Das Umfeld der Corona-Krise berge eine Riesenchance für Banken, sagt John Häfelfinger zu finews.ch. Umso weniger will sich der CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank Fehler leisten: Er hält seine Banker auch bei der Vergabe von Notkrediten zu grosser Sorgfalt an.


Herr Häfelfinger, Sie sind im Homeoffice, während einzelne Kantonalbanker wie ZKB-Chef Martin Scholl im Büro ausharren. Lässt sich die Basellandschaftliche Kantonalbank BLKB von der Stube aus steuern?

Wichtig ist, dass ein Chef oder eine Chefin in diesen Zeiten präsent ist. Wie er oder sie das umsetzt, ist jedem selber überlassen. 90 Prozent unserer Mitarbeitenden arbeiten inzwischen von zuhause aus. Ich möchte als Rollenmodell zeigen, dass der Betrieb aus dem Homeoffice funktioniert. Natürlich besuche ich auch jene regelmässig, die aufgrund ihrer Aufgaben noch bei der Bank vor Ort sein müssen.

Die Gefahr einer Ansteckung besteht. Was geschieht, wenn Sie in Quarantäne gehen?

Dieses Szenario haben wir eingeplant. Wir haben die Geschäftsleitung sehr früh in zwei Gruppen getrennt und dafür gesorgt, dass etwa ich und mein Stellvertreter Herbert Kumbartzki – als CFO leitet er den Bereich Finanz- und Risikomanagement – uns physisch weder treffen noch unsere Personenkreise sich überschneiden. Ich könnte wohl auch aus der Quarantäne heraus im Homeoffice funktionieren.

Und wie ist es momentan um die Gesundheit der BLKB bestellt?

Wir werden einen höheren Bedarf an Wertberichtigungen haben, als wir Anfang Jahr budgetierten. Es gibt eine sehr rege Aktivität im Kommissionen-Geschäft. Da müssen wir Kunden teils vor Überreaktionen auf die Börsenlage warnen. Mit unserer KMU-Kundschaft stehen wir in sehr engem Kontakt, um deren Bedürfnisse zu erfragen und eine mittelfristige Planung anzugehen.

«Die Refinanzierungskosten sind auch für uns gestiegen»

Im Privatkunden-Geschäft beobachten wir etwa, dass die Nachfrage nach neuen Immobilien-Finanzierungen abnimmt. Eine gewisse Unsicherheit ist spürbar.

Hat Ihre Bank die Hypothekenzinsen ebenfalls erhöht?

Ja, entlang des Marktes. Wir wollen unsere Rolle als stabile und verlässliche Partnerin im Hypothekargeschäft auch in dieser Krisensituation wahrnehmen. Aber auch für uns gelten die Regeln des Kapitalmarktes. Die Refinanzierungskosten sind auch für uns als top-geratete Kantonalbank gestiegen. Wir beobachten den Markt sehr genau.

Also gibt es hinter den Kulissen im Geldmarkt doch gewisse Unsicherheiten. Im Nachgang der Finanzkrise von 2008 wurden die Kantonalbanken mit Geld überschüttet – ist dieser Effekt an der Kundenfront wieder spürbar?

Absolut. Die Kunden schätzen, dass wir unsere eigenen Interessen denjenigen der lokalen Wirtschaft unterordnen. Wir haben in einer ersten Phase zinslose Kreditfazilitäten im Umfang von 85 Millionen Franken zur Verfügung gestellt, die wir aufs eigene Buch nehmen. Es hilft uns nun, dass wir mit so viel Eigenmitteln ausgestattet sind. Dahinter steckt allerdings jahrelange Vorbereitung.

Das Notkredit-Paket des Bundes im Umfang von 20 Milliarden Franken musste innert Wochenfrist verdoppelt werden. Wie erleben Sie die Nachfrage von KMU im Baselbiet?

Aktuell haben wir 850 Kredite im Umfang von insgesamt 105 Millionen Franken an Bundesbürgschaften gesprochen. Die Notkredite werden relativ schnell aufgebraucht sein. Dann stellt sich die Frage, welche Hilfe als Nächstes kommt – die Unternehmen werden noch monatelang auf frische Liquidität angewiesen sein. Wir haben bereits mit der Planung dieser Zeit begonnen.

Bei der raschen Vergabe der Kredite droht die Compliance zu kurz zu kommen. Gehen die Kredite des Bundes am Ende à fond perdu?

Das Kreditpaket des Bundes ist grosszügig bemessen und schnell in der Umsetzung – es ist aber nicht sehr differenziert. Das ist am Ende nicht unbedingt ein Garant dafür, dass die richtigen KMU gestützt werden.

«Am Immobilienmarkt sehen wir einen Rückgang der Nachfrage und des Angebots»

Wir haben im Heimmarkt einen Anteil von 45 Prozent im Firmenkunden-Geschäft. Entsprechend gut kennen wir die antragsstellenden Firmen schon. Wir nehmen bei der Vergabe unsere Sorgfaltspflicht wahr und nehmen uns mehr Zeit als die in den Raum gestellten 30 Minuten. Wir sind der Meinung, das sind wird den Steuerzahlenden schuldig.

Sie sagen, die BLKB habe bereits mit der Planung der kommenden Monate begonnen. Ist das nicht ein totaler Blindflug?

Wir sind im Austausch mit Spezialisten bezüglich der Entwicklung des Immobilienmarkts – dort sehen wir einen Rückgang sowohl bei der Nachfrage wie auch des Angebots. Bei den Börsen hoffen wir auf eine Gegenbewegung. Aber viel hängt dort vom Ausland ab, etwa den USA. Die Globalisierung und die Abhängigkeit der lokalen Wirtschaftsräume voneinander machen Voraussagen extrem schwierig.

