Die Fields-Medaille wird verliehen, um herausragende mathematische Leistungen und das Versprechen zukünftiger Leistungen zu würdigen. Nun hat eine zweite Frau diese höchste mathematische Auszeichnung erhalten. Es ist eine Ukrainerin, die in Lausanne lehrt, schreibt Lars Jaeger in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Von insgesamt etwa 60 Personen hatte es bisher erst eine Frau geschafft, diese höchste Auszeichnungen für spektakuläre neue mathematische Erkenntnisse zu erhalten. Es handelt sich um Maryam Mirzakhani, die diese Auszeichnung im Jahr 2014 erhielt (und 2017 an Krebs gestorben ist).

Nun hat eine zweite Frau diese höchsten mathematische Auszeichnung erhalten (Nobel-Preise gibt es für die Mathematik nicht, dachte doch der Stifter Alfred Nobel Ende des 19. Jahrhunderts, dass Mathematik für die Praxis nicht so wichtig sei, was er wohl 25 Jahre später kaum mehr geglaubt hätte. Es gibt auch Gerüche, dass er sauer auf den Mathematiker Magnus Gösta Mittag-Leffler war, weil dieser angeblich eine Affäre mit der grossen Mathematikerin Sofja Kowalewskaja hatte – was aber nicht stimmt).

«Zahlentheorie ist das von den Mathematikern als der Krönungsbereich ihrer Disziplin angesehene Feld»

Bei der zweiten Gewinnerin einer Fields-Medaille überhaupt handelt sich um die 37-jährige Ukrainerin Maryna Viazovska, Inhaberin des Lehrstuhls für Zahlentheorie an der Lausanner Hochschule EPFL.

Zahlentheorie ist das von den Mathematikern als der Krönungsbereich ihrer Disziplin angesehene Feld. Viazovska wurde für die Lösung eines Problems belohnt, dass sich zunächst recht anschaulich erklären lässt: Es handelt sich um das «Kugelpackungsproblem», das die Mathematiker seit mehr als vier Jahrhunderten beschäftigt hatte: Wie kann man Kugeln wie Orangen so eng wie möglich zusammenpacken?

Im Jahr 1611 stellte Johannes Kepler die These auf, dass die dichteste Art die pyramidenförmig übereinander gestapelte Form ist – musste diese These allerdings unbewiesene lassen. Diese Hypothese wurde erst 1998 endgültig bewiesen (wofür man einen Computer zur Hilfe nehmen muss, was nicht allen Kollegen schmeckte, die doch gerne einen «richtigen Beweis» hätten).

«Wie Kugeln in diesen besonderen Dimensionen gepackt werden, ist bemerkenswert symmetrisch»

Das Volumen ist dann zu etwas mehr als 74 Prozent mit Kugeln gefüllt – mehr geht nicht. Nun fragten sich die Mathematiker, darunter Maryna Viazovska, ob sich diese Aussage auch für höhere Dimensionen beweisen lässt.

«Das Problem auf dieselbe Weise darzustellen, macht die Sache komplizierter, weil jede Dimension anders ist und die optimale Lösung sehr stark von der Dimension abhängt», sagt Viazovska. So hatte sie sich auf 8 und 24 Dimensionen konzentriert. Warum gerade 8 und 24? «Weil dies besondere Dimensionen sind und die Lösungen besonders elegant sind» antwortete sie.

Die Art und Weise, wie Kugeln in diesen besonderen Dimensionen gepackt werden, ist bemerkenswert symmetrisch. Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt stellten ihre Kollegen Henry Cohn (MIT/Microsoft Research) und Noam Elkies (Harvard) fest, dass in bestimmten Raumkonfigurationen besonders effiziente Kugelpackungen konstruiert werden können, im sogenannten E8-Gitter für den achtdimensionalen Raum, sowie das sogenannte Leech-Gitter, ein 24-dimensionales Gitter.

«Eine Tatsache, die ihren Beweis nach Ansicht von Experten besonders elegant und originell macht»

Sie waren aber nicht in der Lage, einen Beweis zu entwickeln, dass dies minimale Verpackungen sind. Brillante Arbeiten von Viazovska lieferte die fehlende Zutat und zeigte, dass diese Gitter tatsächlich die dichtesten möglichen Packungsmuster in ihren jeweiligen Dimensionen sind.

