Die italienische Bank Unicredit sucht einen neuen CEO – als Nachfolger kommen gleich drei altgediente des Metiers mit Schweizer Karrierestation in die Auswahl. Dieser Automatismus wirft Fragen auf.

Bei der italienischen Bank Unicredit warf Jean Pierre Mustier, ein Franzose, letzten Dezember entnervt das Handtuch. Für ihn könnten nun Tidjane Thiam (Bild unten), Andrea Orcel oder Martin Blessing nachrücken – ein Franko-Ivorer, ein Italiener und ein Deutscher, allesamt mit hochrangigen Karrierestationen in der Schweiz.

Das zeigt: im europäischen Banking, zu dem auch der hiesige Bankenplatz zählt, dreht das CEO-Karrussell so munter wie eh und je. Und wer es in die Topliga der C-Suite-Banker geschafft hat, kann sich auf weitere Runden beim nächsten Institut Hoffnung machen. Dies sogar dann, wenn wie bei Thiam und Orcel der letzte Posten unter Nebengeräuschen geräumt werden musste oder wie im Fall von Blessing die Altersguilliotine droht.

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Weichen für die Zukunft stellen

Wer hat, dem wird gegeben – das ist in der Rekrutierung von Bankmanagern scheinbar zum Automatismus geworden.

Angesichts des Digitalisierungs-Schubs durch die Coronakrise, des Druck aufs traditionelle Zinsengeschäft und der um sich greifenden Plattform-Ökonomie und Finanz-Ökosysteme darf allerdings die Frage gestellt werden, ob den Banken mit dem ewig drehenden Karrussell noch gedient ist. Sind die Finanzveteranen noch die richtigen Kräfte, um die Weichen für die Zukunft zu stellen – oder bräuchte es nicht vielmehr Talente aus anderen Branchen wie der Tech-Industrie oder anderen Regionen wie etwa den USA oder Asien? Und: sind die in straffen Hierarchien sozialisierten Mittfünfziger in der Lage, neue Führungsmodelle anzuwenden, die für den Zuzug junger Talente wichtig sind?

Der Haken bei Hamers

Diese Fragen, so scheint es, werden weiter weitgehend ausgeblendet. Das liess sich zuletzt auch bei Schweizer Instituten beobachten, die sich ebenfalls als Teil des Karussells verstehen. So designierte die Credit Suisse (CS) António Horta-Osório letzten Dezember zum neuen Präsidenten. Der 56-jährigen Portugiese mit Investmentbank-Hintergrund wechselt dazu von der britischen Lloyds Bank in die Schweiz; für ihn rückte bei Lloyds der Brite und HSBC-Manager Charlie Nunn nach.

Als geradezu fortschrittlich erwies sich die UBS, die zwar vergangenen November mit Ralph Hamers (Bild unten) ebenfalls einem früheren Grossbanken-CEO die operativen Zügel überliess, aber einem, der sich als Digitalisierer einen Namen gemacht hat. Als problematisch erweist sich bei Hamers nun aber der Usus, auch durch Finanzaffären vorbelasteten Managern Zutritt zum «Rösslispiel» zu gewähren. Wegen eines möglichen Geldwäscherei-Strafverfahrens in den Niederlanden, wo Hamers zuvor die Bank ING führte, droht er bei der Schweizer Grossbank als CEO aus dem Rennen fallen.

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Beliebter Schweizer Hub

Es wäre auch ein herber Rückschlag für ihn selber, gilt doch das Swiss Banking als ausserordentlich attraktiv in der europäischen Bankenlandschaft. Die Grossbanken UBS und CS stehen dank der Ausrichtung auf die wenig kapitalintensive Vermögensverwaltung vergleichsweise solide da. Die gute Ausgangslage lässt eine Vielzahl von Planspielen zu – insbesondere, wenn die lang erwartete grenzüberschreitenden Konsolidierung in Europas Bankbranchen in Gang kommt.

Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Schweizer Grossbanken zahlen besser. Hamers-Vorgänger Sergio Ermotti war bei der UBS regelmässig der bestverdienende Bankchef auf dem Kontinent.

Entsprechend ist der Schweizer Stellen-Hub bei ausländischen Bankern beliebt. Die einstige Managerin bei der bayerischen Hypovereinsbank Christine Novaković (Bild unten) stiess 2011 nach einem Intermezzo im Kunsthandel zur UBS. Dort stieg die Südtirolerin seither zur Leiterin der europäischen Vermögensverwaltung und zur Chefin der UBS-Europabank auf. Blessing wiederum wechselte von der Spitze der deutschen Kommerzbank 2016 zur grössten Schweizer Bank, wo er zuerst die Leitung des Heimmarkts übernahm.

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Von Julius Bär zur Credit Suisse

Im Gespräch für den CEO-Posten bei der UBS war zeitweilig auch der Österreicher Christian Meissner, der bei der Bank of America Merrill Lynch Karriere gemacht hatte. In der Schweiz wurde er dann erst Verwaltungsrat der Privatbank Julius Bär, um schliesslich vergangenen Oktober einen wichtige Funktion in der CS-Vermögensverwaltung zu übernehmen.

Dahingestellt ist beim europäischen Banken-CEO-Karussell indes, ob sich dafür überhaupt noch Nicht-Banker finden lassen. Mit der Coronakrise hat sich der staatliche und regulatorische Zugriff auf Europas Banken intensiviert. Die Institute werden bei Dividenden und der Lohngestaltung gegängelt, in Italien greift der Staat gar in die Strategie ein: Die Regierung will dort etwa, dass Unicredit die marode und verstaatlichte Konkurrentin Monte dei Paschi übernimmt – was ein wesentlicher Grund fürs Ausscheiden von Mustier bei der Unicredit gewesen sein dürfte.

Protektionismus als Problem

Manuel Romera, ein Finanzwissenschafter aus Madrid, schrieb kürzlich in einem Essay für finews.ch, dass das Eingreifen und der Protektionismus der Regierungen mit dafür verantwortlich seien, dass ein grosse grenzüberschreitenden Bankenfusion in Europa bisher nicht stattgefunden habe.

Der Finanzprofessor sagte aus europäischer Sicht auch klipp und klar, was nun dringend für die Branche sei. «Angesichts der grossen Schwierigkeiten fürs Bankgeschäft besteht die Herausforderung jetzt darin, neue digitale Geschäftsmodelle sowie Bilanz- und Regulierungs-Gleichgewichte zu finden und ferner zu verstehen, welchen Schwierigkeiten sich die Banken ausgesetzt sehen, um weiter bestehen zu können und um ein rentables Geschäft zu gewährleisten.»

Zu erwarten wäre eigentlich, dass dazu auch frische Köpfe an der Spitze der Industrie nötig sind.

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