Wie gehen Verwaltungsräte mit der Transformation um, seit die stärksten Treiber – Digitalisierung, ESG und veränderte Kundenbedürfnisse – zu enormen Anpassungen zwingen? Die Corona-Pandemie hat die Anforderungen an diese Gremien noch zusätzlich erhöht, stellt Reto Jauch in seinem Essay für finews.first fest.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Obschon in aller Munde, wird Transformation in vielen Unternehmen nur halbherzig vorangetrieben. Ursache dieser zögerlichen Herangehensweise ist ein Mangel an Bewusstsein dafür, dass eine Transformation mit einer veränderten operativen Logik einhergeht. 

Dabei kommt dem Verwaltungsrat als Impulsgeber eine zentrale Rolle zu; vor allem wenn es darum geht, den Veränderungsprozess bei der Geschäftsführung aber auch bei den Mitarbeitenden einzufordern, für die richtige Einstellung zu sorgen und damit Widerständen gegen den Wandel entgegenwirken.

Das alles kann nur gelingen, wenn die Mitglieder des Verwaltungsrats selber über ein Verständnis für Transformation verfügen und als Vorbild innerhalb der Organisation agieren. Die Unternehmenskultur und -struktur sowie die Strategie müssen an langfristige Ziele ausgerichtet werden, damit die Geschäftsleitung und die Mitarbeitenden entsprechend befähigt und deren Leistungen gemessen werden können.

«Lässt sich diese Frage nicht positiv beantworten, sollte man das Mitglied verabschieden»

Hierfür gibt es verschiedene Ansätze: das Auflösen starrer Hierarchien und des Silodenkens, das Zulassen einer offenen und fehlerverzeihenden Kultur und neuer Ideen sowie die Förderung innovativer Projekte und interdisziplinärer Teams. Langfristiger Erfolg ist nur möglich, wenn der Verwaltungsrat gemeinsam mit der Geschäftsleitung die Veränderung nicht nur zulässt, sondern auch einfordert und fördert.

Ein gut funktionierendes Aufsichtsgremium profitiert von einer langfristig, stabilen Entwicklung mit Mitgliedern die über eine Periode von acht bis neun Jahren mitwirken. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob neue Kompetenzen (Digitalisierung; Technologie; Daten; Verständnis neuer Kundenbedürfnisse) bereits adäquat von den bestehenden Mitgliedern abgedeckt werden oder ob das Gremium ergänzt werden müsste.

In der Abwägung zwischen Veränderungsgeschwindigkeit und Stabilität hat der Verwaltungsrat die Verantwortung, jedes Mitglied und den kollektiven Beitrag des Gremiums kontinuierlich der folgenden Prüfung zu unterziehen: Würde dieses Verwaltungsratsmitglied in einer kompetitiven Auswahl erneut nominiert, basierend auf ihrer/seiner Business-Expertise, interpersonellen Fähigkeiten und Eignung? Lässt sich diese Frage nicht positiv beantworten, sollte man das Mitglied verabschieden und adäquat ersetzen.

«Das befähigt den Verwaltungsrat, als Kollektiv zu wirken»

Bei der kontinuierlichen Nachfolgeplanung für den Verwaltungsrat braucht es deshalb einen stärkeren Fokus auf Fähigkeiten, Erfahrungen sowie ein Persönlichkeitsprofil, das für die anstehenden Herausforderungen optimal gerüstet ist. Oft fokussiert man sich in dieser Definition zu stark auf das Profil austretender Mitglieder und erreicht damit den Erhalt des Status Quo. Der Blick nach vorn und ein konsistenter Ansatz sind massgebend.

Der Verwaltungsrat muss seine Zusammensetzung strategisch angehen und kontinuierlich überprüfen. Um optimale Voraussetzungen für ein erfolgreiches Meistern von Transformationen zu schaffen, braucht es bei der Konstitution von Verwaltungsräten ein integriertes Framework: Eignung, Verhalten und Compliance, die auf den Dimensionen Fähigkeit, Persönlichkeit, und rechtliche Anforderungen beruht. Die Gruppendynamik umspannt diese Elemente und befähigt den Verwaltungsrat, als Kollektiv zu wirken.

