Der Aktienkurs der Credit Suisse fällt erstmals unter die 2-Franken-Grenze. Doch der Krise um die Bank wird in der Schweiz weiterhin mit viel Nonchalance begegnet, findet finews.ch. Den Ernstfall einer Abwicklung der systemrelevanten Bank will jedoch niemand wirklich testen.

Was hätten sie lieber: Ein Brot oder die CS-Aktie? Diese Frage haben Videojournalisten des Senders «Blick TV» Passanten auf der Strasse gestellt. Die Aktion legt viel Nonchalance im Umgang mit der Krise der zweitgrössten Schweizer Bank an den Tag, zumal es in der Schweiz für den gegenwärtigen CS-Aktienkurs von 1.57 Franken nicht viel Brot zu kaufen gibt.

Denn: nach einer Wortmeldung des Grossaktionärs Saudi National Bank (SNB) ist der Kurs am Mittwoch um fast 30 Prozent und erstmals unter die 2-Franken-Marke abgestürzt. Medienberichten zufolge musste der Handel zeitweilig ausgesetzt werden. Aufgeschreckt hat die Ansage der Saudis, dass sie aus regulatorischen Gründen nicht mehr Kapital in die schlingernde Schweizer Bank einschiessen können.

Der TV-Sender ist in dieser Situation mit seiner Berichterstattung allerdings nicht alleine. Das Pendlerblatt «20 Minuten» zitierte gleichentags einen einigermassen obskuren Finanzguru, der den nahenden Untergang der CS heraufbeschwört.

Spargelder abgeflossen

Die Wirkung solcher Berichterstattung für das Schweizer Geschäft darf nicht unterschätzt werden. Seit Monaten klagen CS-Banker darüber, wie sensitiv insbesondere die hiesige Retailkundschaft auf Meldungen der Massenmedien reagiert. Ein direkter Konnex ist zwar schwierig zu belegen. Doch die CS hat im Schweizer Heimmarkt – seit Jahren der Fels in der Brandung der kriselnden Grossbank – im vergangenen Jahr nicht nur verwaltete Vermögen verloren, sondern auch Spareinlagen im Milliardenhöhe.

Wie dem am (gestrigen) Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht der Grossbank zu entnehmen ist, sind 2022 neben den Netto-Vermögensrückzügen von 5,4 Milliarden Franken bei der «Swiss Bank» auch in hierzulande gebuchte Spargelder von knapp 18 Milliarden Franken abgeflossen. Die Zeitung «Tages-Anzeiger» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete über einen noch deutlich höheren Abfluss von Einlagen im Umfang von 51 Milliarden Franken. Mit anderen Worten: auch im Heimarkt ging es für die CS im vergangenen Jahr ans Eingemachte.

Konkurrenten reden über CS-Effekt

Wie der Bankkonzern ebenfalls im Geschäftsbericht zugeben musste, konnten die Abflüsse bis dato nicht gestoppt werden. Nach dem Absturz der CS-Titel am Mittwoch und der Newslage rund um die Bank ist es nun sehr wahrscheinlich, dass Kunden weiteres Geld aus der CS herausnehmen.

Diese Summen fliessen zur Konkurrenz – in der Schweiz im vergangenen Jahr sowohl zu Retailhäusern wie auch zur Konkurrenz im Private Banking. Das ist insofern bekannt, als manche Häuser offen über die Zuflüsse berichteten. So sagte Raiffeisen-Schweiz-Chef Heinz Huber zu finews.ch, im vergangenen Herbst habe sich Liquidität von der CS in Richtung der Genossenschaftsbanken bewegt. Auch bei den Privatbanken Lombard Odier und J. Safra Sarasin sprachen Mitglieder der Unternehmensführung offen über den «CS-Effekt.»

«Eine Weile in Ruhe lassen»

Im selben Atemzug hiess es dazu meistens, dass die Lage der CS dem Finanzplatz schade. Dennoch haben dessen führenden Institute, die Aufsicht und der Bund, der langen Agonie um die systemrelevante Bank bisher weitgehend zugesehen. Der vormalige Finanzminister Ueli Maurer brachte diese Haltung im vergangenen Dezember auf den Punkt, als er empfahl, man solle die CS «eine Weile in Ruhe lassen».

Doch ruhig ist es um das Institut seither nicht geworden, im Gegenteil. Die Entwicklung wird aber hierzulande bestenfalls zur Kenntnis genommen, und nicht selten mit Häme quittiert.

Dabei geht scheinbar vergessen, dass hier ein systemrelevantes Institut in Schieflage geraten ist. Es kann keinesfalls im Interesse des Landes liegen, dass sich dessen Zustand weiter verschlechtert. Noch ist die CS kein Sanierungsfall: Angesichts der Milliarden-Abflüsse musste die Bank zwar im vergangenen Herbst zeitweilig Liquditätspuffer aktivieren. Auf dem heutigen Stand gilt sie aber mit einer Quote des harten Kernkapitals (CET1) von 14,1 Prozent per Ende 2022 als ausreichend kapitalisiert. 10 Prozent markieren das regulatorische Minimum in der Schweiz.

Viele Unwägbarkeiten

Auch Bankpräsident Axel Lehmann wies dieser Tage speziell auf diesen Punkt hin: Staatshilfe sei für das Institut kein Thema, sagte er am Rande einer Investorenkonferenz.

Doch von der Schweizer Öffentlichkeit wird eine solche längst rege diskutiert. Noch gibt es keine konkreten Hinweise, dass es so weit kommen wird. Eine Stützung mit Steuergeldern böte insofern den Vorteil, als dies im Jahr 2008 schon bei der Konkurrentin UBS letztlich mit Erfolg geprobt wurde.

Dagegen ist die Abwicklung einer Grossbank nach den Too-big-to-fail-Kriterien noch nie durchgeführt worden. Laut guten Kennern der Schweizer Regulierung würden hier im Ernstfall Unwägbarkeiten zuhauf drohen. So viel ist jetzt schon sicher: Zum Scherzen wäre ein solches Szenario sicher nicht.

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