Die überraschend hohe Zinssteigerung der Nationalbank markiert eine Zäsur für den Schweizer Bankenplatz. finews.ch zeigt in acht Punkten, was die Herausforderungen für hiesigen Institute sein könnten – von der Schuldenkrise 2.0 bis zum sicheren Hafen.

1. Inflation im Visier der SNB

Verfassung und Gesetz tragen der SNB auf, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Im Falle von Zielkonflikten hat die Preisstabilität Vorrang. Mit der für die Märkte überraschenden Straffung der Leitzinsen hat die Preisstabilität nun wieder die klare Priorität zurückerhalten. Offenbar erachtet die SNB die Gefahr einer überschiessenden Teuerung nun wieder grösser als die Risiken einer Abschwächung der Wirtschaft durch höhere Zinsen.

Das war länger nicht mehr so. Um der Überbewertung der heimischen Währung entgegenzuwirken, hatte die SNB im Januar 2015 den Zins auf Giroguthaben der Banken auf minus 0,75% gesenkt. Dieser Negativzins wirkte einer Straffung der monetären Rahmenbedingungen entgegen, indem er das Halten von Franken gegenüber anderen Währungen unattraktiver machte. Zuvor hatte die SNB mit einem Mindestkurs von 1.20 Franke je Euro sogar direkt in das Währungsgefüge eingegriffen. Sie wollte damit die Überbewertung des Frankens korrigieren und der Exportwirtschaft unter die Arme greifen - unter Inkaufnahme des Aufbaus von inflationären Tendenzen.

2. Mehr Freiraum gegenüber der EZB

Natürlich agiert die SNB nicht im luftleeren Raum. Bei Schweizer Notenbanksitzungen war das Zinsnarrativ lange Zeit mehr oder weniger stets dasselbe: Solange die Europäischen Zentralbank nicht an der Zinsschraube dreht, wird sich auch die SNB damit zurückhalten. Der gestrige Zinsschritt der SNB markiert nun eine Trendwende.

Über ein Jahrzehnt lang kämpften die Schweizer Währungshüter gegen die Deflation und gegen die Frankenstärke – und schielten dabei stets auf die Zinspolitik der EZB. Mit ihrer Entscheidung, die Zinsen vor der EZB anzuheben, hat die SNB nun das Heft wieder in die Hand genommen. Sie signalisiert auch, dass eine Aufwertung des Franken für sie kein Problem mehr darstellt. Gleichzeitig verschafft sie sich in ihrer Zinspolitik mehr Freiraum gegenüber der EZB und zusätzliche Glaubwürdigkeit auf ihrem weiteren geldpolitischen Kurs, zumal sie jetzt mehr Spielraum hat.

3. Jenseits der Grenze die Schuldenkrise 2.0

Werden es 25 oder womöglich gar 50 Basispunkte sein? Nicht, ob sie die Zinsen erhöhen wird, sondern um wie viel, ist mittlerweile die Debatte im Vorfeld des nächsten EZB-Zinsentscheids. Den Beginn der Zinswende haben die Euro-Währungshüter für den 21. Juli in Aussicht gestellt. Damit rückt ein neues Spannungsfeld zunehmend ins Blickfeld: In den meisten EU-Ländern notiert die Staatsverschuldung auf einem Rekordhoch. Und mit den steigenden Zinsen verteuert sich nun die Refinanzierung für die Regierungen. Noch hat die nächste Eurokrise nicht begonnen.

An den Anleihenmärkten gab es allerdings in den vergangenen Tagen  bereits einen heftigen Kursrutsch, der nicht nur die Anleihen der üblichen Verdächtigen wie Italien, Spanien, Portugal oder Griechenland erfasste. Kommt es im Sog steigender Zinsen zu einer neuerlichen Schuldenkrise in Europa, wird das auch Schweizer Grossbanken belasten. Für das Jahr 2020 wies beispielsweise die UBS auf Länderbasis folgende Bilanzrisiken aus: Griechenland (23 Millionen Dollar), Italien (1’571 Millionen Dollar), Portugal (55 Millionen Dollar) und Spanien (822 Millionen Dollar). Für 2021 gab die Grossbank diese Zahlen im Geschäftsbericht nicht bekannt.

4. Strafzins-Milliarde wird den Bankern heiss in den Händen

Auf den Frankenschock von 2015 und die Verschärfung der Negativzinsen seitens der SNB reagierten die Schweizer Banken praktisch unisono: Einerseits legten sie den Referenzzins «zu hoch» bei Null fest, verlangten aber im wichtigen Hypotheken-Geschäft im Schnitt noch höhere 1,3 Prozent Zinsen. Derweil wurden kleinere Sparguthaben minimal verzinst und grössere Barbeträge mit Strafzinsen belegt. Die Experten der Beratungsfirma Orbit36 veranschlagen die Strafzins-Einkünfte der Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS), von Raiffeisen und den Kantonalbanken auf jährlich insgesamt 1 Milliarde Franken – keine kleine Summe also.

Die Banken schrauben die Zinsen von mehrjährigen Festhypotheken seit Monaten in die Höhe, was sich bei den Einnahmen wohl schon positiv bemerkbar gemacht hat. Weil der Referenzzins aber weiter fest bei Null liegt, hat die Zinserhöhung der SNB auf -0,25 Prozent noch keinen Einfluss auf das Preisgefüge bei Sparzinsen und variablen Hypotheken. Doch sollten die Zinsen mittelfristig in den positiven Bereich steigen, wird es für die Institute brenzlig: Wer nicht sofort nachzieht, riskiert, dass die Sparer zur Konkurrenz wechseln, warnen die Experten von Orbit36. Und weil Festgelder seit 2015 rar geworden und Kredite vorab kurzfristig mit Spargeldern refinanziert sind, könnte der eine oder andere Akteur gar in die Liquiditäts-Falle stolpern.

5. Ein Fenster für Fintechs

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.52%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.88%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.99%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.58%
pixel