Bereits 2016 bewies Viazovska in einem nur 23 Seiten langen Paper, dass das E8-Gitter die dichteste Kugelpackung im achtdimensionalen Raum (R8) realisiert, wenn man Kugeln von jeweils gleichen Radien um die Gitterpunkte legt. Ihr Beweis war erheblich einfacher als der des entsprechenden 3-dimensionalen Problem Keplers.

Sie benutzte dafür eine gewisse aus Modulformen zusammengesetzte Funktion, auf deren Suche sie auf andere Bereiche der Mathematik zurückgegriffen hat – eine Tatsache, die ihren Beweis nach Ansicht von Experten besonders elegant und originell macht. Angetrieben von Kreativität und Intuition orientierte sich Viazovska am Schwerpunkt ihrer Dissertation: modulare Formen, eine Art von mathematischer Funktionen mit einem besonders hohen Mass an Symmetrie.

«Dieser Beweis wurde von der mathematischen Gemeinschaft bejubelt»

Nach zwei Jahren Arbeit hatte sie die richtige Funktion für acht Dimensionen gefunden. Nur eine Woche später bewies Viazovska dann (mit Kollegen Cohn, Kumar, Miller, Radchenko) mit ähnlichen Methoden wie im achtdimensionalen Fall in einer 17 Seiten langen Arbeit, dass das Leech-Gitter die optimale Kugelpackung im 24-dimesionalen Raum R24 liefert.

Dies bestätigte zuletzt die Bedeutung ihres ursprünglichen Beweises für 8 Dimensionen. Dieser Beweis wurde von der mathematischen Gemeinschaft bejubelt und brachte Viazovska eine Reihe von prestigeträchtigen Auszeichnungen eint. «Dies ist eigentlich ein sehr nützliches Werkzeug, das in vielen Bereichen der Technologie eingesetzt wird», sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur «AP».

«Die Mathematik schien mir immer das einfachste Schulfach zu sein»

Viazovska wurde am 2. Dezember 1984 in Kiew, Ukraine, geboren. Da sie schon in jungen Jahren eine Leidenschaft für Mathematik entwickelte, war ihr Weg zu diesem Fach relativ einfach. «Ich mochte Mathematik schon seit meiner Schulzeit», sagt sie. «Sie schien mir immer das einfachste Fach zu sein. Und da es mir gefiel, verbrachte ich mehr Zeit damit und wurde schliesslich besser in Mathe als in anderen Fächern. Dann gefiel es mir noch mehr, und so weiter.»

Nach ihrem Bachelor-Abschluss an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew ging Viazovska nach Deutschland, um an der Technischen Universität Kaiserslautern einen Master-Abschluss zu machen (2007), bevor sie an die Universität Bonn wechselte, wo sie 2013 ihre Promotion über modulare Formen abschloss.

«Wie ein Puzzle»

Während ihrer Postdoc-Forschung an der Berlin Mathematical School und der Humboldt-Universität zu Berlin nahm sich Viazovska des Sphere-Packing-Problems in 8 und 24 Dimensionen an und löste es. Im Dezember 2016 nahm sie dann das Angebot der EPFL an, eine Assistenzprofessur mit Tenure-Track-Status zu übernehmen. Nur ein Jahr später, im Alter von 33 Jahren, wurde sie zur ordentlichen Professorin befördert.

Was Viazovska antreibt, ist das Lösen von Problemen, die sie als «wie ein Puzzle» beschreibt, und das Verstehen abstrakter Konzepte, «damit ich sie mit anderen Problemen verknüpfen und praktische Anwendungen finden kann.» Unabhängig von der Politik ist sie aber nicht. So sagt sie auch, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 ihr Leben und das aller Ukrainer tiefgreifend verändert habe.


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Lars Jaeger ist Investmentexperte sowie Autor, der über Geschichte, Philosophie und die Bedeutung der Wissenschaften und technologischen Entwicklung sowie über Hedgefonds, quantitatives Investieren und Risikomanagement schreibt. Kürzlich erschien im Springer Verlag sein Buch «Wege aus der Klimakatastrophe».


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