Ein neuer Kundentyp wächst heran. Es ist der Weltbürger. Damit hat der Bankberater eine Jahrhundertchance, wieder Berater eines Kunden zu werden und nicht bloss Vertreter eines Finanzinstituts zu sein.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Nicht nur das Bankgeschäft hat sich verändert, auch der Bankkunde ist heute ein anderer. Vorbei sind die Zeiten, als die Klientel regelmässig physische Bankfilialen besuchte. Heute versuchen die Grossbanken, die Kunden im klassischen Retailgeschäft auf E-Banking-Lösungen und Apps auf dem Smartphone umzuerziehen. Und um ihnen diese digitalen Dienstleistungen schmackhaft zu machen, geben die Banken Unmengen von Geld aus.

Dabei stehen die Grossbanken im Wettbewerb mit Technologie-Riesen wie Facebook und Google. Diese haben viel detaillierteres Wissen über ihre Kunden als es die Banken selber je erreichen werden; kommt hinzu, dass junge Menschen sehr freizügig mit ihren Daten umgehen. Dies kann zu einer schnelleren und passgenaueren Ansprache der Klientel führen, und so verlieren die klassischen Vertriebskanäle noch schneller den Anschluss.

«Persönlich ausgerichtete Beratung kommt heute fast nur noch den Superreichen zu»

Während der Vorteil für die Grossbanken durch die Technologiesierung und die massive Kostenreduktion klar ist, suchen viele Kunden eine individuellere Beratung. Diese persönlich ausgerichtete Beratung kommt heute fast nur noch den Superreichen (Ultra-High-Net-Worth-Individuals, UHNWI) zu. Je nach bankeigener Definition, beginnt dieser Service in der Regel ab einem Kundenvermögen von fünf Millionen Franken.

Wieso der Kunde nicht mehr so oft bei der Bankfiliale vorbeikommt, ist klar: Der Grund liegt in der Veränderung des Kunden selbst. Er ist meist nicht mehr nur lokal verankert, sondern zu einem Weltbürger, einem Global Citizen geworden. Er identifiziert sich durch seine Zugehörigkeit zu einer aufstrebenden Weltgemeinschaft und trägt mit seinem Handeln dazu bei, die Werte und Praktiken dieser Gemeinschaft aufzubauen. Diese wachsende globale Identität wird zu einem grossen Teil durch die Kräfte moderner Informations-, Kommunikations- und Verkehrstechnologien ermöglicht.

«Das Verhalten der Weltbürger erfordert von den Banken ganz andere Service-Modelle»

Weltbürger haben die Fähigkeit, mit dem Rest der Welt in Verbindung zu treten – durch das Internet, durch die Teilnahme an der globalen Wirtschaft oder durch die Leichtigkeit, mit der sie reisen und andere Teile der Welt besuchen.

Als Ergebnis des Lebens in einer globalisierten Welt kaufen oder mieten diese Weltbürger ihre Immobilien auf der ganzen Welt. Ihre Kinder gehen überall selbstverständlich ins Internat, und die medizinische Vorsorge muss auch im Ausland gewährleistet sein. Weltbürger haben oft einen hohen Anteil ihres Vermögens in illiquiden Vermögenswerten wie Kunst, Jachten und Immobilien angelegt. Geschäftliche Aktivitäten oder Firmenfusionen überwinden die nationalen Grenzen, was wiederum zu komplexen Steuerverhältnissen führt.

Das Verhalten dieser Weltbürger und die Disruption der Gesellschaft erfordern von den Banken ganz andere und neue Service-Modelle. Heute wollen die Kunden jederzeit mit dem Berater kommunizieren können. Dies entweder über das klassische Telefon oder über Soziale Medien. Permanente Verbundenheit und Erreichbarkeit sind gewünscht und notwendig. All dies bedeutet nicht, dass der Kunde nicht persönlich mit seinem Berater zusammensitzen will: Das persönliche Gespräch lässt sich selbst bei einem vermögenden Kunden nicht durch Technologie ersetzen.

«Der Berater ist zum Global Banker mutiert»

Ein Kunde, der noch immer aktiv im Berufsleben steht, sieht sich heute als Entrepreneur und Global Citizen. Er hat Bedürfnisse, die sich nicht über E-Banking und Apps für Smartphones ersetzen lassen. Diese können lediglich Unterstützung bieten. Bei seinen Bedürfnissen geht es um komplexe Familienstrukturen und Firmengründungen, die bei der Vermögensplanung berücksichtigt werden müssen. Es stellen sich Fragen nach der Nachfolge bei Familienunternehmungen oder dem Generationenwechsel generell. Es geht aber auch um das Wachstum der Firmen auf internationaler Ebene, um grenzüberschreitende Fusionen oder einem Umzug ins Ausland.

Die grösste Herausforderung, der sich die Finanzwelt im neuen Jahrtausend gegenübersteht, besteht in der globalen Art zu leben und eine auf nachhaltigen Werten basierende Weltgemeinschaft zu kombinieren. So ist der Berater zum Global Banker mutiert. Nur so kann er die Bedürfnisse der Kunden verstehen, darauf eingehen und Lösungen erarbeiten, für die ihm internen und externen Spezialisten zur Seite stehen.

Den Kunden vor Ort besuchen, die Einbindung in Lösungen von Corporate- und Family Governance und manchmal einfach mit freundschaftlichen Rat zur Seite stehen, sind nur einige Aufgaben die ein Banker heute zu bewerkstelligen hat. Der Bankberater ist wieder Berater des Kunden, nicht nur der Vertreter eines Finanzinstituts.


Michael A. Welti ist Head Zürich und Managing Director im Wealth Management bei der Genfer Bankengruppe Reyl & Cie.


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