Deutschlands ehemaliger Aussenminister Joschka Fischer sorgt sich um Europa. An einem Anlass der Union Bancaire Privée äusserte er sich zu den Verschiebungen im Gefüge der Finanzindustrie.

Joschka Fischer ist einer der glühenden Anhänger und Verfechter der europäischen Idee. Auch heute noch, bald 15 Jahre nach seinem Abschied von der grossen Politbühne, meldet sich der 71-Jährige regelmässig zu Europa und der aktuellen strukturellen Krise, in welcher sich die EU befindet.

Einen nicht sonderlich optimistischen Fischer durfte eine Handvoll Journalisten auch bei einem Anlass der Privatbank Union Bancaire Privée (UBP) diese Woche erleben. UBPs Zürich-CEO Adrian Künzi und Investmentchef Norman Villamin hatten Fischer zu einer Diskussion eingeladen.

Europa auf der Verliererseite

Das grosse Bild der geopolitischen Veränderungen sollte das Thema sein – und Fischer, der von 1998 bis 2005 deutscher Aussenminister und Vizekanzler sowie 1999 auch Präsident des EU-Rats war, zeichnete das Bild eines Kontinents, der im gegenwärtigen Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China aufgerieben zu werden droht.

Er bediente die Journalisten mit präzisen und wohl fundierten Analysen, die sich auch auf das Geschehen in der Wirtschaft und Finanzindustrie stützten, um seinen Punkt eines «Europas auf der Verliererseite» zu belegen.

Nutzlose Fusion Deutsche Commerz

Punkt eins, den Fischer machte: «Es ist für mich absolut unverständlich und war ein grosser Fehler, die Fusion von Siemens und Alstom zu verhindern.» Die EU-Kommission hatte den deutsch-französischen Zusammenschluss diesen Februar untersagt.

Punkt zwei: «Auch die jüngsten Diskussionen, durch die Fusion einer Deutschen Bank mit der Commerzbank einen ’nationalen Champion’ zu schaffen, halte ich für nutzlos.» Auch dieses Vorhaben ist inzwischen abgeblasen.

Punkt drei: «Das Ziel müsste die Schaffung eines europäischen Champions sein.» Fischer meinte damit nicht explizit einen europäischen Finanzriesen – aber auch. Der Staatsmann fordert schlicht vermehrte und konzentrierte Anstrengungen Europas, der Gefahr zu begegnen, von den USA und dem weiterhin aufstrebenden China in die Marginalität verdrängt zu werden.

Anschluss finden an das Tech-Wettrüsten

Ganz im Duktus der heutigen Sprache der Ökonomen sagte Fischer, der in den 1970-er Jahren der linksradikalen Bewegung in Deutschland angehörte und sein Geld in Frankfurt als Taxi-Fahrer verdiente, es müsse das Ziel sein, «eine wettbewerbsfähige europäische Plattform zu schaffen». Dies könne nur über Kooperation und Zusammenarbeit funktionieren. «Ohne ein geeintes Europa droht der Untergang», so seine düstere Prognose.

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«Die Grünen»-Politiker Joschka Fischer im Jahr 1983 (Bild: Bundesarchiv)

Das Drama, das Fischer prognostiziert, würde dabei nicht durch einen Krieg der Ideologien, wie im Kalten Krieg, oder gar durch eine militärische Konfrontation über Europa hereinbrechen. Die Ursache liegt in der Verschiebung der wirtschaftlichen Vorherrschaft von West nach Ost und dem Kampf der USA und China um die technologische Führerschaft.

Europa ist furchtbar langsam

Dem hat Europa in Fischers Urteil bislang wenig bis nichts entgegenzusetzen – auch wenn Voraussetzungen dafür bestünden. «Europa hat seine Stärken in der Forschung und Wissenschaft», bekannte er und benannte gleich im Anschluss die Kehrseite der Medaille: «Doch ist Europa furchtbar langsam darin, die Erkenntnisse in erfolgreiche Geschäftsmodelle zu giessen.»

Europäische Champions müssten aber her. Denn das Untergangs-Drama werde sich in Europa ausbreiten, wenn der Anschluss im technologischen Wettrennen der beiden IT-Supermächte USA und China verloren ginge. «Dann fürchte ich, wird Europa einen extrem hohen Preis zahlen müssen.»

Trümpfe: Dollar und Euro

Trümpfe der USA wie auch Europas sieht der Ex-Aussenminister interessanterweise wiederum im Finanzwesen – nämlich in den Währungen. Der Euro habe sich neben dem Dollar als dominante Weltwährung etabliert und bewährt. Und für die USA sei der Dollar das mächtigste Werkzeug ihrer Macht.

Natürlich beobachtet auch Fischer die Bestrebungen Chinas, den Renminbi als neue Weltwährung zu etablieren. «Die USA werden ihr Dollar-Monopol mit aller Macht verteidigen», ist er sich hingegen sicher.

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