António Horta-Osório hinterlässt der Credit Suisse eine Strategie, die noch einiges offen lässt. Axel Lehmann, sein Nachfolger an der Spitze der Grossbank, muss wohl oder übel damit geschäften.

Mit seiner Strategie für die Credit Suisse (CS) hatte es António Horta-Osório sehr eilig gehabt. Im vergangenen November präsentierte er die geplanten Neuaufstellung der Schweizer Grossbank, noch ohne eine entscheidende Personalie des Umbaus – den Chef der neuen Vermögensverwaltungs-Division Wealth Management – benennen zu können.

Im Nachhinein hat sich diese Eile fast als prophetisch erwiesen. Am (gestrigen) Montag musste der gebürtige Portugiese als Präsident des Geldinstituts zurücktreten. Dies, nachdem er gegen Schweizer Corona-Regeln verstossen hatte.

Seinem umgehend eingesetzten Nachfolger Axel Lehmann (Bild unten) fällt es nun zu, den Zweijahres-Plan für die krisengeschüttelte Bank zu übernehmen. Eine Aufgabe, die es in sich hat, zumal die Strategie auch in ihren personellen Verästelungen noch nicht ganz ausgearbeitet ist.

Mit Überzeugung allein ist es nicht getan

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An eine Umkehr ist allerdings unter Rücksicht auf die leidgeprüften Investoren nicht zu denken, wie der neue Präsident anlässlich seiner Einsetzung durchblicken liess. «Ich bin überzeugt, dass wir durch eine disziplinierte und zeitnahe Umsetzung unseres strategischen Plans zu neuer Stärke finden und nachhaltigen Wert für unsere Stakeholder schaffen können», erklärte Lehmann am Montag.

Doch mit Überzeugung allein ist es nicht getan. Die neue Strategie, die Ex-Präsident Horta-Osório unter Zutun von Beratern seit vergangenem April forciert hatte, verschiebt mehr Kapital Richtung Vermögensverwaltung und packt globale Divisionen mit regionalen Aktivitäten in eine Matrix. Das kann sich in der Praxis als reichlich kompliziert erweisen. Wie die Agentur «Reuters» kolportierte, hatte sich ob der Reorganisation bereits eine Kluft zwischen CS-Managern und Horta-Osório gebildet.

Zuletzt ist das Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäft in dieser Weise umgebaut worden. Im Wealth Management sind dem Vernehmen nach gewisse regionale Funktionen weiterhin nicht bestimmt.

Mit sich selber beschäftigt

Bis die neuen Strukturen zu greifen beginnen, wird einige Zeit vergehen. Reorganisationen stehen im Ruf, Unternehmen über Monate hinweg mit sich selber zu beschäftigen. Die CS hat zudem das Pech, dass dieser Umbau mit grosser Wahrscheinlichkeit von mehreren externen Ereignissen gestört werden wird. Zu denken ist etwa an diverse Rechtsrisiken, an die interne Untersuchung zu den CS-Greensill-Fonds sowie an die Ermittlungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zu Greensill und zur Pleite der New Yorker Finanzfirma Archegos.

Das Greensill-Debakel hat vergangenen Dezember zu hochrangigen Abgängen bei der Bank geführt und könnte selbst Bankchef Thomas Gottstein gefährlich werden, unter dessen Ägide sich die Affäre abgespielt hat.

Ein neuer «Mr. Nulltoleranz»?

Tatsächlich wollte Horta-Osório ja nicht nur die Organisation der CS neu aufstellen, sondern auch den Umgang der Bank mit Risiken von Grund auf erneuern und – längerfristig – auch die Unternehmenskultur. Die Nulltoleranz-Haltung war dem ehemaligen Lloyds-Banker praktisch auf den Leib geschrieben, da er als «Aufräumer» in der Stunde höchster Not zur Bank gestossen war. Dass er es selber offenkundig nicht so genau genommen hat mit Schweizer Quarantäne-Regeln, ist ihm nun zum Verhängnis geworden.

Sein Nachfolger Lehmann gilt zwar als Risiko-Spezialist und wurde als solcher letztes Jahr in den Verwaltungsrat der CS bestellt. Doch es muss sich weisen, wie gut er sich in die Rolle eines «Mr. Nulltoleranz» schicken kann und will. Dass die Grossbank im Umgang mit Risiken Nachholbedarf hat, ist aber unbestritten und dürfte von den Investoren ebenfalls eingefordert werden. Der Manövrierraum ist für den Berner an der Spitze der in Zürich beheimateten Bank auch diesbezüglich knapp bemessen.

Fürsprecher der Eigenständigkeit

Indessen zeigt die abrupte Trennung von Horta-Osório, wie sehr sich die Dinge bei der CS gleichsam über Nacht verändern können.

Der Ex-Präsident mag vieles anzustossen versucht haben, in einem Belang blieb er aber felsenfest: Eine Fusion mit einer anderen Bank kam für ihn nicht in Frage. Nun, da dieser Fürsprecher der Eigenständigkeit seinen Rücktritt bei der CS eingereicht hat, rückt diese strategische Variante ein Stück weit aus dem Hintergrund – und verleiht dem neuen Präsidenten mittelfristig doch noch einige Optionen.

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