Bei der Credit Suisse hat CEO Thomas Gottstein die hochkarätig besetzte Nachhaltigkeits-Woche eröffnet. Angesichts der jüngsten Pannen bei der Grossbank klingt dies wie ein Hohn – hat aber strategisch Methode.

Für ihre «Sustainability Week» hält die Credit Suisse (CS) ein beeindruckendes «Line-up» bereit. An den Podien, die noch bis am 1. Juli andauern, sprechen so einflussreiche Persönlichkeiten wie Klimawandel-Zar Mark Carney, der Verleger und ehemalige US-Präsidentschafts-Kandidat Michael Bloomberg, sowie die Uno-Friedensbotschafterin und Primaten-Forscherin Jane Goodall.

Tennis-Fan interviewt Tennis-Crack

Die Moderation des erstmals in dieser Form stattfindenden Anlasses nimmt die Bankführung gleich selber in die Hand. CS-Präsident und Tennis-Fan António Horta-Osório interviewt Philanthrop und Tennis-Crack Roger Federer. Auftritte haben zudem Nachhaltigkeits-Chefin Marisa Drew – sowie CEO Thomas Gottstein (Bild unten) selber.

Am (gestrigen) Montag eröffnete der Bankchef die Konferenz mit einer Ansprache, in der er nochmals die Ambition der CS unterstrich, sich als «Sustainability»-Führerin der Branche zu positionieren. Weitere Kernthemen der «Nachhaltigkeits-Woche» bei der Grossbank stellen etwa das Nullemissions-Ziel, die Biodiversität und der Umstieg auf alternative Energiequellen dar.

Die Konferenz richtet sich vor allem an die Kunden; Zweck ist es, den Ansichten von Meinungsführenden eine stärkere Resonanz zu geben, heisst es beim Institut auf Anfrage von finews.ch.

thomas gottstein

Minen und Stahlschmelzen als Schuldner

Angesichts des Doppel-Debakels um die geschlossenen Greensill-Fonds und die New Yorker Finanzfirma Archegos nimmt sich das Schaulaufen der Bank wie ein Hohn aus: Nachhaltig geführte Unternehmen müssen gemäss der ESG-Dreifaltigkeit nicht nur auf Umwelt und Gesellschaft achten, sondern auch auf die gute Geschäftsführung, zu Englisch Governance.

Just in diesem Bereich lassen die jüngsten Vorfälle eklatante Mängel bei der CS vermuten. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) ermittelt sowohl in Sachen Archegos wie auch wegen den geschlossenen Greensill-Fonds bei der Bank – und sucht explizit nach möglichen Mängeln im Risikomanagement. Eine bankinterne Untersuchung des CS-Verwaltungsrats zu den beiden Fällen läuft noch.

Ebenfalls unschön: Bei den CS-Greensill-Fonds stehen wenig umweltfreundliche Schuldner wie das Stahlkonglomerat GFG Alliance und die Kohleminen-Betreiberin Blue Stone mit Hunderten Millionen Dollar in der Kreide. Und nicht zu vergessen – es läuft weiterhin eine Untersuchung der Finma im Zusammenhang mit der «Spygate»-Affäre. Hier geht es explizit auch darum, zu klären, ob mit der Bespitzelung von Angestellten Governance-Richtlinien übertreten worden sind.

Gottsteins Pioniertat

Das alles würde vermutlich genügend Material für ein peinliche Nabelschau bei der Grossbank liefern – dem Vernehmen nach wird der Archegos-Greensill-Komplex jedoch an der Konferenz nicht zur Sprache kommen. Dass die CS-Führung die Veranstaltung nicht gleich abgesagt hat, mag unter diesen Umständen erstaunen.

Bei genauerem Hinsehen ist hinter der Show aber auch strategisches Kalkül zu erkennen. Und dieses dürfte mit Blick auf die Zukunft der Bank höchst bedeutsam werden.

Rückblende: erst wenige Monate als CEO im Amt, erklärte Gottstein vergangenen Juli Nachhaltigkeit zur strategischen Priorität; er verhalf dem Thema mit der Ernennung von Investmentbankerin Lydie Hudson (Bild unten) zur CEO Sustainability, Research & Investment Solutions auch in der CS-Geschäftsleitung zu einer Stimme. Einher mit der Ernennung Hudsons ging das Vesprechen, in den nächsten zehn Jahren über 300 Milliarden Franken an nachhaltigen Finanzierungen bereitzustellen.

