Seit einigen Monaten hören wir immer wieder Neuigkeiten zu einem Thema, das über Jahrzehnte durch ein langes Schweigen gekennzeichnet war, stellt Lars Jaeger in seinem Beitrag auf finews.first fest.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen


An ein und demselben Tag (26. Januar 2022) war in verschiedenen Zeitungen zu lesen:

  • Brennendes Wasserstoffplasma im grössten Laser der Welt stellt Fusionsrekorde auf
  • Meilenstein der Kernfusion erzeugt erstmals «brennendes Plasma»
  • Physiker schaffen selbstbrennendes Plasma – ein Schritt in Richtung nachhaltige Kernfusionsenergie?
  • Wissenschaftler erreichen einen wichtigen Meilenstein bei der Nutzung der Fusionsenergie

Die Fortschritte in der Nuklearfusion (anders als die Kernfission, auf der die heutige, umstrittene Kernkraftgewinnung beruht) sind von sehr grosser Bedeutung. Denn die Kernfusion bietet die Möglichkeit, sichere und (nahezu) klimaneutrale Energie zu gewinnen.

Dabei ist die Geschichte der Kernfusions-Forschung bereits über 80 Jahre alt. Seit den 1930er-Jahren wissen Physiker, dass unter sehr hohem Druck und hoher Temperatur Wasserstoffkerne zu Helium-Atomkernen verschmelzen – und, dass es dieser Mechanismus (sowie die Fusion grössere Atomkerne) ist, der es der Sonne ermöglicht, ihre enormen Mengen an Energie zu erzeugen.

«Dies entspricht den Reaktionen im Inneren der Sonne»

In den jüngsten Schlagzeilen ging es konkret um die Errungenschaft der Wissenschaftler in der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory in Nordkalifornien. Hier wurde mit einem Hochleistungslaser zum ersten Mal ein «brennendes Plasma» erzeugt, womit sich für einen (sehr) kurzen Moment demonstrieren liess, wie der «Brennstoff», das heisst die Kombination aus Deuterium und Tritium, zur Kernfusion geführt und damit Energie erzeugt werden kann.

Die erreichte Energie entsprach nahezu der Energie, die für die Aufrechterhaltung der Nuklearreaktion erforderlich ist. Dies entspricht den Reaktionen im Inneren der Sonne, wobei hier auf der Erde das Problem ist, dass zur Erzeugung dieser Reaktionen zunächst enorm hohe Energiemengen respektive Dichten erforderlich sind, um den Prozess in Gang zu setzen, der sich dann von selbst erhält (auf Sonnen wird dies ab einer gewissen Grösse durch die enorm hohe Gravitationskraft automatisch bewirkt).

«Hier handelt es sich um einen traditionellen Fusionsansatz»

Nur wenige Monate zuvor gab es bereits eine ähnliche Welle an Zeitungsartikeln zur Kernfusion. Auslöser war hier das Bostoner Unternehmen Commonwealth Fusion Systems (CFS), eine Ausgründung des MIT, das mehr als eine Milliarde Dollar von Investoren wie Bill Gates und George Soros erhalten hat, wie es kommunizierte. Die Funktionsweise dieser Kernfusion ist eine ganz andere als die des NIFs.

Hier handelt es sich eher um einen traditionellen Fusionsansatz, indem man einen Donut-förmigen «Tokamak»-Reaktor baut, eine «grosse magnetische Flasche», wie der CEO von CFS Bob Mumgaard sagt, in der starke Magnetfelder Kugeln in rund 100 Millionen Grad heissem Plasma des Wasserstoffs kontrollieren, was die gleiche Fusion von Wasserstoffisotop-Kerne hervorbringen soll wie im lasergetriebenen Reaktor.

Mumgaard sagte, dass sie in sechs Jahren einen funktionierenden Reaktor haben werden. Sein Optimismus beruhte auf dem erfolgreichen Sommertest 2021 von CFS mit neuen Elektromagneten, die mit Supraleitern aus Barium-Kupfer-Oxid hergestellt wurden.

«Jeff Bezos unterstützt General Fusion»

Es wird jedoch ziemlich sicher Platz für mehr als einen Fusionsgewinner geben. Zu den anderen Unternehmen gehört das in Kanada ansässige und von Jeff Bezos unterstützte Unternehmen General Fusion, das von Investoren 2021 rund 130 Millionen Dollar erhielt.

Und dann ist da noch TAE Energy aus Kalifornien, das wohl am weitesten mit der kommerziell erfolgreichen Kernfusion ist und bereits in den in den letzten zwanzig Jahren mit Kosten von einer Milliarde Dollar experimentiert hat und nun mit dem erfolgreichen Aufbringen weiteren Geldes innerhalb der nächsten drei Jahre den ersten dauerhaft funktionsfähigen Kernfusionsreaktor bauen will. Diesen bezeichnen sie schon heute als «Kopernikus».

«Sonst würden die Investoren wohl kaum so viel Geld dort einfliessen lassen»

Die Tatsache, dass nun Investoren mehrere Milliarden Dollar privates Kapital für die nächste Finanzierungsrunde für die Entwicklung von Maschinen zur Kernfusionsenergie anzulegen bereit sind (mit einer entsprechend hohen Renditeerwartung), zeigt, dass sie sich unterdessen eine kommerziell nutzbare Kernfusion in fünf oder nur wenig mehr Jahren versprechen. Sonst würden sie wohl kaum so viel Geld dort einfliessen lassen. Kommerziell verfügbare Fusionstechnologie, stände sie uns eines Tages – und vielleicht schon bald – tatsächlich zur Verfügung, würde einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel bedeuten.

Wären wir tatsächlich in der Lage, Energie wie die Sonne zu produzieren und uns damit Zugang zur effizientesten, sichersten und umweltfreundlichsten Energieform zu verschaffen, die die Natur zu bieten hat, so wäre dies sicher nicht nur ein weiterer grosser technologischer Fortschritt, sondern vielmehr ein zivilisatorischer Sprung, der gleichzusetzen wäre mit der Erfindung der Dampfmaschine, die uns vor 250 Jahren die Energie gab, unsere Gesellschaft komplett umzukrempeln.


Lars Jaeger ist Investmentexperte sowie Autor, der über Geschichte, Philosophie und die Bedeutung der Wissenschaften und technologischen Entwicklung sowie über Hedgefonds, quantitatives Investieren und Risikomanagement schreibt. Kürzlich erschien im Springer Verlag sein Buch «Wege aus der Klimakatastrophe».


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