Mitten in den Börsencrash hinein lanciert die Zürcher Kantonalbank eine App, die Vorsorgegelder in Aktien anlegt. finews.ch hat mit CEO Martin Scholl übers Timing und das viele Händewaschen gesprochen.


Herr Scholl, Sie sind bekannt dafür, dass Sie das Tram zur Arbeit nehmen. In Zeiten des Coronavirus geht das wohl nicht mehr?

Ich fahre mit dem Auto zur Bank. Abgesehen davon, dass ich sehr regelmässig die Hände wasche, hat sich mein Arbeitstag aber kaum verändert: Es ist in meiner Position wichtig, in diesen Tagen vor Ort und präsent zu sein.

Doch auch Banken wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) sind gehalten, das Home Office zu forcieren.

Für all jene, die nicht zwingend im Unternehmen erreichbar sein müssen, haben wir solche Lösungen installiert.

«Wer seine Vorsorge retten will, muss folglich in Wertschriften gehen»

Es ist absolut zentral, dass wir im aktuellen Umfeld unseren Service zu 100 Prozent aufrechterhalten, sei es im Privatkundengeschäft, sei es bei der Bereitstellung von Liquidität für die Firmen. Nicht von ungefähr hat der Bundesrat Bankdienstleistungen von den geltenden Schutzvorkehrungen ausgenommen.

In dieses Umfeld hinein lanciert die ZKB Frankly – eine neue Säule-3a-App, die Vorsorgevermögen in Wertschriften investiert. Das Timing hat es in sich, oder?

Natürlich kann man das Zeitfenster in Frage stellen. Unserer Meinung nach gewinnt die private Vorsorge durch die aktuellen Verwerfungen aber noch mehr an Bedeutung. Dass die Zinsen demnächst wieder steigen, ist nun viel unwahrscheinlicher geworden – und auf Bargeld fallen negative Realzinsen an. Wer seine Vorsorge retten will, muss folglich in Wertschriften gehen.

Doch rundum fallen die Kurse, der SMI hat innert Wochenfrist mehr als 10 Prozent an Wert eingebüsst. Da dürfte die Furcht vor Aktieninvestments tief sitzen.

Wir haben es bei der Coronavirus-Pandemie mit einem zeitlich begrenzten Phänomen zu tun – demgegenüber ist der Anlagehorizont beim Vorsorgesparen zehn bis 30 Jahre weit. Wenn wir eines aus den heutigen Turbulenzen lernen können, dann dies: Es ist unmöglich, die Märkte kurzfristig zu timen. Auf die lange Frist besehen werfen Aktien aber klar mehr ab als Cash. Frankly ist für Nutzer geeignet, die bereit sind, Vorsorgegelder auf rein digitaler Basis in Wertschriften zu investieren.

Und wie langfristig ist Frankly ausgelegt? Diverse Robo-Advisor haben letztes Jahr hierzulande die Segel gestrichen, nach nur wenigen Jahren im Geschäft.

Wir sind kein Startup! Wenn wir mit einer Innovation kommen, dann meinen wir es ernst und bleiben über Jahre. Mit Frankly wollen wir schweizweit im Säule-3a-Geschäft Fuss fassen und mehrere Milliarden Franken anziehen.

«Das IT-Budget wird nicht aufgrund eines temporären Ereignisses weggestrichen»

Wir sind zuversichtlich, dass uns dies mit unserer Lösung und einem Pricing, das 60 Prozent unter dem durchschnittlichen Angebot der Konkurrenz liegt, gelingen wird.

Die App stützt sich auf ZKB-eigene Säule-3a-Fonds ab. Kannibalisieren Sie mit den günstigen Konditionen nicht bestehendes Geschäft?

Bis zu einem gewissen Grad triff das zu. Allerdings können Kunden mit klassischen 3a-Lösungen der Bank auf menschliche Beratung zurückgreifen. Frankly hingegen verzichtet gänzlich auf dieses Angebot und ist so gewissermassen selbstpflegend.

Die gegenwärtige Lage droht auch die Erträge der ZKB zu treffen. Müssen Sie deshalb künftige Digitalisierungsvorhaben wie Frankly auf Eis legen?

Das jährliche IT-Budget der ZKB ist mit 320 bis 340 Millionen Franken sehr gut dotiert. Das wird nicht aufgrund eines temporären Ereignisses weggestrichen. Die gegenwärtige Situation bietet für die Digitalisierung auch grosse Chancen: Die Leute probieren für Bestellungen von zuhause aus Bezahl-Apps und entdecken neue Angebote. Aufgrund ihrer soliden Aufstellung und Kapitalisierung wird dabei Banken auch eher Vertrauen geschenkt als Neuankömmlingen im Finanzgeschäft.


Martin Scholl hat am 1. Juni 2007 den Vorsitz der Generaldirektion der ZKB übernommen, der er seit 2002 angehört. Bis 2005 war er Leiter der Geschäftseinheit Firmenkunden, 2006 hat er die Leitung der Geschäftseinheit Privatkunden angetreten. Unter anderem amtet er als Verwaltungsrat der Bankiervereinigung (SBVg). Die ZKB ist die grösste Schweizer Staatsbank mit einer Bilanzsumme von 167 Milliarden Franken und mehr als 5'100 Mitarbeitenden.

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