Krisen halten sich nicht an vorgefertigte Kommunikationspläne. Wichtiger sind Flexibilität, Einsatzbereitschaft und eine Reihe weiterer Grundsätze, schreibt der frühere UBS- und Credit-Suisse-Mediensprecher Dominique Gerster in seinem Beitrag für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Krisen in der Finanzindustrie, die unbeabsichtigte, negative öffentliche Aufmerksamkeit mit substanziellem Schaden für die Reputation und das Kundengeschäft nach sich ziehen, können unterschiedlichste Formen annehmen. Jede Krise hat andere Ursachen, Treiber und Folgen und verlangt deshalb nach einem massgeschneiderten Set an Kommunikationsmassnahmen.

Vorbereitete Kommunikationspläne für ausgewählte Szenarien gehören zwar zu einem umsichtigen Business Continuity Management. Sie können aber den konkreten Ernstfall kaum je antizipieren oder werden bei Ausbruch der Krise in der Hektik schlicht übergangen.

Generell gilt, dass zumindest bei klar identifizierbaren Geschäftsvorfällen die Abläufe einigermassen vorhersehbar und damit planbar sind. So muss beispielsweise ein durch eine Bank erlittener Verlust als Folge mangelhaften Risikomanagements kommuniziert werden, sobald das Ausmass bekannt ist.

«One-Offs und exogene Ursachen: Minimum an Planbarkeit ist gegeben»

Der finanzielle Schaden kann hoch und die Reaktion der Öffentlichkeit besonders bei der erstmaligen Bekanntgabe des Vorfalls heftig sein. Der Reputationsschaden wird längerfristig gesehen überschaubar sein – insbesondere, wenn es sich «nur» um ein isoliertes, singuläres Ereignis handelt, auf das eine konsequente Aufarbeitung folgt.

Exogene Schocks wie eine Pandemie oder geopolitische Ereignisse können die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs vor gewaltige Herausforderungen stellen. Auch wenn solche Vorkommnisse schwer voraussehbar und planbar sind, stellt der Kommunikationsplan aber im Wesentlichen ein Derivat des taktgebenden Businessplans zur Bewältigung der Krise dar, was den Druck auf die Kommunikationsabteilung etwas abschwächt. Je nach Ereignis stehen zudem nicht einzelne Unternehmen im Fokus, weil eine gesamte Branche oder im wie bei Covid-19 sogar der ganze Planet betroffen ist.

«Geschädigte Kunden nagen an der Reputation»

Komplexer und «dynamischer» aus Sicht der Kommunikation gestalten sich Vorfälle, bei denen Kundinnen und Kunden oder Anlegerinnen und Anleger einen Schaden erleiden. Die Frage, ob und inwieweit die Bank für den Schaden ihrer Kundinnen einzustehen hat, wird zur öffentlich ausgetragenen Debatte.

Wenn darüber keine schnelle Einigung erzielt werden kann, führt ein jahrelanger öffentlicher Schlagabtausch zwischen der Bank und ihren (ehemaligen) Kundinnen zu einem nachhaltigen Reputationsschaden. Kommunikationsveratnwortliche werden dabei immer wieder aufs Neue überrascht von lancierten Klagen, nachteiligen Gerichtsentscheiden oder geschädigten Kunden, die mit ihrer Geschichte noch Jahre nach dem eigentlichen Ereignis und der Unterstützung von PR-Beraterinnen an die Öffentlichkeit treten.

«Chaos total: Reputations- und Vertrauenskrisen»

Besonders stark gefordert sind Kommunikationsfachleute in eigentlichen Reputationskrisen, bei denen die Ursache, «der Feind», nicht oder nicht eindeutig auszumachen ist. So können dabei von Medien Geschäftspraktiken thematisiert werden, die illegal oder zumindest nicht opportun sein sollen. Oder die Integrität eines Geschäftsleitungsmitglied wird infrage gestellt, wobei die Medien häufig auf viele ungenannte Quellen zurückgreifen.

In solchen Fällen sind intern die Fakten schwer zu etablieren, weil es um Themen geht, die eng mit dem Privatleben der kritisierten Personen verknüpft oder Gegenstand laufender Untersuchungen sind. Als Folge davon gelingt es äusserst selten, die Kommunikationsereignisse im Voraus zu identifizieren, und die Kommunikationsabteilung wird laufend von der Aktualität ein- und überholt.

Fünf Grundsätze der Krisenkommunikation

Allen hier skizzierten Arten von Krisen bei Finanzinstituten ist gemein, dass sich die kommunikative Bewältigung im besten Fall ansatzweise, häufig jedoch gar nicht planen lässt. Entsprechend ist Kommunikationsverantwortlichen zu empfehlen, sich konsequent an fünf Grundsätzen zu orientieren, die im Ernstfall zentral sind.