Hudson 500

Wie gewonnen...

Ein mutiger, ja pionierhafter Schritt, wie finews.ch damals urteilte. Weitere Bekenntnisse wie der Ausstieg aus der Finanzierung von Kohleförderern, das Nullemissions-Ziel oder die Initiativen zugunsten der Weltmeere folgten; die Bank hat nun aber die sorgfältig aufgebaute Glaubwürdigkeit mit ihren Greensill- und Archegos-Verstrickungen gleich wieder aufs Spiel gesetzt.

Wie sich zeigt, ist es nicht etwa ein Feigenblatt, das da wegzuflattern droht. Bei der Nachhaltigkeit geht es bei den Schweizer Grossbanken mehr und mehr ums Eingemachte. So hat die Finma die CS und ihre Erzrivalin UBS ab dem Juli verpflichtet, die Öffentlichkeit über mögliche Klimarisiken in ihrem Geschäft zu informieren.

Rückläufiges Engagement

Vorerst geht es dabei um gesteigerte Transparenz; doch in Zukunft müssen die Grossbanken achtgeben, nicht auf wegen des Klimaschutzes unverkäuflich gewordenen «stranded assets» sitzen zu bleiben. Der Abbau potenzieller Positionen hat bereits begonnen: Laut dem aktuellen Nachhaltigkeits-Bericht der CS ist deren Engagement im Bereich Öl und Gas seit 2015 tendenziell rückläufig. Von 9,1 Milliarden Dollar im vierten Quartal 2015 sind die Positionen auf 7,1 Milliarden Dollar im vierten Quartal 2020 gesunken.

Schon jetzt sehr teuer zu stehen kommt den Grossbanken – und ihren Aktionären – die wiederholte Fehleinschätzung von Rechtsrisiken. Wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) jüngst aufschlüsselte, müssen die UBS und die CS die operationellen Risiken in ihrer Bilanz deshalb mit viel mehr Eigenkapital absichern als die ausländische Konkurrenz. Greensill und Archegos, folgerte die SNB, illustrierten einmal mehr die Notwendigkeit der geltenden Kapitalvorschriften.

Gewaltiges Potenzial

Entsprechend liessen sich mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell Millionen, wenn nicht Milliarden Franken einsparen. Vom potenziellen Geschäft ganz zu schweigen: Die CS beschrieb bereits 2018 die Werte der sogenannten «Millennials», die soziale und ökologische Aspekte in ihrem Investmentverhalten hoch gewichten und als dereinstige Erben-Generation ein Private-Banking-Potenzial von 40'000 Milliarden Dollar darstellen.

Mittelfristig könnte die Nachhaltigkeit-Strategie gar entscheidend sein, um die Unabhängigkeit der Grossbank zu bewahren. Dieser Tage rankten sich einmal mehr Übernahme-Spekulationen um die Titel der CS; es ist kein Geheimnis, dass diese an der Börse unter Buchwert handeln und die Bank damit ein Schnäppchen für Angreifer wäre.

Neuer Hebel für Raider

Gerade aktivistische Finanzinvestoren sind derzeit auf dem Vormarsch – und die Raider haben in der Nachhaltigkeit einen neuen Hebel entdeckt. Nach dem Einstieg bei Unternehmen fordern sie diese entsprechend auf, klimabelastende Sparten oder solche mit Governance-Risiken abzustossen.

Dabei wird durchaus mit harten Bandagen gefochten: Im Verwaltungsrat des amerikanischen Öl-Multis Exxon Mobil haben Aktivisten inzwischen drei Sitze erobert, und fordern von dort aus nun die strategische Wende zu sauberer Energie.

Mit einer ähnlichen Argumentation könnte ein Firmenraider im zersplitterten CS-Aktionariat relativ leicht eine Abspaltung des zuletzt Pannen-anfälligen Investmentbanking fordern. Kommt es dazu, wäre es für die CS-Führung höchst hilfreich, mehr in der Hand zu haben als ein blosses Feigenblatt.

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