Private Equity ersetze heutzutage nicht die Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt und in der Folge ein Börsengang mit sich bringen, schreibt Søren Bjønness in seinem Essay auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Zurzeit verbreitet sich zunehmend die Meinung, dass Private Equity immer mehr Überhand nimmt. Diese Einschätzung teilen sogar viele Experten und Berater. Eine steigende Anzahl an Private-Equity-finanzierten Unternehmen lässt sich zwar beobachten. Dies bezieht sich aber hauptsächlich auf Unternehmen in einer transitorischen Phase. Von einem allgemeinen Trend weg von Public hin zu Private Equity kann aber keineswegs die Rede sein.

So machte Ende 2016 der Anteil an Private-Equity-Finanzierungen nicht einmal 4 Prozent des globalen Kapitalmarkts aus. Zudem zeigt sich, dass der Wert von börsenkotierten Unternehmen über die Jahre konstant gewachsen ist. Und dies trotz sinkender Anzahl kotierter Unternehmen, denn Publikumsaktiengesellschaften weisen in der Regel einen höheren Reifegrad auf, sind deshalb grösser und öfter im Zentrum von Konsolidierungsprozessen zu finden.

«Private Equity-Investoren agieren in der Regel mehr «hands-on»»

Viele Fehlinterpretationen, vergleichbar mit der oben erwähnten, führen zu falschen Einschätzungen über die Finanzmärkte. Eine davon ist, dass der Aufwand für Regulations- und Reporting-Massnahmen bei kotierten Firmen viel grösser sei. In Wahrheit ist es aber meistens umgekehrt; denn Private Equity-Investoren agieren mehr «hands-on», da sie so in ihrer Wahrnehmung ihr eigenes Risiko minimieren. Ein weiteres Vorurteil betrifft die Transparenz und der vermeintliche Zwang der Einführung eines Quartalsreporting, was manchmal für das zunehmende Kurzfristdenken von Unternehmen verantwortlich gemacht wird. Doch die EU schreibt dies in Tat und Wahrheit für börsengehandelten Firmen gar nicht vor.

Sowohl privat gehaltene als auch kotierte Unternehmen verlangen nach einer sorgfältig geführten Buchhaltung und einem professionellen Audit, bei den letzteren nimmt die Wichtigkeit von Investor Relations natürlicherweise zu. Fälschlicherweise wird das Problem des ungleich verteilten Informationsstandes zwischen Investoren und Management bei Public Equity als viel relevanter respektive unüberbrückbarer wahrgenommen («Principal-Agent»-Problematik). In der Realität ist die Situation differenzierter anzuschauen.

«In der Praxis zeigt sich, dass solche Finanzierungsstrukturen meist zu komplex sind»

Die Anreizstrukturen können bei einer Private-Equity-Finanzierung für das Management zwar sehr motivierend sein, insbesondere in Spezialsituationen, in denen sich solche Unternehmen häufig befinden. Dies würde sich auch mit der Theorie des Private Equity decken, wo gilt, dass die Interessen und das Wissen des Managements dieselben sind wie die der Investoren.

Doch in der Praxis zeigt sich, dass solche Finanzierungsstrukturen meist zu komplex sind und vom Management häufig nicht richtig verstanden werden. Die Anreizmodelle von Private und Public Equity sind also meist relativ ähnlich. Hinzu kommt, dass bei der Realisierung eines Private Equity-Investments (Exit), die Herausforderungen der «Principal-Agent»-Problematik eher noch steigt, zu ungunsten von Private Equity.

«Firmen, die sich für einen Verkauf vorbereiten, sind die besten IPO-Kandidaten»

Was heisst das nun konkret für Unternehmen? Private Equity ersetzt heutzutage nicht die Möglichkeiten, die der Kapitalmarkt und in der Folge ein Börsengang mit sich bringt. In einem natürlichen Wachstumszyklus einer Firma ist Private Equity vielmehr die Grundlage für ein mögliches, späteres IPO. Im Gegensatz zu Public stösst Private Equity früher oder später an Grenzen.

Gegenwärtig wird ein Börsengang jedoch immer noch zu selten als Möglichkeit in Betracht gezogen. Ein zweigleisiger Prozess (Dual track), bei dem sich ein Unternehmen sowohl mit einem IPO als auch einem möglichen Unternehmensverkauf auseinandersetzt, sollte die Norm werden. Denn gerade Firmen, die sich für einen Verkauf professionalisieren und vorbereiten, sind die besten IPO-Kandidaten.

In Anbetracht des Erfolgs der amerikanischen Börse Nasdaq nutzen immer mehr europäische Tech-Unternehmen, die sich mit Venture Capital finanzieren, den Kapitalmarkt, um ihre Unabhängigkeit zu wahren und weiter zu wachsen. Euronext ist der europäische Pionier in diesem Feld. Denn in Europa sollten privatfinanzierte Tech-Unternehmen gestärkt werden, um gegenüber der amerikanischen und chinesischen Dominanz an Standhaftigkeit zu gewinnen. Im Normalfall braucht es die Kapitalmärkte für die Erbringung der nötigen, häufig grossen, finanziellen Mittel und eine breitere Risikoverteilung.

«Die Kapitalmärkte sollten verstärkt mit Private Equity zusammenarbeiten»

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Kapitalmärkte sollten verstärkt mit Private Equity zusammenarbeiten, um ein optimales Finanzierungsmodell für Europa sicherzustellen. Die Grenzen zwischen den beiden Finanzierungsmodellen müssen fliessend sein und PIPE (Private Investment in Public Equity) sollte gestärkt werden. Denn schliesslich können Firmen sich auch wieder von der Börse lösen, wenn es die Situation erfordert oder die Bewertung zu stark sinken würde. Eine zunehmende Konvergenz zwischen Private und Public Equity ist ein Zeichen für einen starken Finanzmarkt.

Es gibt also Platz für Private Equity und für Finanzierungen über die regulierten Kapitalmärkte. Es ist daher wünschenswert, wenn der Private Equity-Markt floriert, denn er spielt eine wichtige Rolle in einer Volkswirtschaft. Die Kapitalmärkte ergänzen dies ideal und können helfen, die Wachstumsstory von Firmen weiterzuführen, sobald die Zeit dafür reif ist.


Søren Bjønness kennt beide Seiten – die Welt von Private Equity wie auch der Börsen. In seiner beruflichen Laufbahn war er in Banken, MBOs, Growth Financing, Incubation, Venture Capital, Corporate Finance/Capital Markets und im Interimsmanagement von Private Equity-finanzierten Unternehmen tätig. Seit zwei Jahren ist er Schweizer Vertreter von Euronext mit dem Ziel, hiesige Tech-Unternehmen mit den Chancen des Kapitalmarktes vertraut zu machen.


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