Der «Regulierungs-Tsunami» auf dem Schweizer Bankenplatz sei weniger ein «Naturereignis» als vielmehr ein «Global Regulatory Warming» mit einer wachsenden Dringlichkeit für griffige Lösungen, schreibt Ralph Ebert in seinem Essay für finews.first schreibt.


In dieser Rubrik finews.first nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Kaum ein anderer Bereich in der Finanzbranche hat so drastische Veränderungen erlebt wie die Compliance – also die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und Vorschriften. Als Folge davon sind Finanzinstitute seit einigen Jahren mit einer enormen Breite und Tiefe von Regulierungen und damit stetig steigenden Kosten konfrontiert.

Allein in den Jahren nach der Finanzkrise haben weltweit alle Regulierungsbehörden mehr als 50‘000 Dokumente veröffentlicht – also das Fünffache des Volumens der vorangegangen fünf Jahre. Insbesondere das Private Banking sah sich veranlasst, diesen «Regulierungs-Tsunami» sogleich mit der Bereitstellung von zusätzlichen Compliance-Ressourcen zu beantworten.

«Bei der Regulierung im Finanzwesen scheint es sich nicht um ein einmaliges Naturereignis zu handeln»

Dies führte bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Schweizer Instituten innerhalb weniger Jahre zu einer teilweise Verdopplung des Compliance-Personals. Zusätzlich verschärft wurde diese Situation durch die gestiegene Komplexität des Bankgeschäfts, und zwar aufgrund makroökonomischer Rahmenbedingungen, Produktinnovationen und Wachstumsstrategien sowie durch einen erheblichen Kostendruck.

Vor diesem Hintergrund scheint es sich bei der Regulierung im Finanzwesen nicht um ein einmaliges «Naturereignis» zu handeln, sondern eher wegen der langfristigen Auswirkungen um ein «Global Regulatory Warming» mit einer erhöhten Dringlichkeit für Massnahmen.

«Die Diskussionen um Lösungen führen erst einmal auf eine lange Entdeckungsreise»

Rückblickend auf die vergangenen drei Jahre lässt sich feststellen, dass es wenige Erfolgsgeschichten am Schweizer Bankenplatz gibt, die eine gelungene Implementierung nachhaltiger Regtech-Lösungen im Compliance-Bereich dokumentieren. Regtech-Unternehmen ihrerseits führen häufig an, dass die Finanzinstitute selber keine genaue Vorstellung von dem haben, was sie eigentlich für ihre Zwecke brauchen.

Die Diskussionen um Lösungen führen dann erst einmal auf eine lange Entdeckungsreise in den Bereich der digitalen Kapazitäten und enden oftmals in unrealistischen Konzepten irgendwo im Regtech-Nirwana. Auch attestieren die Anbieter, dass sich die Finanzinstitute zwar für digitale Lösungen interessieren, aber bei ihrer Analyse die Implementierung in die eigenen Prozesse komplett vernachlässigen.

Die Finanzhäuser wiederum beklagen sich über fehlende Transparenz und den Mangel an Vergleichbarkeit der angebotenen Lösungen und Kosten. Diese Dissonanz zwischen Angebot und Nachfrage liegt sicherlich auch darin begründet, dass Finanzinstitute, die sich mit Digitalisierungsprozessen auseinandersetzen, zunächst eine höhere Effizienz und damit Kostenersparnis für den Bereich Compliance erhoffen.

«Auffällig ist, dass manche Finanzinstitute ihre Datenqualität dramatisch überschätzen»

Dann aber feststellen müssen, dass auch sekundäre Ziele wie die Verbesserung der Customer Journey (Kundenerlebnis) auf einmal ein grosses Thema sind – so soll dann die Lösung einen Wettbewerbsvorteil in einem hart umkämpften Kundensegment sichern; ein Spannungsbogen, der nur selten zum Erfolg führt. Viele der erwähnten Initiativen sind zwar zweckgesteuert für einzelne Teilbereiche, doch fehlt es ihnen an Durchschlagkraft um die Compliance nachhaltig zu digitalisieren.

Auffällig ist, dass manche Finanzinstitute bei der Umsetzung digitaler Lösungen ihre Datenqualität dramatisch überschätzen. Spätestens beim «Proof of Concept» stellen sie dann fest, dass die Qualität der historischen Daten entweder nicht ausreichend oder ein Grossteil der Daten nur unstrukturiert vorhanden ist respektive sich in verschiedensten Applikationen befindet, die keine Datenschnittstellen haben oder aufwändige Datenexport-Prozesse erfordern.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob in Zukunft die Regtech-Unternehmen sich nicht auch vermehrt in Kooperationen untereinander begeben, um für diese Compliance-Lösungen in einem Eco-Modell die Verkaufs- und Implementierungszyklen zu verkürzen.


Der deutsche Jurist Ralph Ebert ist seit 15 Jahren für Gross- und Privatbanken im Bereich Recht und Compliance tätig und arbeitet derzeit als Head Compliance bei der Banque International à Luxembourg (BIL) in der Schweiz. Seine bisherigen Stationen führten ihn geographisch über Seoul, Montreal und Paris ab 2008 in die Schweiz. Er hat bei verschiedenen Finanzinstitutionen (BNP Paribas, Credit Suisse, UBP und Credit Agricole Indosuez) gearbeitet und sich dabei schwerpunktmässig mit der Geldwäschereibekämpfung auseinandergesetzt. Zudem beschäftigt er sich mit der Integration von Regtech-Lösungen, Konsequenzen für die Compliance-Funktion sowie mit dem Thema einer modernen Compliance-Kultur.


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