An Tidjane Thiams Rücktritt als CEO der Credit Suisse führte kein Weg vorbei. Bemerkenswert ist, das Verwaltungsratspräsident Urs Rohner einen Konsensentscheid präsentieren konnte und damit dem Schweizer Finanzplatz einen grossen Dienst erwies.

Er hat es erneut geschafft: Urs Rohner, der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS) hat nach dem die Grossbank schwer belastenden Bespitzelungs-Skandal und dem internen Machtkampf eine Lösung ausgehandelt, bei der er die Oberhand behält und dennoch vordergründig (fast) alle zufrieden sind.

Tidjane Thiam wird ein Rücktritt gewährt, bei dem der CEO nicht nur sein Gesicht wahren kann. Vielmehr wird in den Statements der CS der Eindruck vermittelt, Thiams Rücktritt geschehe in gegenseitigem Einvernehmen und freiwillig zum Wohle der Bank.

Mit Lobeshymnen voll gepackt

Die «friedliche» Trennung wird zudem zur Folge haben, dass Thiam seine gesperrten Millionen aus vergangenen Bonus-Bezügen (rund 7 Millionen Franken) erhalten wird. Man wird bei der Veröffentlichung des CS-Vergütungsberichtes im kommenden März sehen, ob der Verwaltungsrat den vorzeitigen Rücktritt des seit 2015 amtierenden CEO sonst noch versüsst hat.

Die Wahrheit hinter den mit Lobeshymnen voll gepackten Statements ist wohl eine etwas andere: An Thiams Rücktritt hat nach den Ereignissen der vergangenen Monate kein Weg vorbei geführt. Der Ruf der CS war nach den Enthüllungen über Bespitzelung und handfeste Konflikte angeschlagen und die Glaubwürdigkeit der Führung dahin. Thiams Rücktritt wird somit als Entscheid der Vernunft und Verantwortung dargestellt, der der CS und ihren Kunden dient.

Rohner wird sich Aktionärs-Support gesichert haben

Rohner kann sich nach diesem Machtpoker als Präsident präsentieren, der die Interessen der CS und ihrer Stakeholder höher gewichtet als die Forderungen von mächtigen Aktionären. Er riskiert damit zwar einen bösen Schlagabtausch und eine Kampfwahl im Hinblick auf die kommende Generalversammlung im April.

Doch dürfte sich der gewiefte Wirtschaftsanwalt vorab den Support anderer gewichtiger Aktionärskreise gesichert haben, um sein letztes Jahr als Verwaltungsratspräsident unbeschadet antreten zu können.

Ein «Quid pro Quo»

Denn soviel ist klar: Im Jahr 2021 endet seine Amtszeit und eine Verlängerung wird es nicht geben. Zwar hat es der 60-Jährige erneut verpasst, seinen Rücktritt per 2021 offiziell zu bestätigen.

Doch haben der CS-Verwaltungsrat und sein Vizepräsident Severin Schwan deutlich gemacht, dass für Rohner im April 2021 Schluss ist.

Mag dies nun ein Zugeständnis des Präsidenten sein oder nicht: Der Fakt, dass die Erwartung des Verwaltungsrates im CS-Statement so deutlich formuliert ist, ist ein Hinweis, dass der Machtkampf auch im obersten Gremium der Grossbank tobte und die Gesamtlösung eine Art «Quid pro Quo» enthält. Sprich: Es gab auch im Verwaltungsrat Stimmen, die sich zunächst für einen Verbleib Thiams ausgesprochen haben.

Gottstein, ein Teamplayer

Die Ernennung von Thomas Gottstein als CEO der CS und Nachfolger Thiams ist kein eigentlicher Coup. Der bisherige Chef der CS Schweiz gilt nicht als grosser Visionär und Stratege, sondern vielmehr als Sympathieträger und Teamplayer.

Gleichwohl hat der in diesem Jahr 56 Jahre alt werdende Gottstein alle Qualitäten für den Topjob: Er verfügt über grösste Erfahrungen im internationalen Investmentbanking und steuerte in den vergangenen fünf Jahren die wichtigste Einheit der CS, das Schweizer Geschäft mit Retail-, Private- und Corporate-Banking mit Bravour.

Ein Bekenntnis zum Schweizer Finanzplatz

Hervorzuheben bei der Ernennung Gottsteins zum CS-CEO gilt auch Folgendes: Rohner präsentierte mit ihm keine Verlegenheitslösung, sondern einen festen Nachfolger Thiams. Zum CEO hat der Verwaltungsrat zum ersten Mal seit über 20 Jahren und der unglücklichen Ära unter Lukas Mühlemann wieder einen Schweizer gemacht.

Die Wahl lässt sich als Bekenntnis und auch als Strategiewahl interpretieren. Mit Gottstein als CEO bekennt sich die CS zu ihrer Bedeutung für den Schweizer Finanzplatz und die Wahl bringt die kritischen Stimmen aus dem Zürcher Establishment, die aus dem Hinterhalt gegen Thiam agiert hatten, zum Verstummen.

Schwer angeschlagene Unternehmenskultur

Rohner und der Verwaltungsrat setzen mit Gottstein einen integren Banker auf den Thron, der zwar harte Entscheide fällen kann, sich aber öffentlich zu einer Unternehmenskultur verpflichtet hat, welche unter der Führung Thiams und namentlich der seines (im Dezember fristlos entlassenen) COO Pierre-Olivier Bouée schweren Schaden genommen hat.

Dass der bisherige Schweiz-CEO nun Konzernchef wird, lässt sich als klares Bekenntnis zu den Wurzeln der CS und der Bedeutung des hiesigen Geschäftes für die Grossbank deuten, die in den letzten 20 Jahren mit ihren globalen Ansprüchen viel Aktionärswert zerstört hat.

Es ist noch nicht ausgestanden

Eines dürfte Rohner allerdings nicht gelungen sein: Die Bespitzelungs-Affäre ist für die CS mit Thiams Rücktritt und dem neuem CEO nicht ausgestanden. Die CS hat weiterhin die Finma im Haus, welche die Kontrollfunktionen und Corporate Governance überprüft, die Anwälte von Homburger suchen nach weiteren Beschattungs- und ähnlichen Vorfällen, die Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der aus dem Ruder gelaufenen Beschattung von Iqbal Khan, dem früheren Wealth-Management-Chef der CS, laufen weiter.

Rohner ist es gelungen, in die unselige Affäre Ruhe hineinzubringen und sich gegen alle Widersacher zu behaupten. Doch vorbei ist es damit noch nicht.

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