Der russische Präsident Wladimir Putin droht der Ukraine mit höchst ungewissen Aussichten, die jedoch für ihn und seinen engsten Kreis fatale Folgen zeitigen könnten, schreibt Beat Wittmann in seinem Essay auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


Russland übertreibt wieder einmal – offenbar ermutigt durch die illegale und nur mässig sanktionierte Einnahme der Krim. Dass diese Annexion möglich wurde, beruht nicht zuletzt auch auf einem Versäumnis des Westens, infolgedessen Russland, aus unterschiedlichen Gründen und spezifischen Interessen, nur allzu oft ungehindert agieren konnte. Divergenzen zwischen den Interessen und der Politik der westlichen Mächte hat die russische Führung umso geschickter und rücksichtslos ausgenutzt.

Die USA, die EU und die Nato wären gut beraten, Ruhe zu bewahren und die roten Linien und Ultimaten des russischen Präsidenten Wladimir Putin und sein Machtgebahren zu ignorieren. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, dass der Westen koordinierte und konstruktive Verhandlungen zulässt, vor allem in einem geeigneten multilateralen Rahmen, wie er beispielsweise in der OSZE höchst erfolgreich praktiziert wird.

«Zweifellos sehnt sich der russische Präsident nach mehr Respekt in einer neuen Weltordnung»

Es liegt auf der Hand, dass die beiden Hauptmotivationen des russischen Präsidenten darin liegen, seine persönliche Macht zu sichern und Russlands historische Grenzen und Einflusssphären sowie seine geopolitische Bedeutung wieder herzustellen. Zweifellos sehnt sich der russische Präsident nach mehr Respekt in einer neuen Weltordnung, nachdem er viele frühere Territorien sowie wirtschaftliches Gewicht und politischen Einfluss gegenüber den dominierenden globalen Supermächten USA, EU und China verloren hat.

Sein zentrales Argument, warum Russland und die Ukraine eine Einheit bilden sollten, ist die lange gemeinsame Geschichte und die gemeinsame Identität der Menschen. Es versteht sich von selbst, dass mit diesen Argumenten weltweit viele nationale Grenzen neu gezogen werden könnten, und dass Europa genau dies nach Jahrhunderten der Kriegsführung, der Machtpolitik, der ständig wechselnden Bündnisse mit der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung der EU überwunden hat.

«Putins Drohung, im Falle weiterer Sanktionen die Beziehungen zum Westen abzubrechen, ist völlig leer»

Bei einem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine, würde es auf beiden Seiten zu erheblichen Verlusten kommen. Konzertierte internationale und multidimensionale Gegenreaktionen in Form von Sanktionen und Isolierung würden unmittelbar ausgelöst.

Russland mag militärisch und in Bezug auf konventionelle Energie (Öl/Gas) eine Supermacht sein. Doch aus ökonomischen Gründen kann Russland die Energiekarte nicht ausspielen, da der wirtschaftliche und finanzielle Schaden für das Land bei weitem den Schaden für das übrige Europa überwiegen würde. Jede Einschränkung seiner Energieexporte nach Europa würde die Diversifizierung Europas hin zu alternativen Energielieferanten wie dem Nahen Osten und Afrika weiter beschleunigen und gleichzeitig den Übergang zu nichttraditionellen und erneuerbaren Energien vorantreiben.

Putins Drohung, im Falle weiterer Sanktionen die Beziehungen zum Westen abzubrechen, ist völlig leer! Nichts würde den politischen und sicherheitspolitischen Zusammenhalt in den west- und osteuropäischen Bevölkerungen, im transatlantischen Bündnis und innerhalb der EU und der NATO schneller beschleunigen als ein Einmarsch Russlands in der Ukraine.

«Die strategischen Optionen Russlands sind Deeskalation, Angriff oder opportunistisches Taktieren»

Die USA und die EU verfügen über ein umfangreiches und mächtiges Arsenal an direkten und indirekten Sanktionen. Dazu gehören die Beschlagnahmung von Besitztümern, die Sperrung von Finanzguthaben in westlichen Ländern, der Ausschluss von den internationalen Kapitalmärkten, die Sperrung des internationalen Zahlungssystems SWIFT, das Verbot von ausländischen Direktinvestitionen, die Einschränkung der Tätigkeit und des Handels westlicher Unternehmen in Russland, die Verhängung von Reisebeschränkungen für die russische Elite und die Erschwerung des Lebens russischer Staatsangehöriger im Ausland.

Die strategischen Optionen Russlands sind Deeskalation, Angriff oder opportunistisches Taktieren. Ich gehe davon aus, dass Russland an seinen bekannten Gewohnheiten des Taktierens festhält und keine massive, einseitige militärische Aggression gegen ein Nachbarland lancieren wird. In einem solchen Szenario sind russische Finanzanlagen attraktiv bewertet, und es wäre dann an der Zeit, zu investieren.

«Dieses Szenario würde die russischen Kapitalmärkte und die russische Wirtschaft aus dem Gleichgewicht werfen» 

Das offensichtliche Risiko liegt in einem unerwarteten russischen Angriff auf ein Nachbarland, wie die Ukraine, durch den Einsatz erheblicher militärischer Mittel. Ein solches Szenario würde die russischen Kapitalmärkte und die russische Wirtschaft aus dem Gleichgewicht werfen und zu starken Verlusten, Markteinbrüchen, Insolvenzen und Sanktionen führen. Infolgedessen würden ausländische multinationale Unternehmen, sowie Firmen, die in irgendeiner Weise in und mit Russland engagiert sind, leiden.

Doch selbst im Falle russischer Militäraktionen würden die globalen Märkte, einschliesslich Europa, lediglich mit einem Anstieg der Volatilität reagieren, während ansonsten jede Schwäche aufgrund eines solchen Konflikts als eine bedeutende Kaufgelegenheit betrachtet werden sollte. Warum? Russland ist im Hinblick auf seine Grösse und Verflechtung mit der Weltwirtschaft und den globalen Aktien-, Anleihe- und Devisenmärkten ein marginaler Akteur.

«Die globale Rüstungsindustrie sowie der Verteidigungssektor werden ebenfalls profitieren»

Zwei Sektoren zeichnen sich als Nutzniesser eines langwierigen und bewaffneten Konflikts aus. Kurzfristig werden die konventionellen Energieträger von vorübergehenden Versorgungsengpässen profitieren. Mittel- bis langfristig werden die alternativen Energieunternehmen von massiven Investitionen und einer Wachstumsbeschleunigung profitieren, dies infolge der Notwendigkeit, sich von den russischen Energielieferanten unabhängiger zu machen.

Die globale Rüstungsindustrie sowie der Verteidigungssektor werden ebenfalls profitieren, da nicht nur der potenzielle militärische Konflikt, um den es geht, höhere Ausgaben auslösen wird, sondern auch die daraus resultierende geopolitische Umwälzung zu höheren Verteidigungsausgaben aller internationalen Akteure führen wird.


Beat Wittmann ist seit mehr als sechs Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clariden Leu und Julius Bär führte. Von 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach für die Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.


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