Die führenden Privatbanken der Schweiz haben im zweiten Quartal durchs Band deutlich schlechtere Zahlen vorgelegt. Schuld daran ist nicht nur das Umfeld. Es haben Trends eingesetzt, die gegen die erfolgsverwöhnte Königsdisziplin arbeiten.

Der UBS kommen trotz gesteigertem Quartalsgewinn zeitweilig mehr als 10 Prozent an Börsenwert abhanden. Julius Bär verhängt einen Einstellungsstopp. Die Credit Suisse (CS) verliert in einem Jahresviertel 1,6 Milliarden Franken und ihren bisherigen Chef, Thomas Gottstein. Und selbst der Anleger-Liebling Vontobel musste praktisch bei jeder Referenzzahl einen Rückgang hinnehmen, wie auch finews.ch berichtete.

Das sind ziemlich viel «bad news» für eine einzige Woche. Doch noch mehr schlechte Neuigkeiten für die in den vergangenen zwei Jahren erfolgsverwöhnte Branche könnten folgen, wie finews.ch in sechs Punkten aufzeigt.

1. Treiber von einst zeigen nach unten

Während die Schweizer Vermögensverwaltung-Banken unter dem Strich beim Gewinn noch einiges kaschieren konnten, spricht ihre Ertragslage eine deutliche Sprache: Angesichts von schmelzenden Volumen, Geldabflüssen und dem «Deleveraging» bei der reichen Klientel verdienten die Banken weniger Gebühren. Dank der Zinswende verbesserte sich zwar die Zinserträge, wie sich gerade bei der UBS beobachten liess. So stieg der Nettozinsertrag der Sparte Globale Vermögensverwaltung (GWM) im zweiten Quartal zum Vorjahr um fast einen Viertel auf 1,27 Milliarden Dollar. Ein stolze Summe – aber nicht genug, um die Ausfälle bei den Einnahmen im Kommissionengeschäft auszugleichen.

Einmal mehr zeigt sich: in guten wie in schlechten Zeiten sind die Schweizer Privatbanken stark von der Entwicklung der verwalteten Vermögen abhängig. Remedur ist hier so schnell nicht in Sicht, gerade bei selbsternannten «pure plays» wie Julius Bär, die sich ausschliesslich auf das Private Banking konzentrieren. Der Verkauf von diskretionären Mandaten, die stete Gebühren abwerfen, ist zwar industrieweit ausgeweitet worden. Oftmals ist nun aber die Marge aus jenen Produkten ebenfalls rückläufig.

2. Test für Schönwetter-Kapitäne

Mit mehrmonatigen Buchverlusten von über 20 Prozent sind diverse westliche Börsen in einem Bärenmarkt angelangt. Die Frage ist nun, wie lange der Abwärtstrend anhält. Mit der gleichzeitig erfolgten Zinswende in führenden Währungen, der heftigen Rückkehr der Teuerung und neuem Blockdenken in der Weltpolitik stehen Vermögensverwalter vor einer grundlegend neuen Ausgangslage. Der viel bemühte Begriff von der Zeitenwende ist für sie tatsächlich zutreffend.

Das Problem: führende Schweizer Banker (es sind weiterhin kaum Frauen dabei) haben im seit dem Jahr 2009 anhaltenden Bullenmarkt Karriere gemacht. Manager wie UBS-Vermögensverwaltungs-Chef Iqbal Khan sorgten mit Angeboten wie Lombard-Krediten Furore, welche in der Tief- und Negativzins-Phase seit 2015 prächtig funktionierten. Nun betreten sie Neuland. Bei der CS wiederum geben neuerdings Kräfte der vorangehenden Generation den Ton an: Sowohl der designierte neue Bankchef Ulrich Körner wie der Präsident Axel Lehmann sind noch vor Finanzkrise und Weissgeld-Ära im Metier sozialisiert worden.

3. Die Kosten sind «sticky»

Viel Aufsehen hat die Ankündigung der CS vom vergangenen Mittwoch ausgelöst, das Kostenziel mittelfristig von derzeit gegen 17 Milliarden auf 15,5 Milliarden Franken zu senken. Doch ein brutaler Schnitt von «Uli the Knive» – ein Anspielung auf die Figur von Mackie Messer in der «Dreigroschenoper» von Bertolt Brecht –, wie der designierte CEO Körner in der angelsächsischen Presse nun genannt wird, ist dies eher nicht, wie finews.ch analysierte. Zum Einen handelt es sich um ein Mittelfristziel: Auf fünf Jahre hinaus die Kosten um höchstens 10 Prozent zu senken, klingt nicht nach viel. Zum anderen hat die CS auch im zweiten Quartal 2022 mehr Personal eingestellt und Top-Leuten sogar Halteprämien gezahlt.