  • 1. Schnelle Etablierung eines Krisenstabs

Die schnelle Verfügbarkeit der zuständigen Entscheidungsträger ist zentral. In der Regel gehören dazu neben dem CEO im Minimum die Verantwortlichen von Human Resources, dem Rechtsdienst, dem betroffenen Geschäftsbereich und der Unternehmenskommunikation.

Das Core-Team kommt dabei bis zu mehrmals täglich zusammen, um die Fakten zu etablieren und daraus die erforderlichen Massnahmen abzuleiten. Die Kommunikationverantwortlichen orientieren über die Quantität und die Tonalität der Medienberichterstattung und erarbeiten Szenarien-basierte Stellungnahmen. Zudem planen sie bei Bedarf Medienkonferenzen und Journalistengespräche.

  • 2. Mitarbeitende und Kunden verdienen besondere Aufmerksamkeit

Wenn die globalen Wirtschaftsmedien mit dicken Schlagzeilen Untergangsszenarien beschwören oder in den sozialen Medien Köpfe gefordert werden, dann richtet sich das Augenmerk der Geschäftsleitung reflexartig auf die Medienberichterstattung und den Umgang damit. Typischerweise mit dem Effekt, dass die Interessen von Mitarbeitenden und Kunden in den Hintergrund rücken.

Spätestens wenn es nicht mehr gelingt, die Mitarbeitenden «real time» über neue Erkenntnisse zu informieren, verliert das Unternehmen die Kommunikationshoheit, weil die Angestellten dann verständlicherweise beginnen, spekulative Schlagzeilen als Fakten zu interpretieren und die Fragen ihrer Kundinnen auf der Basis von Medienartikeln zu beantworten.

  • 3. Informationsfluss im Unternehmen sicherstellen

Genauso wie der CEO regelmässig Kommunikations-Updates erhält, müssen die KommunikatorInnen und MediensprecherInnen jederzeit auf die Fakten wie Untersuchungsberichte, Gerichtsurteile oder Rechtsgutachten Zugriff haben. Nur ein informiertes Team kann sicherstellen, dass das Unternehmen die Informationshoheit gegenüber der Öffentlichkeit wahren kann.

Dies setzt voraus, dass neben dem mit Entscheidungsträgern besetzten Krisenstab weitere Plattformen etabliert werden, die den schnellen Austausch und damit Konsistenz der Botschaften auf allen Ebenen ermöglichen. Die Kommunikation muss sich dabei so aufstellen, dass neben dem vertikalen Austausch mit dem Senior Management auch ausreichend Zeit verbleibt, um sich gegenseitig à jour zu halten.

  • 4. Stakeholder-Kontakte vor der Krise etablieren

Wer sich bei den ersten Schlagzeilen erst schlau machen muss, welche Journalisten für welches Medienhaus arbeiten oder welche Resonanz ein gewisser Kommentarschreiber auf X erzeugen kann, kommt zu spät.

Die Kommunikationsabteilung muss ihre Ansprechpartner seitens der Medien bereits kennen, damit im Krisenfall nicht Missverständnisse und Emotionen die Arbeit unnötig erschweren, sondern – basierend auf einem professionellen Verständnis der jeweiligen Rollen – eine zeitnahe und faire Zusammenarbeit möglich ist. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Arbeit mit anderen bedeutenden Stakeholdern wie Vertreterinnen der Politik, NGOs, Investoren und Regulatoren.

  • 5. Fehlerkultur leben und Teamgeist bewahren

Eine Krise würde ihren Namen nicht verdienen, wenn sich trainierte Abläufe stets eins zu eins auf die eingetretene Situation applizieren liessen. Das Gegenteil ist der Fall: Eine Krise kann paralysieren und zutiefst verunsichern – auch die Chefs! Die Kommunikationsabteilung muss die Fakten kennen, eine Strategie vorlegen, das Management beraten, Medienanfragen beantworten, Kundenbriefe ausarbeiten und Mitarbeiterkommunikation vorlegen. Und das alles gleichzeitig.

Das Ergebnis wird aufgrund des Zeitdrucks kaum vom ersten Tag an perfekt sein. Neben den hievor genannten Faktoren braucht es deshalb vor allem eine einsatzbereite, motivierte und engagierte Kommunikationscrew, die nicht davor zurückschreckt, in jeder Krise auch Fehler zu machen und daraus zu lernen.

«Effektive Krisenkommunikation erfordert ein gesundes Mass an Vorbereitung»

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass effektive Krisenkommunikation ein gesundes Mass an Vorbereitung erfordert, indem für alle planbaren Vorfälle in enger Abstimmung mit dem Business Continuity Management Szenarien entworfen werden müssen.

Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass wenn die Krise einmal da ist, es in erster Linie auf Agilität, Kollaboration und einen funktionierenden Informationsfluss ankommt.


Dominique Gerster ist freischaffender Autor und war zwischen 2005 und 2024 bei der UBS und der Credit Suisse in leitenden Funktionen der Unternehmenskommunikation tätig.


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