Die Wirtschaft leidet – ganz im Gegensatz zur Börse. Dieser Widerspruch ist eine der auffälligsten Konsequenzen aus der Krise. Der Aufschwung am Aktienmarkt könnte jäh abbrechen. Die globalen Risiken überwiegen. 

Noch selten waren die Schätzungen für die wirtschaftliche Entwicklung so weit aufgefächert – die Coronapandemie hat offensichtlich das Vorausblicken noch viel komplexer gemacht, als dies normalerweise schon der Fall ist. Von einem BIP-Minus von 3,5 Prozent hochgerechnet aufs ganze Jahr (Credit Suisse) bis zu einem 8,2 Prozent-Crash (Universität Lausanne) reichen die Schätzungen für die Schweizer Volkswirtschaft post-Covid-19.

Der Einbruch im ersten Quartal belief sich auf annualisierte 2,6 Prozent, was gleichbedeutend mit dem tiefsten Wert seit der Ölkrise 1974 ist, wie das SECO am 3. Juni berichtete. Dabei wurde die Wirtschaft auf breiter Front getroffen – abgesehen von einer Ausnahme, dem Staatskonsum.

Ein Einbruch auf breiter Front

Vom gesamten Minus entfiel wiederum ein bedeutender Anteil auf den privaten Konsum, der sich auch im Folgequartal negativ entwickelt hat – die Läden waren bekanntlich mehrheitlich geschlossen. Mit den Lockerungsmassnahmen der letzten Wochen ist etwas vom Schwung in den Alltag zurückgekehrt, allerdings aufgrund der Zurückhaltung und der Hygienemassnahmen auf ein Niveau, das sich nicht mit der Vor-Coronazeit vergleichen lässt.

Auch die verarbeitende Industrie wird nicht so schnell zum gleichen Level von vor der Krise zurückfinden, nicht zuletzt aufgrund der globalen Ausbreitung der Pandemie und damit verbundenen Einbruch der Nachfrage. Auch Wirtschaftszweige wie die Luftfahrt oder der Kultur- und Sportbereich haben momentan wenig zu lachen und tragen zum düsteren Bild der Wirtschaft bei.

Credit Suisse sieht Silberstreifen am Horizont

Da erstaunt es nicht, wenn unter Ökonomen generell die Vorsicht gross geschrieben wird: «Die Geschäftserwartungen weisen aktuell weder im Dienstleistungssektor noch in der Industrie auf grosse Nachholeffekte hin», schreibt beispielsweise die Raiffeisen in einem Kommentar. Die drittgrösste Schweizer Bank erwartet ungefähr ein BIP-Minus von 5 Prozent fürs 2020.

Andere sind auffallend positiver gestimmt is das CIO Office der Credit Suisse (CS). Die zweitgrösste Bank des Landes sieht keinen Grund für übertriebenen Pessimismus und rechnet mit einem Minus von 3,5 Prozent hochgerechnet aufs gesamte Jahr. Aber auch die CS bemerkt, dass die Risiken für einen grösseren Einbruch vorhanden sind.

Impfstoff ist (noch) nicht erhältlich

Und Risiken gibt es mehr als genug. Ganz abgesehen vom globalen Nachfrageschock, der sich um die ganze Erde zieht, verbleiben eine Reihe von Baustellen, welche alle das Zeug dazu haben, die Wirtschaft weiter in den Abgrund zu stossen.

Zuoberst auf der Liste der möglichen Schocks ist ein erneuter Lockdown aufgrund einer zweiten Infektionswelle. Eine solche wird gemeinhin für die nächste Herbst- und Wintersaison vorhergesagt, weil erstens die Immunisierung der Bevölkerung noch nicht ausreichend ist, um sie zu verhindern und zweitens weil die Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffs innerhalb nützlicher Frist zunehmend illusorisch erscheint.

Trump sucht den Feind

Aber auch ohne Corona gibt es Unsicherheitsmomente. Der Wille der chinesischen Einparteienherrschaft, in Hongkong mit allen Mitteln durchzugreifen, ist so ein Gefahrenmoment – und dazu gesellen sich selbstredend die Reaktionen der westlichen Welt auf genau diese Drohungen durch die Führung in Peking.

Im weiteren besteht die Gefahr, dass US-Präsident Donald Trump die handelspolitische China-Karte wieder spielen wird, wenn er auf eigenem Territorium weiterhin so schwimmt wie jetzt gerade. Die Pandemie und die Proteste gegen die Tötung eines schwarzen Bürgers durch die Polizei stürzen die grösste westliche Macht in eine verhängnisvolle Krise. Trump könnte sich auf einen äusseren Feind besinnen, um seine Wähler davon zu überzeugen, dass er ein harter Kerl ist.

Die US-Wahlen finden im Herbst statt und Trump muss aus der Deckung heraus arbeiten – es braucht keine Kristallkugel, um noch weitere Auseinandersetzungen – mit wem auch immer – vorherzusagen.

Der Aktienmarkt scheint entrückt

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