erläutert ihre Erwartungen hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen im Bereich der Hypothekargeschäfte».

2024 führte die Behörde bei 27 Banken und 18 Versicherungen eine Umfrage zu den Kreditvergabekriterien durch. Zudem nahm sie 6 Vor-Ort-Kontrollen mit Fokus auf kommerzielle Hypotheken vor. Gemäss der Mitteilung hat die Finma im Hypothekarbereich seit 2021 insgesamt 24 Vor-Ort-Kontrollen bei Banken sowie 7 Kontrollen bei Immobilien- und Hypothekenfonds vorgenommen.

Umfrage, Vor-Ort-Kontrollen und Stresstests

Zudem hat sie bei 13 Banken Hypothekarstresstests durchgeführt. Und sie hat auch gehandelt: «Für erhöhte Risiken im Zusammenhang mit Immobilien und Hypotheken wurden bereits in der Vergangenheit institutsspezifische Eigenmittelzuschläge angeordnet.»

Die Finma bemängelt nun zum einen, dass die prinzipienbasierte Regulierung bei der Hypothekarkreditvergabe «von diversen Banken» übermässig ausgenutzt wird. «Dies betrifft insbesondere die Tragbarkeitsbeurteilung sowie die Bewertungspraxis und weist auf einen möglichen regulatorischen Verbesserungsbedarf hin.»

Tragbarkeit: Zu häufiger Rückgriff auf die Ausnahmeklausel 

Konkret stösst sich die Behörde daran, dass «viele Banken tendenziell lockere Tragbarkeitskriterien in den bankinternen Richtlinien festlegen, beziehungsweise einen hohen Anteil an Finanzierungen ausserhalb der selbst festgelegten Tragbarkeitskriterien vergeben», also häufig Gebrauch von der Exception-to-Policy-Klausel (ETP) machen.

Die Ausnahmeklausel sollte eigentlich nur in begründeten Fällen angewendet werden. ETP-Entscheide müssen nachvollziehbar und überprüfbar sein und entsprechend dokumentiert werden.

Schutz vor Verschlechterung der Zahlungsfähigkeit des Hypothekarnehmers 

Der häufige Gebrauch von ETP ist der Finma ein Dorn im Auge, weil die Tragbarkeitskriterien sicherstellen, dass sich potenzielle Zinserhöhungen nicht negativ auf die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer auswirken. Dabei wird ein Zinsänderungsrisiko über einen Zeitraum von mehreren Jahren betrachtet. Es sei zentral, Kreditgeschäfte mit erhöhtem Risikoprofil zu begrenzen, zu erfassen und angemessen zu überwachen.

Die Finma listet auch auf, welche Kriterien sie als nachhaltig betrachtet:

  • Selbstgenutzte Wohnliegenschaften: Eine ETP-Tragbarkeitsgrenze von 33 Prozent des nachhaltigen Bruttoeinkommens zusammen mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent und kalkulatorischen Nebenkosten von 0,8 Prozent des Belehnungswerts sowie eine ETP-Tragbarkeitsgrenze von 38 Prozent des nachhaltigen Nettoeinkommens zusammen mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent des Kreditbetrags und kalkulatorischen Nebenkosten von 0,8 Prozent des Belehnungswerts;
  • Renditeliegenschaften: Eine ETP-Tragbarkeitsgrenze von 100 Prozent der nachhaltigen Nettomietzinsen zusammen mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent des Kreditbetrags und kalkulatorischen Nebenkosten, die das Alter und den Unterhaltszustand der Immobilie reflektieren.

Zum anderen werde der regulatorische Ermessenspielraum auch in der Bewertungspraxis «oft ausgereizt». «Die Finma beobachtet in ihrer Aufsichtstätigkeit qualitative Schwachstellen, die ein Immobilienbewertungsrisiko darstellen, so die Anwendung tieferer Kapitalisierungssätze für die Bewertung von Renditeliegenschaften».

Vorgaben der Selbstregulierung als Untergrenze

Die Finma ruft in Erinnerung, dass die (von ihr anerkannte) Selbstregulierung der Branche mit Vorgaben zur Belehnung und Amortisation lediglich einen aufsichtsrechtlichen Mindeststandard darstellt.

Sie erwartet von den Banken, dass sie neben den Mindestanforderungen segmentspezifische, den Risiken entsprechende interne Vorgaben zur Belehnung und Amortisation festlegen. «Aufgrund der aktuellen Risikolage rät sie demnach, die Belehnungsgrenzen für Renditeobjekte einschliesslich ‹Buy-to-Let›-Finanzierungen tiefer und die Amortisationsanforderungen höher festzulegen.»

Reputationsrisiko Gegenpartei – Fall Benko lässt grüssen 

Zudem beobachtet die Behörde (ge)wichtige Reputationsrisiken im Kreditgeschäft, bei der Kreditbewilligung und in der Kreditüberwachung. Die Finma erwähnt explizit Gegenparteien, «welche etwa intransparente Strukturen in einem Konzern aufweisen oder in Bauprojekte involvierte Unternehmen mit geringer eigener Risikofähigkeit und /oder einem geringen Leistungsausweis». Hier dürfte der Fall Signa bzw. René Benko mitschwingen, von dem mehrere Banken betroffen waren.

Die entsprechende Empfehlung an die Banken lautet: allfällige Reputationsrisiken systematisch und für sachverständige Dritte nachvollziehbar erfassen, begrenzen und überwachen.

Das ewige Spiel zwischen Regulator und Regulierten

Bleibt zu hoffen, dass die Adressaten die Erwartungen, Ratschläge und Wünsche der Finma beherzigen werden – auch wenn sich über Sinn und Unsinn einzelner Grössen (insbesondere der doch sehr luftigen Höhe des kalkulatorischen Zinssatzes) trefflich streiten liesse.

Allein die Tatsache, dass die Banken ihren Ermessensspielraum nach bestem Wissen und Gewissen ausschöpfen, ist allerdings nicht ehrenrührig, sondern ein altbekanntes Merkmal der Beziehung zwischen Regulator und Regulierten