Banken und Innovationen sind ein gegensätzliches Paar. Anstatt Killerideen zu entwickeln, werden Ideen in der Regel gekillt. Wollen Banken zu Innovatoren werden, müssen sie mehr als ihre Kultur ändern, schreibt finews.ch-Chefredaktor Peter Hody auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Welche Schweizer Bank ist in den vergangenen Jahren durch eine Innovation aufgefallen, mit der sie einen völlig neuen Weg beschritten hat? Mir fällt keine Bank ein und auch keine Innovation.

Stattdessen beobachtet man die steten Entwicklungen im Schweizer Banking in Richtung Digitalisierung, Automation, nutzerfreundliche Apps, oder man verfolgt Experimente einzelner Institute mit Künstlicher Intelligenz (KI) oder der Blockchain-Technologie. Wobei die nüchterne Wahrheit ist: Das hat nicht viel mit Innovation zu tun, sondern vielmehr mit Transformation.

«Schweizer Banken haben kein Innovationsmanagement»

Die Schweizer Banken und die Finanzbranche insgesamt sind sogenannte «late adopters»: Sie passen sich neuen regulatorischen Begebenheiten, technologischen Entwicklungen und Kundenbedürfnissen nur schleppend und oftmals unwillig an.

Bei Fragen an Banken, wie sie ihr Innovationsmanagement aufgebaut haben, erntet man fragende Blicke. Die Antwort ist: Schweizer Banken haben kein Innovationsmanagement, entsprechende Strategien sind vage, und sie haben keine Organisation und Kultur, die Innovationen ermöglicht.

In vielen Instituten betrachten Geschäftsleitung und Verwaltungsrat das Innovationsgeschäft als etwas, das Chefsache ist. Man liest Research und Bücher, diskutiert in den Leitungsgremien, man nutzt Know-how aus dem Netzwerk. Allenfalls lässt man mal Untergebene die Singularity Universität im Silicon Valley besuchen. Und vor allem: Die Bankmanager empfangen jährlich Dutzende von Beratern, die ihre Strategiekonzepte, so scheint es, jeweils bei mehreren Kunden anpreisen.

«Dabei muss die Führung Kultur und Wandel vorleben»

So erklärt sich möglicherweise, dass im Private Banking die sogenannte Kundenzentriertheit als grosse Neuerung gilt, dass Universalbanken wieder Versicherungen verkaufen oder das Hypothekargeschäft nun «Ökosystem Wohnen» heisst: Innovationen wie aus dem Supermarkt-Regal – als solche angepriesen und verkauft, doch ohne Differenzierungsmerkmal, also austauschbar.

Es scheint innerhalb der Entscheidungsgremien der Banken ein grosses Missverständnis zu geben: Richtig ist, dass ein Kulturwandel und die Transformation einer Bank ein sogenannter Top-Down-Prozess sind: Dabei muss die Führung allerdings Kultur und Wandel vorleben.

Doch beim Innovieren ist es genau umgekehrt: Hier handelt es sich um einen Bottom-Up-Prozess. Das Missverständnis liegt darin, dass die Bankführung glaubt, nicht nur den Kulturwandel anführen zu müssen, sondern auch für Innovationen zuständig zu sein.

«Auf Projekten lastet somit ein enormer Erfolgsdruck»

Das funktioniert nicht. Einige Faktoren verhindern Innovationen in den Banken. Erstens: Banken und ihre Kultur sind in erster Linie auf das Vermeiden von Risiken ausgerichtet. Veränderungen und Entwicklungen werden als Gefahr wahrgenommen. Zweitens: Die Vermeidung von Risiko stellt eine hohe Hürde für die notwendige Flexibilität dar, die es für die Entwicklung von Neuerungen braucht. Auf Projekten lastet somit ein enormer Erfolgsdruck. Drittens: Innovationsteams sind vielfach keine Problemlöser, sondern Erschaffer von Ideen, die sie anschliessend implementieren wollen. Und viertens: Die nach wie vor starren Hierarchien in Banken und ihre Prozess-Orientiertheit lassen kein «Bottom up» zu.

Das Buch «The Lever of the Riches: Technological Creativity and Economic Progress», in welchem der Historiker Joel Mokyr der Frage nachgeht, warum in der Vergangenheit bestimmte Gesellschaften in einer gewissen Periode kreativer und erfolgreicher waren als andere, liefert einige Anhaltspunkte dafür, was es braucht, um in Gesellschaften oder Organisationen Innovationen und technologischen Fortschritt zu ermöglichen.

«Das ist Theorie – aber in der Praxis eilt es»

Knapp gesagt: Banken müssen eine offene und durchlässige Personalpolitik betreiben, sowie eine Infrastruktur bereitstellen, die den Angestellten Raum und Freiheiten lässt, zu kommunizieren und kreativ zu sein. Erfindungen kennen keine Grenzen: Also muss eine Bank eine offene und tolerante Kultur pflegen, um Ideen aufzuspüren und aufzugreifen. Und die Bankenführung muss jederzeit bereit sein, Althergebrachtes durch Neues zu ersetzen und darf dabei keine Rücksicht auf Besitzstandswahrung nehmen.

Das ist Theorie – aber in der Praxis eilt es: Fintechs, Neobanken und Tech-Konzerne graben der traditionellen Finanzindustrie bereits massiv Erträge ab. Die Wertschöpfungsketten brechen auf, im Finanzsystem entstehen dezentrale Strukturen.

«Es braucht einen Bruch mit den Traditionen»

Mit der Beschleunigung der Innovationszyklen stehen die in ihren Strukturen verkrusteten Banken vor einem noch grösseren Problem. Einem Pharma- oder Technologieunternehmen käme es nie in den Sinn, das Research & Development (R&D) auszulagern, wie das die Bankenbranche faktisch an die Beratungsgesellschaften tut. Banken sollten sich einen eigenen Stab von fähigen Leuten halten, die für R&D zuständig sind und für die Personalpolitik, die Innovationen «scouten» und entwickeln können.

Es braucht ein Umdenken und einen Bruch mit den Traditionen. Die Coronakrise hat bei einzelnen Instituten tatsächlich etwas bewirkt. So führte Julius Bär beispielsweise einen «Thinkaton» durch, bei dem Mitarbeitende oder spontan zusammengestellte Teams Ideen entwickeln und einreichen konnten. Einige dieser Ideen haben nun Projektstatus erreicht.

«Diese Erkenntnis wird manchem Banker und manchem Finanzinstitut gegen den Strich gehen»

Notwendig ist auch ein differenzierteres Risikomanagement innerhalb einer Bank: Ohne Risikonahme findet sich nicht das Personal für Innovationen und ohne Risikotoleranz können Ideen auch nicht auf die Probe gestellt werden.

Die Erkenntnis des Innovations-Historikers Mokyr wird manchem Banker und manchem Finanzinstitut gegen den Strich gehen: «Technologischer Fortschritt benötigt vor allem anderen eine Toleranz gegenüber dem Unbekannten und dem Exzentrischen.»


Peter Hody ist Chefredaktor von finews.ch. Er übte in den vergangenen Jahren diverse Führungspositionen bei Wirtschafts- und Finanzmedien aus, unter anderem bei «Cash» und bei «Stocks». Zuvor schrieb er aus Zürich für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und berichtete als Korrespondent aus dem Bundeshaus für RTL/ProSieben. Er ist Historiker und absolvierte an der Hamburg Media School einen MBA in Medien-Management.


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