«Aus dem Lückenprofil lassen sich die Anforderungsprofile für neue Verwaltungsräte formulieren»

Eignungs-Perspektive: Ist der Verwaltungsrat individuell und kollektiv für die strategischen Herausforderungen, die sich aus der Transformation ergeben, gewappnet? Ausgangspunkt hierfür ist eine SWOT-Analyse. Damit lassen sich die internen und externen Chancen und Risiken objektiv eruieren. Basierend auf den so definierten Anforderungen an das Gremium ergeben sich die erforderlichen Fähigkeiten.

Bei der darauffolgenden Bewertung geht es nicht darum, individuellen Verwaltungsräten eine «Note» zu geben, sondern Lücken aufzudecken, die der Verwaltungsrat im Kollektiv aufweist, um die strategischen Herausforderungen zu meistern. Aus dem Lückenprofil lassen sich die Anforderungsprofile für neue Verwaltungsräte formulieren.

Verhaltensperspektive: Bedarf es eines «Machers», um ein Restrukturierungsprojekt zu initiieren und voranzutreiben? Oder besteht dringender Bedarf nach einem Teamplayer, der den zentrifugalen Tendenzen im Verwaltungsrat entgegenwirkt? Möglicherweise fehlt auch ein Analytiker, jemand, der gut zuhören kann, der wenige, dafür aber die richtigen Fragen stellt. Wir wissen, dass sich eine gute Gruppendynamik positiv auf die Unternehmensleistung auswirkt. Derartige Gremien unterwerfen sich nicht einem Gruppendenken, sie beziehen alle Teammitglieder mit ein, und sie lassen auf inhaltlicher Ebene Konflikte und fruchtbare Diskussionen zu.

«Diversity kann nicht genügend betont werden»

Rechtliche Anforderungen: Dieser Aspekt veervollständigt die Eignungs- und Verhaltensperspektive als Pflichtfach. Sie rückt die lückenlose Compliance mit den rechtlichen und regulatorischen Vorgaben in den Vordergrund. Ebenso wichtig ist ein transparenter Umgang mit Vorgaben zur Unabhängigkeit (institutionell, finanziell, persönlich), zeitliche Verfügbarkeit (Anzahl Ämter und Mandate), Interessenskonflikte (Geschäftsbeziehungen, Mandate), Diversität (inklusive Geschlechter-Richtwerte) und «Altersguillotine» (70 Jahre).

Der Mehrwert von Diversity kann nicht genügend betont werden, wenn es um die Bewältigung transformatorischer Herausforderungen geht. Die Erkenntnis – empirisch unterlegt – dass diverse Gremien bessere Entscheidungen treffen und damit Unternehmen nachhaltig erfolgreicher machen, hat sich durchgesetzt.

«Das ist von entscheidender Bedeutung, um nachhaltig erfolgreich zu sein»

Dem Thema Gender Diversity muss ein spezieller Fokus geschenkt werden, und dieser ist weder zu hinterfragen, noch ist die Entwicklung bereits zufriedenstellend abgeschlossen. Es wäre aber eine schlechte Entwicklung, wenn man die erwähnte Erkenntnis bezüglich Diversity und deren positive Korrelation mit nachhaltigem Unternehmenserfolg bewenden liesse. Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen müssen sich anstrengen, weitere Diversity-Aspekte in die Entwicklung und Rekrutierung von Schlüsselpersonen einfliessen zu lassen, um den Mehrwert von Diversity vollumfänglich mitzunehmen.

In Konklusion: Die Anforderungen an den Verwaltungsrat bezüglich Transformation sind weder ein Modethema noch eine Laune; sie sind Realität und die Voraussetzung für Verwaltungsräte, mit transformativen Treibern umzugehen. Das ist von entscheidender Bedeutung, um nachhaltig erfolgreich zu sein.


Reto Jauch leitet die Industrie übergreifende Board & CEO Practice bei Schulthess Zimmermann & Jauch. Er moderiert den regelmässigen Schulthess Zimmermann & Jauch Board-Roundtable, ein Diskussionsforum für Verwaltungsräte und Entscheidungsträger aus der Politik und Akademie zu Governance und Leadership Themen. Schulthess Zimmermann & Jauch ist eine Board Advisory und Executive Search Firma mit Büros in Zürich, London und München und New York. Vor seiner selbständigen Tätigkeit war Jauch Head Europe für A.T Kearney’s Board Advisory & Search Practice; er war von 1995-2002 Partner bei A.T. Kearney.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Didier Saint-Georges, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Lars Jaeger, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Michael Welti, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang und Michael Bornhäusser.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.65%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.63%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.17%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.49%
pixel