Sie haben bei der Grossbank Credit Suisse einst die Schifffahrtsfinanzierung geleitet, einen der globalsten Geschäftszweige überhaupt. Bringt das Coronavirus die Globalisierung längerfristig zum Stillstand?

Überall in der Wirtschaft gilt das Just-in-Time-Prinzip als erstrebenswert. Prozesse werden optimiert, was aber grosse Abhängigkeiten von anderen Parteien zur Folge hat. Die Corona-Krise hat deswegen bei Unternehmen nicht nur einen Nachfrage-, sondern auch einen Angebotsstress ausgelöst. Diese Abhängigkeiten müssen sich auch die Banken verstärkt vor Augen führen – etwa, wenn es ums Outsourcing von Diensten geht. Denn die Zukunft wird weitere Krisen bringen. Wir müssen die Sicherheit höher gewichten als die kurzfristige Rendite.

A propos: Die Finanzmarktaufsicht Finma hat die Banken zweimal ermahnt, ihre Dividendenpolitik im Licht der Krise vorsichtig zu gestalten. Die BLKB hat die Ausschüttungen auf ihrem Zertifikat zwar für 2019 nicht erhöht – müssten Sie die Dividende nicht kürzen?

Wir haben unsere Dividende bereits am 27. Februar ausbezahlt. Unsere Dividendenpolitik richtet sich nach dem Geschäftserfolg. Und sie hat uns in der Vergangenheit erlaubt, das Eigenkapital zu äufnen.

«Gegenwärtig ist nur ein Viertel unserer Bank-Niederlassungen geöffnet»

Wir dürfen nur so viel ausschütten, wie wir selber zur Stärkung des Eigenkapitals zurückbehalten. Unsere Kernkapitalquote beträgt 20,4 Prozent. Diese Zahl verdeutlicht auch, dass die Eigenmittel bei uns keinen Engpassfaktor in unserer Rolle als Kreditgeberin für KMU darstellen.

Letztes Jahr hat die BLKB auch einiges Geld für den Umbau von Filialen ausgegeben. Nun mussten im Lockdown diverse Geschäftsstellen schliessen. Wird man nach einer Lockerung merken, dass es das bestehende Netz nicht wirklich braucht?

Die Notwendigkeit von Bargeldbezügen hat nochmals abgenommen. Gegenwärtig ist nur ein Viertel der Niederlassungen geöffnet. Das deckt die Nachfrage im Kanton kurzfristig sehr gut ab. Mit dem neuen Filialkonzept ist aber das Schaltergeschäft sowieso in den Hintergrund gerückt. Im Zentrum steht stattdessen das Beratungserlebnis gemäss unserem Anspruch als Beratungsbank. Für die Umsetzung dieser Strategie brauchen wir die Standorte mit ihren Räumlichkeiten.

Aber jetzt bleiben auch diese Räume leer, oder?

Richtig, Beratung findet im Moment nur noch telefonisch und via Screensharing statt. Die Qualität leidet aber nicht darunter. Wir haben im Rahmen der Transformation zur Beraterbank bereits letztes Jahr jeden Mitarbeitenden mit einem Laptop und einem Telefonzugang ausgerüstet. Das ist jetzt ein grosser Vorteil bei der Umstellung aufs Homeoffice gewesen.

«Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Banken in der Schweiz in Kompetenz investieren müssen»

Die Kundenberatenden und Kunden lernen jetzt auch dank der Krise, den neuen Kanälen zu vertrauen – das wird uns grossen Schub bei der Digitalisierung geben.

Mit Blick auf die Nachwehen der Krise muss wohl auch die BLKB Investitionen überdenken. Wo wollen Sie auf keinen Fall sparen?

Bei der Ausbildung, die ist sakrosankt. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Banken in der Schweiz in Kompetenz investieren müssen, um den Vorsprung unseres Finanzplatzes gegenüber dem Ausland zu sichern. Alle Frontleute durchlaufen bei uns eine Ausbildung zum Finanzberater und dann zum Finanzplaner. Sämtlichen Fachverantwortlichen werden wir ein eigenes CAS FH in «Future Banking» anbieten. Und alle «People Leader» besuchen Führungskurse.

Man könnte sich die Ausgaben auch teilen. Ist die Krise ein Auslöser, dass die 24 Kantonalbanken wieder zu mehr Gemeinschaftswerken finden?

Zwischen den Kantonalbanken hat in den letzten Wochen ein reger Austausch stattgefunden, wie sich die Krisenlage bewältigen lässt. Das ist positiv. Das Umfeld birgt eine Riesenchance allgemein für Banken und die Kantonalbanken im Besonderen. Als Branche können wir beweisen, dass wir für unsere Kunden auch da sind, wenn es stürmt – zeigen, dass wir ein unverzichtbarer Teil der Wirtschaft sind.

Dazu müssen wir auch die Demut aufbringen, nicht von der Situation zu profitieren. Die Kantonalbanken können jetzt demonstrieren, wozu die Sicherheit eines Staatsinstituts nütze ist. Wenn wir das schaffen, werden wir die stärkste Kraft im Schweizer Banking bleiben.


John Häfelfinger ist seit 2017 CEO der BLKB. Zuvor war er von 1996 bis 2016 in verschiedenen Funktionen bei der Grossbank Credit Suisse (CS) tätig. Zuletzt wirkte der chweizerisch-italienische Doppelbürger dort von 2015 bis 2016 Business-Area-Verantwortlicher für Corporate & Specialty Lending und gehörte der Geschäftsleitung der Division International Wealth Management (IWM) an. Die BLKB verfügt über eine Bilanzsumme von rund 27,3 Milliarden Franken und zählt mehr als 750 Angestellte.

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