Der Chef der amerikanischen Börsenaufsicht spricht in Brüssel. Von Gary Genslers Worten hängt der Zugang der Schweizer Krypto-Szene zum boomenden US-Markt wesentlich mit ab.

Eigentlich dreht sich das Treffen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament in Brüssel um Fragen, welche nur die Unionsmitglieder angehen. Doch der Stargast des Treffens vom (heutigen) Mittwoch ist ein Amerikaner: Gary Gensler, der neue Chef der mächtigen US-Börsenaufsicht SEC.

Der hochrangige Behördenvertreter soll gemäss Agenda über die transatlantische Kooperation in Finanzbelangen referieren. Doch steht dabei schon fest, was in Genslers Ansprache als Thema herausragen wird: Das weltweit boomende Geschäft mit digitalen Token und Coins, und wie es aus Sicht der Behörden zu regulieren ist.

Nicht von ungefähr beugt sich der EU-Ausschuss heute nochmals über den so genannten Digital Services Act, ein Gesetz, das EU-weit einen einheitlichen Binnenmarkt für digitale Dienste schafft.

«Ein fehlendes Puzzle-Teil»

Wenn Gensler ans Podium tritt, werden auch die Blockchain-Aficionados im Zuger Crypto Valley die Ohren spitzen. Denn was der Chef der US-Börsenaufsicht zu sagen hat, könnte mit dazu beitragen, den grössten Vermögensverwaltungs-Markt der Welt – die USA – für das Krypto-Business aus der Schweiz zu öffnen.

Dies, nachdem die Amerikaner in Sachen Krypto-Regulierung zuletzt auf die Bremse getreten sind oder viel Verwirrung gestiftet haben.

«Gensler ist ein fehlendes Puzzle-Teil  in der Frage, wie in wichtigen Jurisdiktionen mehr Gewissheit geschaffen werden kann», kommentierte Tina Balzli, eine auf Krypto und Blockchain spezialisierte Anwältin bei der Kanzlei CMS Law in Zürich, auf Anfrage von finews.ch.

Ein 2-Billionen-Dollar-Business

Nun scheint der SEC-Chef von neuem Elan ergriffen zu sein. Bei Werten von rund 2 Billionen Dollar weltweit sei das Geschäft mit digitalen Anlagen auf einem Niveau angelangt, wo es einen regulatorischen Rahmen brauche, erklärte Gensler im Vorfeld seines Auftritts in Brüssel der Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig). Dies jedenfalls, wenn das Business in zehn Jahren noch relevant sein wolle.

«Redet mit uns», sagte Gensler an die Adresse der Akteure in den USA. Die dort aus dem Boden schiessenden Kryptobörsen, würden teilweise das Wall-Street-Establishment schon in den Schatten stellen – so etwa die börsennotierte Handelsplattform Coinbase, die im zweiten Quartal 2021 einen Gewinn von 1,6 Milliarden Dollar eingespielt hatte. Der SEC-Chef sähe diese neuen Akteure gerne unter seiner Obhut, doch noch ist die Frage nicht abschliessend geklärt, ob Coins und Token tatsächlich als Wertschriften reguliert werden können.

Zudem liebäugeln auch andere US-Behörden mit der Aufsicht über den aufstrebenden Markt. Selbst innerhalb der Behörde SEC ist die Meinung der Kommissare zu Krypto gespalten.

Eine Frage des Vertrauens

Dass eine Regulierung stattfinden muss, daran lässt der Amerikaner jedeoch keinen Zweifel. «Die Geschichte zeigt uns, dass ein Markt ausserhalb aller Regeln nicht lange überlebt. Denn im Finanzwesen geht es am Ende um Vertrauen», mahnte er gegenüber der «Financial Times».

Letzteres würden wohl die meisten Akteure in der aufstrebenden Krypto-Branche unterschreiben. Der junge Markt konnte in den vergangenen Jahren Milliarden von einem breiteren Kreis von Investoren anziehen. Doch das ganz grosse Geld fliesst erst, wenn die Masse der institutionellen Investoren auf den Zug aufspringt. Das ist jedoch undenkbar ohne ein verlässliches und von Behörden abgesegnetes Regelwerk. Wäre dieses jedoch einmal festgelegt, dann ist der US-Markt reif, um auch von Schweizer Akteuren beackert zu werden.

«In der Schweiz haben wir einen Ferrari gebaut in Sachen Regulation von digitalen Anlagen», erläutert Expertin Balzli mit Blick auf die Arbeit der hiesigen Behörden. «Aber was fehlt, ist der Anschluss zu den USA, zur EU und natürlich zu Asien.»

Giftige Pille

Zuletzt sah es jedoch nicht danach aus, als wären die Staaten bereit zum Brückenschlag. Anfang August winkte etwa der US-Senat ein gewaltiges Finanzierungs-Programm durch, in dessen Zuge mehr als 1'000 Milliarden Dollar zur Erneuerung der Infrastruktur in den USA mobilisiert werden. Das Programm enthielt jedoch ein für die Krypto-Szene giftige Pille: Weite Teile der Branche sind zu Steuerauskünften gezwungen, die sich gar nicht bereitstellen können.

Die neue Infrastruktur-Vorlage werde zur Folge haben, dass viele Krypto-Akteure ins Ausland gezwungen werden, entrüstete man sich damals in der Branche. Den USA würden so Wachstum und künftige Jobs entgehen. Das können amerikanische Behörden, die neben der Aufsicht immer auch ein Stück weit Standortpolitik verfolgen, nicht wollen. Man darf deshalb auf den Auftritt von Gensler in Brüssel gespannt sein.

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