Die Kapitalerhöhung der Credit Suisse war zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Waren die Verwerfungen während der Handelsfrist der Bezugsrechte blosse Hysterie?

Der Vollzug des zweiten Teils der Kapitalerhöhung, welchen die Credit Suisse (CS) am gestrigen Donnerstag Abend vermeldete, ist keine Überraschung. Denn: der Abverkauf der neuen Aktien war von den 20 Banken, welche die Transaktion begleitet haben, von Anfang an garantiert worden.

Am Ende wurden laut CS knapp 873 Millionen neuer Aktien im Gegenwert von insgesamt 2,24 Milliarden Franken ausgegeben. Das entspricht einer Quote von 98,2 Prozent.

Der kleine Rest der Titel, der bis zum Ende des Ausübungsfrist gestern Mittag nicht an bestehende Aktionäre vermittelt werden konnte, ist bereits bei Grossinvestoren platziert worden und kann mindestens zum fixierten Ausgabepreis der neuen Aktien von 2.52 Franken verteilt werden. Zu keinem Zeitpunkt seit Beginn des Bezugsrecht-Handels war der CS-Kurs unter 2.52 Franken gefallen.

Präsident muss beruhigen

Folgt man dem Analysten Kian Abouhossein, der die CS im Auftrag der grössten amerikanischen Bank J.P. Morgan beobachtet, stand der Erfolg der Kapitalspritze schon am 6. Dezember fest. «Wenn der Aktienkurs bis zu Ende des Bezugsrecht-Handels nicht unter 2.52 Franken notiert, darf man annehmen, dass die Kapitalerhöhung der Bank erfolgreich gewesen ist», schrieb der Experte Anfang Dezember.

In der öffentlichen Wahrnehmung erschien die Kapitalerhöhung der zweitgrössten Schweizer Bank jedoch als Zitterpartie sondergleichen. Fast zwei Wochen am Stück gab der Aktienkurs stetig nach und erreichte zeitweilig ein Allzeittief von 2.654 Franken. Dies, während die Preise für Kreditausfall-Versicherungen (CDS) für Anleihen der CS neue Höchstwerte erklommen.

Bei der Grossbank fühlte man sich genötigt, Bankpräsident Axel Lehmann sowie Manager auf Öffentlichkeitstour zu schicken, um die hoch gehenden Wogen zu glätten. In den Kulissen des Instituts gestand man sich derweil eine gewisse Machtlosigkeit ein. Es sei sowieso alles nur noch Psychologie. Mit harten Fakten habe die Aufregung um die Kapitalerhöhung nichts mehr zu tun, hiess es. Zurecht?

Das limbische System übernimmt

Tatsächlich neigen Aktionäre in schwierigen Marktphasen zu irrationalen Entscheidungen. So verweist die Forschung darauf, dass die Börse die Menschen auf eine emotionale Berg- und Talfahrt schickt, bei der das limbische System mit seinen Lust- und Schmerzzentren die für das planende Denken zuständigen Bereiche im Hirn regelmässig übersteuert.

Dass Geld gedanklich fest mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen verknüpft ist, sorgt für weitere Emotionen. Dagegen, sagen die Experten der «Behavioral Finance», komme die Vernunft nicht an.

Sachliche Gründe

Gut erforscht ist auch der Herdentrieb an der Börse sowie der Impuls der Anleger, bei fallenden Kursen zu verkaufen, anstatt die Positionen durch Zukäufe auszubalancieren. Das alles mag bei der jüngsten Kursbaisse der CS-Aktien mit eine Rolle gespielt haben – verstärkt noch um die atemlose Berichterstattung nicht zuletzt von angelsächsischen Medien und Agenturen.

Dennoch haben die Aktionärinnen und Aktionäre deswegen nicht hysterisch reagiert. Im Gegenteil: für ihre Skepsis gegenüber dem Turnaround der CS sprechen durchaus sachliche Gründe:

  • Zuletzt im Schweizer Fernsehen «SRF» hat Bankpräsident Lehmann zwar erklärt, dass sich die Vermögensabflüsse bei der CS stabilisiert hätten. Im Heimmarkt Schweiz kehrten die Kundengelder gar zurück, beteuerte der oberste CS-Banker. Allerdings wird in der Szene weiterhin über Abflüsse hin zu konkurrierenden Privatbanken berichtet. Schon nur aus dem Vorsichtsprinzip müssen Investoren mit einem weiteren Aderlass bis zum Jahresende kalkulieren. Analyst Abouhossein rechnet etwa damit, dass bei der CS bis Ende des vierten Quartals 107 Milliarden Franken abfliessen, rund 80 davon im Kerngeschäft mit der Vermögensverwaltung (Wealth Management). Zum Vergleich: Von Anfang Oktober bis Mitte vergangenen November sind beim Institut knapp 84 Milliarden abgezogen werden, knapp 63 Milliarden Franken davon im Wealth Management.
  • Die Abflüsse sorgen für Verunsicherungen, weil mit weniger Volumen auch weniger Ertrag generiert wird. Das Geld braucht die CS aber dringend, um den Umbau der Bank zu finanzieren. Ebenfalls wurde dieser Tage bekannt, dass die Bank reichen Privatkunden Sonderkonditionen wie etwa hohe Festgeld-Zinsen bietet, wenn sie weiterhin Geschäfte mit der CS machen. Ebenfalls war von Treueprämien die Rede. Das kostet – genauso, wie die horrend hohen Zinsen auf neuen Anleihen, welche die Bank jüngst ausgegeben hat. Verschärft sich diese Entwicklung, müsste das Geldhaus wohl schon bald wieder an der Kostenschraube drehen, um die für Ende 2025 gesetzten Ziele noch zu erreichen.
  • Die gestiegenen Finanzierungskosten der CS sind vor allem für die Neuaufstellung der Investmentbank heikel, wie Beobachter bemerken. Es ist primär die neu zu bauende Handelseinheit, die mit Anleihen alimentiert werden muss. Abflüsse im Wealth Management, welche wiederum für steigende CDS-Preise sorgen und die Refinanzierung weiter verteuern, würden deshalb zu einer Art Teufelskreis führen, heisst es. Erst wenn das neue Investmentbanking wieder Fuss fasst, ist es weniger auf Fremdkapital angewiesen.

Szenarien einer Auflösung

Erträge und Kosten der Grossbank sind gegenwärtig nicht in Balance: Im vierten Quartal 2022 erwartet sie einen Verlust von bis zu 1,5 Milliarden Franken vor Steuern. Sollte sich die von der Bankführung in Aussicht gestellte Stabilisierung wider erwarten auch nachher nicht einstellen, könnte sich der Zustand der «Patientin» CS schnell verschlechtern. Völlig von der Hand zu weisen ist das nicht mehr; Experten wie Abouhossein haben sich darüber bereits Gedanken gemacht.

So beschreibt der J.P.-Morgan-Analyst ein Szenario, wonach das Schweiz-Geschäft von der Bank abgesplittet und an die Börse verkauft würde. Für die Vermögensverwaltung und das Fondsgeschäft müssten derweil Käufer aus der Branche gefunden werden – während die Investmentbank ganz zu schliessen wäre. Für weitere Emotionen bei den Börsianern wäre dann mit Sicherheit gesorgt.

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