Nach dem Abgang von Mark Branson übernimmt nicht seine Stellvertreterin, sondern ein Mann die interimistische Leitung der Finanzmarktaufsicht. Dabei böte sich mit der neuen Präsidentin Marlene Amstad die Chance auf ein Frauen-Duo an der Spitze.

Bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) steht das Amt des Direktors im Vordergrund. Das ist seit der Gründung der Behörde im Jahr 2007 so und zeigt sich anlässlich des Wechsels von Mark Branson zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erneut: Die Personen, die jetzt bei der Finma für die mögliche Nachfolge Bransons in den Fokus rücken, sind ausserhalb der Finanzbranche bislang nur wenig bekannt gewesen.

Entsprechend droht das Detail unterzugehen, dass nicht etwa die Stellvertreterin Bransons, Birgit Rutishauser (Bild unten), die interimistische Leitung der Behörde übernimmt. Sondern Jan Blöchliger, der Zuständige für die Beaufsichtigung der Banken in der Geschäftleitung. Rutishauser kümmert sich stattdessen wie bisher um den Geschäftsbereich Versicherungen.

Auch extern auf der Suche

Warum bei der Behörde nicht automatisch die Vize-Direktorin einspringt, wollte die Finma auf Anfrage nicht weiter ausführen. Der Entscheid zugunsten Blöchligers wurde vom Verwaltungsrat getroffen, der gleichzeitig den Prozess für die definitive Nachfolge für Branson eingeleitet hat. Gesucht wird dabei sowohl intern wie extern, zu Einzelheiten äussert sich die Behörde nicht.

Klar ist indes, dass die Finma zumindest aufs erste die Gelegenheit für eine weibliche Doppelspitze verpasst hat. Seit Anfang Jahr amtet Marlene Amstad als Präsidentin des Verwaltungsrats, eine Ökonomin und Finanzwissenschafterin mit beeindruckendem Werdegang.

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Assekuranz-Profi

Auch Rutishauser ist sehr erfahren. Die Mathematikerin und Aktuarin hat im Herbst 2018 die Leitung des Geschäftsbereichs Versicherungen mit rund 100 Mitarbeitenden bei der Finma übernommen; zuvor leitete sie dort zwei Jahre lange das Risikomanagement. Die Assekuranz-Branche kennt sie aus dem Effeff. Ihre Karriere führte sie vom Schweizer Rückversicherer Converium (heute Scor) über die Winterthur Versicherungen (die heutige Axa) zur Zurich und schliesslich zur National Suisse, wo sie Teil des Managements war.

Zwei Frauen an der Spitze der Finanzregulators: Das wäre ein Zeichen fürs weiterhin von Männern dominierte Finanzwesen und ein denkwürdiger Auftakt für die neue Ära, die mit Branson Abgang bei der Finma beginnt. Amstad selber hatte gegenüber der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig) unlängst gar vor einer Zeitenwende gesprochen, die bei der Finma anbricht. «Wie wird der Finanzplatz im Jahr 2030 oder 2040 aussehen? Ich denke, er wird sicher digitaler sein als heute, nachhaltiger und wahrscheinlich asiatischer geprägt», erklärte die oberste Aufseherin über die Aufsichtsbehörde.

Mit Libra im Licht der Weltöffentlichkeit

Für die neue Strategieperiode 2021 bis 2024 hat sich die Finma selber ins Aufgabenheft geschrieben, stärkeres Gewicht auf Nachhaltigkeit und Innovation zu legen.

Während sich die Banken und Versicherer beeilen, zumindest so umweltbelastenden Industrien wie dem Kohlenabbau den Rücken zu kehren, ist es die Digitalisierung, mit der die Finma weltweit im Rampenlicht steht: Die Behörde hat letztes Jahr davon abgesehen, der umstrittenen Digitalwährung Libra, die von einer in Genf beinhalteten Stifung herausgegeben und unter anderem von US-Internet-Giganten Facebook gesponsert wird, die Bewilligung zu erteilen. Die Stiftung hofft nun, mit einem neuen, auf Fiat-Währungen basierenden Stablecoin namens Diem doch noch das Placet der Schweizer Aufseher zu gewinnen.

Im Sumpf der Geldwäscherei

Ein weiteres Digitalprojekt wird die Finma zudem im Inland beschäftigen. Bis im Sommer hofft die Schweizer Digitalbörse SIX Digital Exchange (SDX) auf eine Bewilligung, damit in der zweiten Jahreshälfte fristgerecht mit dem Handel begonnen werden kann. Über die Plattform sollen etwa Kryptoaktien und tokenisierte Kunst verschoben werden und sogar Bitcoin zu kaufen sein – das ist auch für die Finanzaufseher weitgehend Neuland.

Die Kryptoindustrie verschärft zudem eine andere Problematik, die der scheidende Direktor Branson gewissermassen als «unfinished business» bei der Finma zurücklässt: Im Kampf gegen die Geldwäscherei ist die Finma mehr denn je gefordert. Der Schweizer Finanzplatz ist in internationalen Korruptionsfällen wie Petrobras, Odebrecht, 1MDB, Panama Papers, Fifa oder PDVSA seit Jahren stark exponiert. Nun drohen neuerlich Diktatorengelder in die Schweiz zu fliessen, während die Mittel, die der Aufsicht zur Austrocknung dieses Sumpfes zur Verfügung stehen, beschränkt sind.

Interregnum auch bei MROS und Bundesanwaltschaft

Die Finma kann entweder mit Enforcement-Verfahren gegen die involvierten Banken anpacken, oder aber Strafanzeige erstatten und das Heft an die Bundesanwaltschaft weiterreichen.

Diesbezüglich birgt das «Interregnum» bei der Finma wohl zusätzliche Risiken. Sowohl bei der Bundesanwalt wie auch bei der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) ist die Führung derzeit nicht fest besetzt. Die wichtigsten Waffen der offiziellen Schweiz im Kampf gegen die internationale Finanzkriminalität finden sich damit nach dem Aufbruch von Branson allesamt in den Händen von Stellvertretern.

Greensill hüben wie drüben

Wenn dieser in Deutschland die Arbeit aufnimmt, wird er zumindest auf ein vertrautes Dossier stossen: Die Affäre um die australisch-britische Finanzboutique Greensill Capital hat nicht nur in der Schweiz die Finma auf den Plan gerufen, sondern in Deutschland auch die Bafin.

Die Bankenaufsicht stoppte dort Anfang März sämtliche Ein- und Auszahlungen der Bremer Greensill Bank und verhängte darauf die Insolvenz übers Instituts. Darüber hinaus erhob die Bafin Strafanzeige gegen die Führung der Greensill Bank wegen Verdachts auf Bilanzmanipulation. 

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