Das zeigt beispielhaft, dass die Kosten im teuren Swiss Private Banking «sticky», also klebrig sind, wie auch schon Analysten der britischen Bank Barclays jüngst beobachteten: Geht es abwärts mit den Erträgen, können die Geldhäuser mit ihren Einsparungen nicht mithalten. Das Kosten-Ertrags-Verhältnis, das strukturell schon hoch ist, verschlechtert sich weiter. Bei der CS beträgt die Kennzahl aufgrund der Verlustserie mittlerweile extreme 130 Prozent.

4. Am Ende hilft nur Brutalität

Sinnigerweise vermeldete die Deutsche Bank am selben Tag wie die CS das Erbebnis im zweiten Quartal – und lieferte dabei das beste Resultat in der Periode seit 2011 ab. Anders als die Schweizer Konkurrentin hat die grösste Bank im nördlichen Nachbarland ihr Jammertal hinter sich gelassen. Bis ins Jahr 2020 hatten die Deutschbanker fünf Jahre in Serie Verluste eingefahren, bevor der Turnaround-Plan von CEO Christian Sewing zu greifen begann.

Natürlich: CS und Deutsche Bank sind weder von der Grösse her noch vom Geschäftsmodell unmittelbar vergleichbar, verfügen die Schweizer doch über eine gewichtigere Vermögensverwaltung und sind im Handel mehr auf Aktien ausgerichtet. Doch auch beim deutschen Marktführer bildet das Personal den zentralen Kostenblock. Hier hat Sewing durchgegriffen. Unter seiner Ägide hat das Institut Tausende Stellen gestrichen. Sinnigerweise zeigt sich nun bei der kriselnden deutschen Commerzbank eine Besserung ab, seit dort ebenfalls eine Entlassungswelle rollt. Daraus liesse sich die Formel ableiten: Bei Restrukturierungen im Banking hilft am Ende nur Brutalität.

5. Schluss mit dem Sonderstatus

Auch die Deutsche Bank musste am vergangenen Mittwoch zeitweilige Kursverluste hinnehmen, nachdem das Geldhaus bei den Zielen zurückschraubte. Dennoch zeigt sich, das in den Augen von manchen ausländischen Investoren die Schweizer Vermögensverwaltungs-Banken nicht mehr einen Sonderstatus geniessen. Dieselben Barclays-Analysten, welche Mitte Juli die Aktien von UBS und CS zum Verkauf empfohlen haben, ziehen nun die Titel von europäischen und britischen Grossbanken vor. Diese Experten mögen die Werte Natwest, HSBC, Société Générale und ABN Amro.

Ebenfalls zeigt sich, dass Morgan Stanley, die am meisten auf Vermögensverwaltung ausgerichtete Wall-Street-Bank, die UBS an der Börse in den vergangenen fünf Jahren stets ausgestochen hat. Ein möglicher Schluss daraus könnte sein: Wenn es ums Private Banking geht, ist die Schweiz nicht mehr zwingend die erste Wahl.

6. Die Schweiz als Nummer eins überrundet

In diese Richtung weisen auch aktuelle Studien zum Standort. So warnte die Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) jüngst, dass dem Schweizer Offshore-Finanzplatz die Entthronung drohe. Bereits nächstes Jahr könnte Hongkong die Schweiz als grösstes Buchungszentrum für grenzüberschreitende Gelder ablösen; und Singapur und ist offenbar drauf und dran, den Schweizer Bankern auch den zweiten Platz streitig zu machen.

Insgesamt fällt die Schweiz mit inländischen und ausländischen Vermögen von zusammengerechnet 4’100 Milliarden Dollar vom Podest der grössten Wealth-Standorte der Welt, so diese Studie weiter. Künftig rangiere der hiesige Finanzplatz nach den USA, Hongkong und eben Grossbritannien auf dem vierten Platz.

Die BCG-Schätzungen gehen dabei von der Annahme aus, dass sich die politischen Gräben in der Welt vertiefen und die Vermögen nicht mehr so frei um den Globus bewegen wie auch schon. Banken, die in Wachtsumsmärkten wie Asien oder den USA vor Ort verankert sind, geniessen deshalb einen Vorteil. Für die Schweizer Privatbanken bliebe aus dieser Sicht vor allem Europa übrig; die Region gilt punkto Vermögenswachstum als relativ schwach.

Die hiesigen Bluechip-Banken wie UBS, CS und Julius Bär sind zwar längst auch global aufgestellt; doch auch hier gibt es einen Haken, wie der Ukraine-Krieg zeigte: Sanktionen werden in einer multipolaren Welt als «weaponized finance» eingesetzt und haben zur Folge, dass für die Schweizer Häuser gleichsam über Nacht ganze Märkte zufrieren.

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