Für die Aktienmärkte wird es eine wichtige Frage, wie sich die Gewinnmargen der Unternehmen entwickeln. Gerade bei steigender Inflation gibt es hier aufkommende Unsicherheiten, schreibt Gérard Piasko in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


In Phasen, in denen die Inflation deutlich ansteigt, stellen sich viele Anleger die Frage, ob dies für die Gewinnentwicklung und die Profitabilität der Unternehmen von Vorteil oder eher ein Nachteil ist. Die kurze Antwort ist: Es kommt darauf an.

Das Verhältnis von Inflation und Gewinnentwicklung ist ein überaus komplexes System mit mehreren sich meist gleichzeitig verändernden Faktoren – also quasi eine Gleichung mit mehreren Variablen, die sich in der Regel gegenseitig beeinflussen. Grundsätzlich geht historisch ein allgemeiner Preisanstieg (Inflation) mit einem stärkeren Umsatzwachstum der Firmen einher, denn die Einnahmen sind eine nominale, nicht eine inflationsbereinigte, reale Variable.

«Durch die Corona-Restriktionen hat sich eine massive «Nachhol-Nachfrage» aufgestaut»

Einerseits profitieren viele Aktienindizes, die Rohstoffunternehmen beinhalten, vom Anstieg der Rohstoffpreise 2021 im Vergleich zu 2020, auch wenn die Höhe des Rohstoffpreisanstiegs sich etwas reduzieren könnte.

Für Firmen ausserhalb des Rohstoffsektors stellt sich die Frage, ob sich der Preisanstieg von Rohstoffen und wichtigen Komponenten wie Halbleitern, die wegen Lieferengpässen teurer wurden, negativ auf die Profitabilität auswirkt. Dies hängt hauptsächlich davon ab, ob diese steigenden sogenannten «Input-Kosten» durch Preiserhöhungen der Unternehmen an die Kunden kompensiert werden können.

Aufgrund der vielen Kommentare globaler Firmen scheint es 2021 im Gegensatz zu anderen Jahren eher der Fall zu sein, dass Unternehmen höhere Preise von Kunden verlangen können. Dies ist aus zwei Gründen plausibel: Zum einen stützen die zahllosen Finanzhilfen der Zentralbanken und Regierungen die allgemeine Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen mehr als in früheren Jahren.

Zum andern hat sich durch die Corona-Restriktionen besonders in den westlichen Ländern eine massive «Nachhol-Nachfrage» aufgestaut. Die Zusatz-Ersparnisse betragen beispielsweise in den USA inzwischen über 2’000 Milliarden Dollar, die von den Konsumenten in den kommenden Monaten zu einem guten Teil ausgegeben werden möchten. Auch in Europa besteht eine substanzielle «Nachhol-Nachfrage» – nicht nur nach Ferien oder Essen im Restaurant.

«Zwei weitere Faktoren beeinflussen die Profitabilität globaler, besonders westlicher Unternehmen positiv»

Natürlich spielt auf der Kostenseite die Entwicklung der Löhne eine Rolle: In Europa zeigt sich kaum ein Lohndruck, was mit der im Vergleich zu früheren Jahrzehnten geringen Organisation der Arbeitnehmer (also tiefen Mitgliedzahlen bei Gewerkschaften und Personalverbänden) in Zusammenhang steht.

In den USA gibt es temporär zwar zu wenig Personal für bestimmte Jobs, doch es ist davon auszugehen, dass sich diese Knappheit nach Auslaufen der Regierungshilfen für Arbeitslose im Herbst wieder entspannt.

Zwei weitere Faktoren beeinflussen derzeit die Profitabilität globaler, besonders westlicher Unternehmen positiv. Generell ist es die ausgeprägte globale Konjunkturerholung. Historisch zeigt sich oft eine Margenverbesserung bei gutem Wirtschaftswachstum. Sprich: Wenn das Wachstum nicht mehr ganz so «heiss», aber immer noch ansprechend läuft, dürften die Gewinnmargen der Firmen immer noch historisch überdurchschnittlich gut bleiben.

«Tatsache ist, dass die Produktivität steigt»

«Last but not least» ist zudem eine in Finanzmedien und bei Analysten zu wenig beachtete, aber deutliche Verbesserung der Produktivität festzustellen. Ob dies mit Quantensprüngen bei der Digitalisierung, regional engerer Kooperation bei der Produktion, besserer Internet-Infrastruktur oder anderen Faktoren zu tun hat, ist nicht präzise festzustellen.

Tatsache ist jedoch, dass die Produktivität steigt. Sowohl in Europa wie auch in den USA hat sich fast unbemerkt seit einigen Monaten das Wachstum der Produktivität im Vergleich zum mehrjährigen Durchschnitt um zweistellige Prozentpunkte erhöht, was kaum jemand erwartet hat.

Dies ist darum wichtig, weil historisch eine bessere Produktivität meist zu besserer Profitabilität bei den Unternehmen geführt hat. Schwankungen in diesen beiden Faktoren beeinflussen übrigens nicht nur die Aktienvolatilität, sondern auch die Volatilität aller anderer Anlageklassen.


Gérard Piasko ist seit Anfang 2018 Chief Investment Officer (CIO) der Zürcher Privatbank Maerki Baumann. Er verantwortet die Anlagestrategie des Hauses sowie die Anlagekommunikation gegenüber der Kundschaft. Er war während vieler Jahre als CIO im Private Banking der Bank Julius Bär, der Bank Sal. Oppenheim (Schweiz) und zuletzt der Deutsche Bank (Schweiz) tätig. Er hat Ökonomie und Rechtswissenschaften an der Universität Zürich studiert sowie ein Nachdiplom-Studium an der Columbia University in New York absolviert.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Neil Shearing, Claude Baumann, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Niels Lan Doky, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Andrew Isbester, Florin Baeriswyl, Agniszka Walorska, Thomas Müller, Ebrahim Attarzadeh, Marcel Hostettler, Hui Zhang, Michael Bornhäusser, Reto Jauch, Angela Agostini, Guy de Blonay, Tatjana Greil Castro, Jean-Baptiste Berthon, Dietrich Grönemeyer, Mobeen Tahir, Didier Saint-Georges, Serge Tabachnik, Rolando Grandi, Vega Ibanez, Beat Wittmann, David Folkerts-Landau, Andreas Ita, Teodoro Cocca, Michael Welti, Mihkel Vitsur, Fabrizio Pagani, Roman Balzan, Todd Saligman, Christian Kälin, Stuart Dunbar, Fernando Fernández, Lars Jaeger, Carina Schaurte, Birte Orth-Freese, Gun Woo, Lamara von Albertini, Philip Adler und Ramon Vogt.  

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.7%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.59%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.16%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.08%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.47%
pixel