Innerhalb der Credit Suisse soll es einen Grabenkampf zwischen Verwaltungsratspräsident und CEO geben. Doch die zukünftige Richtung der Credit Suisse entscheidet sich an einem ganz anderen Kräftemessen.

Am Stuhl von Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein wird gesägt – und die Säge soll Verwaltungsratspräsident Antonio Horta-Osorio führen. Ob das stimmt, ist nicht bekannt. Aus Gesprächen, die finews.ch mit Personen innerhalb des Credit-Suisse-Machtgefüges geführt hat, klingt eher heraus, dass die personellen Konsequenzen im Zusammenhang mit Archegos und Greensill bereits gezogen worden sind.

Mag es auch Dissonanzen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Gottstein und Horta-Osorio geben: Auf die Zukunft der Credit Suisse (CS) und einen möglichen Strategiewandel hat dies weniger Einfluss als die Kräfteverhältnisse im Verwaltungsrat der CS. Denn es sind dieses Gremium und die grossen Aktionäre der CS, welche über die Zukunft und die Strategie der angeschlagenen Bank entscheiden – nicht ein herbeigeschriebener Grabenkampf zwischen CEO und Präsident.

Ein Macher

Dass Horta-Osorio seine Rolle als aktiver Verwaltungsratspräsident und Krisenbewältiger sehr ernst nimmt und ein Macher ist, hat er in den letzten vier Monaten mit einer Reihe von Ernennungen in der Konzernleitung bewiesen.

Joanne Hannaford wird Technologie-Chefin, David Wildermuth wird Risikochef und Rafael Lopez Lorenzo Compliance-Chef. Das sind Änderungen und Ernennungen, die notwendig waren. Ausserdem will Horta-Osorio mit Hilfe von McKinsey-Beratern bis Ende dieses Jahres über eine neue CS-Strategie entschieden haben. 

Entscheidende Wahl in den VR

Entscheidend dafür wird die vom 57-Jährigen ehemaligen Lloyds-Bank-CEO anberaumte ausserordentliche Generalversammlung vom kommenden 1. Oktober. Dann sollen Axel Lehmann und Juan Colombas, zwei Risikoexperten, in den Verwaltungsrat gewählt werden.

Die Wahl kann als weitere Stärkung des Finanz- und Risiko-Knowhows im Verwaltungsrat interpretiert werden – oder auch als taktischer Schachzug von Horta-Osorio: Die Wahl wird das Kräfteverhältnis im Verwaltungsrat zu seinen Gunsten verändern.

Die Strategie wurde erst kürzlich bestätigt

Denn in den laufenden Spekulationen über die zukünftige Strategie der CS wird folgendes übersehen: Der Verwaltungsrat hat die gegenwärtige Strategie der CS erst vor gut einem Jahr bestätigt. Die CS soll wie bis anhin ein führender Vermögensverwalter mit einer globalen Investmentbank sein.

Wenn es nach Beobachtern ginge, wäre das Tafelsilber der CS, wie etwa das Asset Management oder das Wealth Management, schon lange verhökert. «Es ist aber keineswegs sicher, dass es einen ‘Big Bang’ geben wird», sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person gegenüber finews.ch.

Strategie war nie in Frage gestellt

Für einen radikaleren Schnitt bei der CS müsste Horta-Osorio nicht nur den Verwaltungsrat hinter sich wissen, sondern auch die bedeutenden Aktionäre aus Katar, Saudi-Arabien, Norwegen und den USA. Auch diese haben die bestehende Strategie der CS bislang durchwegs gestützt.

Die Kräfteverhältnisse im CS-Verwaltungsrat haben sich seit dem 30. Juli 2020, als diese Strategie bestätigt worden war, zwar etwas verändert. Präsident Urs Rohner und Andreas Gottschling sind ausgetreten, Blythe Masters und Clare Brady hinzugewählt worden. Aber die Mehrheit – unter ihnen Vollblut-Banker wie Michael Klein, Shan Li und das CS-Urgestein Kai Nargolwala – hat die bestehende Strategie abgesegnet.

Hausmacht stärken

Es ist finews.ch nicht möglich zu beurteilen, ob die Geschehnisse um Greensill und Archegos, innerhalb des CS-Verwaltungsrats grössere Zweifel an der bestehenden Strategie haben aufkommen lassen. Sollte Horta-Osorio aber einen massiven Richtungswechsel vornehmen wollen, ist ihm Widerstand aus dem Gremium so gut wie sicher.

Doch mit Lehmann und Colombas, dem früheren COO der Lloyds Bank und langjährigen Weggefährten, wird Horta-Osorio seine Hausmacht in der CS stärken. Dies könnte für den CS-Präsidenten in den Wochen nach der Wahl, wenn eine neue Strategie der CS Formen annehmen soll, von grösster Bedeutung werden.

 

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